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Gendoping

Ein Albtraum der Doping-Bekämpfer: Eine Doping-Methode, die praktisch nicht mehr nachweisbar ist. Diese Bedrohung ist vielleicht schon Wirklichkeit geworden: Gendoping.

Vor allem Doping mit dem Hormon Epo könnte damit eine neue Dimension bekommen. Manipulierte Gene könnten eine leistungssteigernde Vermehrung von roten Blutkörperchen bewirken, gegen die alle herkömmlichen Doping-Kontrollen machtlos wären. Eine von der Anti-Doping-Organisation WADA und dem deutschen Biotec-Unternehmen "Quiagen" finanzierte Expedition der Universität Pennsylvania mit 16 Mäusen auf den Mount Everest soll jetzt helfen, einen Dopingtest gegen genetisches Epo-Doping zu entwickeln.

Epo – der Sauerstoff-Booster

Künstliche Hilfsmittel, die den Körper über seine natürlichen Leistungsgrenzen hinausbringen, sind schon lange ständige Begleiter im Hochleistungssport. Für Ausdauer-Athleten ist vor allem ein körpereigenes Hormon namens Erythropoetin interessant – bekannt als "Epo". Epo stimuliert die Bildung roter Blutkörperchen. Die wiederum transportieren Sauerstoff ins Gewebe.

Je mehr rote Blutkörperchen im Blut sind, desto mehr Sauerstoff kann das Blut aufnehmen und transportieren. Durch diese erhöhte Sauerstoffversorgung des Körpers kann der Athlet eine höhere Ausdauerleistung erreichen.

Höhentraining fördert natürliche Epo-Ausschüttung

Neues Epo wird gebildet, wenn der Körper zu wenig Sauerstoff hat. Diesen Mechanismus macht man sich beim Höhentraining zu Nutze. Leistungssportler werden vor wichtigen Wettkämpfen ins Höhentraining geschickt, damit ihr Körper rechtzeitig zum Wettkampf genügend rote Blutkörperchen gebildet hat und so voll leistungsfähig sind.

Seit den 80er Jahren gibt es allerdings einen schnelleren Weg: synthetisches Epo. In den Körper gespritzt wirkt es wie sein natürliches Pendant und veranlasst das Knochenmark, mehr rote Blutkörperchen aus den Blutstammzellen zu bilden. Seit ein paar Jahren können es die Doping-Fahnder allerdings von natürlichem Epo unterscheiden.

Körpereigenes Epo durch Manipulation der Gene

Was aber, wenn man den Körper dazu bringen könnte, von selbst mehr Epo zu produzieren? Das würde sich nicht von dem durch Höhentraining produzierten Epo unterscheiden. Die bisherigen Nachweisverfahren würden dann nicht mehr greifen.

Beweise dafür, dass bereits Gendoping praktiziert wird, gibt es noch nicht. Experten halten es aber für wahrscheinlich, denn entsprechende Ansätze werden bereits klinisch getestet. Bei den meisten Tests wird es nicht darum gehen, die genetische Information selbst zu verändern, sondern darum, die Verarbeitung dieser genetischen Information zu beeinflussen. Zum Beispiel könnte die Aktivität des Epo-Gens so manipuliert werden, dass die Niere von selbst mehr Epo produziert. Normalerweise wird das Epo-Gen nur bei Sauerstoffmangel aktiv. Mit einem Medikament könnte das Epo-Gen angeschaltet werden, auch ohne dass es einen Sauerstoffmangel gibt.

Schwieriger Nachweis

Nachweisverfahren, mit denen Gendoping-Sünder überführt werden könnten, müssen also völlig neue Wege gehen. Eine Hauptschwierigkeit besteht darin, dass es viele mögliche Methoden gibt, die Regulierung der Gene zu beeinflussen.

Auswirkungen eines natürlichen Sauerstoffmangels

Das Forscherteam am Mount Everest geht daher den indirekten Weg: Die Biologen Tejvir Khurana und Gabriel Willmann wollen erst einmal herausfinden, wie sich natürlicher Sauerstoffmangel auf die Regulation der Gene auswirkt. Dazu soll den Mäusen auf verschiedenen Höhen Blut entnommen werden, um später im Labor genetische Profile anzulegen. Da Mäuse dem Menschen genetisch sehr ähnlich sind, soll es künftig möglich sein, natürliches "Doping" durch Höhentraining von durch genetische Manipulation herbeigeführtem Doping anhand eines charakteristischen molekularen "Fingerabdrucks" zu unterscheiden.

Forschungsergebnisse erst nach Peking

Die Expedition am Mount Everest ist inzwischen erfolgreich beendet – auch wenn Khurana und Willmann "nur" eine Höhe von 8.500 geschafft haben. Frühestens im Herbst 2008 soll es erste Ergebnisse geben. Für die olympischen Spiele in Peking kommen sie zu spät. Ob dort schon Gendoping praktiziert wird, weiß niemand, Experten wie der Dopingforscher Patrick Diel von der Deutschen Sporthochschule in Köln halten es aber für sehr wahrscheinlich. Dabei ist Gendoping nicht nur illegal, sondern auch gefährlich. Das Eingreifen in noch längst nicht völlig verstandene molekulare Mechanismen könnte auch andere Mechanismen beeinflussen, die möglicherweise später Krebs auslösen.

Autor: Jakob Kneser

Literatur

Gendoping im Sport: Fakt oder Fiktion.

Autoren: Thorsten Schulz, Kai Smolnikar, Patrick Diel und Horst Michna,
F.I.T.- Wissenschaftsmagazin der Deutschen Sporthochschule Köln.
Ausgabe 1 / 1998, Seite 13-18.

Muskeln, Gene und Leistungssport

Autoren: Jesper L. Andersen, Bengt Saltin, Peter Schjerling,
Spektrum der Wissenschaft
Ausgabe 3/2001, Seiten 70-75

Stand: 11.11.2015 13:33 Uhr

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