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Artenwandel durch Klimaerwärmung

Der Kaiserstuhl, ein Mittelgebirge vulkanischen Ursprungs. Die Region am südlichen Oberrhein in der Nähe von Freiburg ist die sonnenreichste Deutschlands. Auf den Wärme speichernden Lössböden gedeihen nicht nur Weinreben besonders gut, hier haben sich auch Pflanzen und Tiere angesiedelt, die ursprünglich aus dem Mittelmeerraum stammen. Ein Vorgeschmack darauf, was durch den Klimawandel auch anderswo in Deutschland passieren könnte?

Ausbreitung des Lebensraums

Bienenfresser
Bienenfresser | Bild: SWR

Wir begleiten den Biologen Reinhold Treiber. Er zeigt uns einige der Wärme liebenden Zuwanderer. Zu den bekanntesten zählt der Bienenfresser. Seit 1990 brütet der farbenprächtige Vogel in den Steilhängen am Kaiserstuhl - von Juli bis August. Der Zugvogel, der die Wintermonate in Afrika verbringt, konnte in den letzten Jahren sein Revier nach Norden hin ausdehnen. Eine bedeutende Kolonie gibt es mittlerweile in Sachsen-Anhalt. Sogar bis in die Niederlande und Dänemark ist der Bienenfresser schon vorgedrungen.

Auf Wanderschaft ist auch die Gottesanbeterin. Die Fangschrecke hat - vom Kaiserstuhl aus - neue Lebensräume in Rheinland-Pfalz, Hessen und im Saarland erobert.

Gewinner: Seidenbiene und Sichelschrecke

Seidenbiene
Efeu-Seidenbiene | Bild: SWR

In den letzten Jahren ist Reinhold Treiber immer wieder auf neue Folgen der Klimaerwärmung gestoßen, zum Beispiel hat er die Einnistung der Efeu-Seidenbiene entdeckt. Auf der Suche nach Nahrung schwärmen die Insekten in weitem Umkreis aus. Reinhold Treiber weiß, wo er die Wildbienen suchen muss. An einer mit Efeu bewachsen Hauswand wird er fündig. 1993 wurde die Efeu-Seidenbiene zum ersten Mal nachgewiesen und hat sich stark vermehrt.
Reinhold Treiber: „Das Erstaunliche ist, sie hat sich explosionsartig ausgebreitet. 2006 die gesamte Oberrheinebene besiedelt. Und jetzt ist sie auf dem Vormarsch in Richtung Osten und ist in der Schwäbischen Alb und in Bayern angekommen.“ Dort nistet die Wildbiene gerne in Sandkästen von Spielplätzen - in Ermangelung von Lösssteilwänden.

Auch in seinem Garten konnte Reinhold Treiber beobachten, wie sich das Artenspektrum nach und nach durch die steigenden Temperaturen verändert hat. Er fängt eine Sichelschrecke, die bisher nur in Südeuropa vorkam. „Hier in meinem eigenen Hausgarten habe ich ein Tier entdeckt, die heißt mediterrane oder Vierpunkt-Sichelschrecke. Das ist eine Art, die erst vor wenigen Jahren in Deutschland nachgewiesen wurde, 2004 das erste Mal. Mittlerweile ist sie bis nach Hessen vorgedrungen, also in der Oberrheinebene komplett da und es ist zu erwarten, dass sie sich weiter ausbreitet.“

Verlierer: Schmetterlinge und Zugvögel

Natternwurz-Perlmuttfalter
Natternwurz-Perlmuttfalter | Bild: SWR

Nicht alle Insekten aber profitieren von den steigenden Temperaturen. Zu den Verlierern des Klimawandels zählt zum Beispiel der Natternwurz-Perlmuttfalter. Er mag es eher kühl und wird wohl in höhere Lagen oder den Norden ausweichen müssen. Dort kann der Falter aber nur überleben, wenn seine Raupen auch die entsprechende Futterpflanze vorfinden. Sie sind auf den Wiesenknöterich angewiesen.
Viele Zugvögel wie Trauerschnäpper und Gartenrotschwanz haben ebenfalls Probleme durch die Klimaerwärmung. Wann sie aus Afrika zurückkehren, ist genetisch festgelegt. Startet der Frühling - der milderen Temperaturen wegen - Wochen früher, kommen die Vögel zu spät, um noch das volle Nahrungsangebot vorzufinden.

Auch der Kuckuck wird zum Spätheimkehrer. Sind die Jungen eines Wirtsvogels – etwa eines Teichrohrsängers - schon geschlüpft, hat der Kuckuck keine Chance mehr, Pflegeltern für seinen Nachwuchs zu finden. Der scheue Kuckuck findet allenfalls in kühleren Gebieten, in denen die Vögel später brüten, noch Gelege, in die er sein Ei einschmuggeln kann. Als Brutparasit ist er darauf angewiesen, dass Singvögel seine Nachkommen großziehen. Der Kuckuck steht auf der Vorwarnliste der gefährdeten Arten. Steigende Temperaturen bedrohen nun zusätzlich seinen Bestand.

Den Artenverlust allein durch den Klimawandel schätzen Fachleute auf etwa 30 Prozent. Zuwandernde Arten aus dem Süden werden diesen Verlust kaum ausgleichen können.

Adressen & Links

Der NABU stellt ausgewählte Gewinner und Verlierer des Klimawandels vor. Leicht verständlich werden sowohl Pflanzen und Tiere gezeigt, die sich steigenden Temperaturen gut anpassen können, als auch solche, die aus ihren angestammten Lebensräumen in kühlere Gebiete abgedrängt oder ganz vertrieben werden:
www.nabu.de

Autor: Hans J. von der Burchard (SWR)

Stand: 11.05.2012 13:07 Uhr

Sendetermin

So., 29.11.09 | 17:03 Uhr
Das Erste

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