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Hightech im Mittelalter

Die Burg Blankenheim in der Eifel sieht von außen aus wie viele mittelalterlichen Burgen dieser Gegend .Doch sie barg lange Zeit ein Geheimnis, das sie erst 1997 preisgegeben hat.

Wohnburg auf Berg
Die Burg Blankenheim hatte eine ausgeklügelte Wasserversorgung. | Bild: WDR

Es begann mit einem Zufallstreffer: Der Ingenieur und Archäologe Klaus Grewe vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege besichtigte einen alten Steinkeller wenige hundert Meter hinter der Burg. Die Kalkablagerungen machten ihn stutzig. Er vermutete, dass sich hier einstmals ein Wasserreservoir befand und machte sich auf die Suche nach der Wasserquelle.

Persisches Knowhow

Bei seiner Suche entdeckte er einen verschütteten Tunnel, der den nächstgelegenen Hügel durchquerte. Nach der Freilegung wurde sichtbar, dass er nach einer 3.000 Jahre alten Bauweise, der so genannten Qanat-Bauweise gebaut worden war. Sie wurde in Persien entwickelt für die Frischwasserförderungen in Wüstengebieten. Qanate sind horizontale Brunnen, die Trink- und Nutzwasser aus Bergen beziehen. Die Form der Wassergewinnung breitete sich rasch in der antiken Welt aus.

Klaus Grewe vermutete, dass durch den verschütteten Tunnel Wasser durchgeflossen ist. Jedoch fand er keine Wasserleitung. Der Boden war außerdem zu porös. Das Wasser wäre versickert. Also doch kein Tunnel mit Wasserleitung?

Hinweise von Blankenheimer Bewohnerin

Gretel Knaus besitzt ein Tagebuch ihres Onkels, der im Jahre 1888 den Tunnel sehr detailliert beschrieb. Auch die Holzleitung, die durch den Tunnel führte und inzwischen verwittert war. Eine andere Spur führte ins Eifel-Museum in Blankenheim. Dort lagerte ein Holzrohr, das bereits Anfang des letzten Jahrhunderts bei Bauarbeiten gefunden wurde. Lange Zeit wusste man nicht, wozu es gehörte, doch jetzt war klar: Es war ein Teil der Wasserleitung gewesen, die durch den Tunnel bis zur Burg führte.

Leitungsrohr aus Holz

Anhand der Jahresringe konnte bestimmt werden, dass dieser Baum 1468 gefällt wurde und damit die gesamte Anlage aus dem Mittelalter stammt. Ungewöhnlich genug, denn Burgbewohner bezogen normalerweise ihr Wasser aus Brunnen oder Zisternen. Aber vor allem der Tunnel war für Klaus Grewe erstaunlich. Denn nördlich der Alpen wurden im Mittelalter nur drei Tunnel gebaut. Sie wurden alle von kirchlichen Bauherrn errichtet. Aber der Tunnel in Blankenheim wurde von einem weltlichen Bauherrn mit einer verhältnismäßig kleinen Burg in Auftrag gegeben.

Weit entfernter Quellort

Auf der Suche nach der Quelle gab es wieder Überraschungen: Sie war auf dem nächstgelegenen Hügel. Das bedeutet, die Wasserleitung musste auf ihrem Weg auch ein Tal durchqueren ohne an Druck zu verlieren – eine technische Herausforderung. Noch außergewöhnlicher: Die Quellfassung war bereits so ausgefeilt konstruiert, dass sie der heutigen Deutschen Industrie-Norm (DIN) entspricht.

Das frische Quellwasser floss durch eine Kilometer lange Leitung, die ein Tal und einen Tunnel durchquerte, direkt in die Burg Blankenheim. Eine Sensation, der Baumeister muss wohl ein Genie gewesen sein. Wie jedoch der Baumeister zum Wissen für diese Hightech-Anlage gekommen war, da tappt Klaus Grewe im Dunkeln. Denn es existieren keine genauen Bauzeichnungen.

Genialer Baumeister

Man könnte vermuten, dass der Baumeister von den wenigen Handschriften des römischen Architekten Vitruv gewusst hatte, der im 1. Jahrhundert Tunnelbauten beschrieb. Oder hatte er das Wissen aus Klosterbibliotheken? Das aber gilt als unwahrscheinlich: Weltliche hatten keinen Zugang zu diesen Bibliotheken, und die wenigsten Menschen konnten damals schreiben und lesen.

Eine Möglichkeit wäre gewesen, dass der Baumeister sich bei den anderen drei mittelalterlichen Tunnel etwas abgeschaut hatte. Der einzige Tunnel, der nach der gleichen Bauweise gebaut wurde, ist der Tunnel bei dem Kloster Maria Laach – der so genannte Fulbert-Stollen. Klaus Grewe konnte dieses Rätsel bisher nicht lösen. Er war aber so fasziniert von der Meisterleistung seines Kollegen aus dem Mittelalter, dass er einen Roman darüber geschrieben hat.

Autorin: Tanja Winkler

Literatur

Der Ratz im Rohr

Autor: Klaus Grewe
Format: 15 cm x 21 cm, Leinen, 136 S.
Erscheinungsjahr: 2007
ISBN: 978-3-87124-332-5
Preis: 19,80 EUR

Eine Zeitreise ins Mittelalter: Grewe erzählt auf amüsante Weise die mögliche Geschichte des Baumeisters vom Auftrag über die Aneignung des Wissens bis zur Fertigstellung. Und nebenbei werden noch die technischen Finessen der Anlage erläutert.

Stand: 26.02.2013 12:38 Uhr

Sendetermin

So., 28.09.08 | 17:03 Uhr
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