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Klimawandel im Gletschereis

Die Pasterze – der größte Gletscher Österreichs verschwindet

Tafeln zeigen den früheren Gletscherstand
Tafeln zeigen den früheren Gletscherstand | Bild: BR

Der gewaltige Eisstrom unter dem 3.800 Meter hohen Großglockner windet sich scheinbar seit Ewigkeiten den oberen Talboden des Mölltals entlang. Aber der Klimawandel hat auch hier bleibende Spuren hinterlassen: Die Oberfläche der Pasterze lag einst 230 Meter höher als heute. Seit dem letzten Höchststand vor über 150 Jahren schmilzt der Gletscher unaufhörlich. Neuere Forschungen beweisen zudem, dass der Gletscherschwund immer schneller voranschreitet. In weniger als zehn Jahren verlor die Gletscherzunge insgesamt mehr als 70 Meter an Höhe: ein zutiefst alarmierender Befund.

Tiefgekühlte Vegetationsreste

Doch das rapide schwindende Eis offenbart den Forschern auch interessante Einblicke in die Vegetationsgeschichte: Die Gletscherzunge spuckt immer wieder Holz und große Stücke Torf aus. Diese Vegetationsreste müssen aus den ehemaligen Nährgebieten des Gletschers stammen. Lag im scheinbar ewigen Eis vor Jahrtausenden etwa ein Waldgebiet oder ein Moor?

Den Jahresringen auf der Spur

Forscher an der Universität Innsbruck sammeln die von schmelzenden Gletschern freigegebenen Hölzer. Es ist ihnen gelungen, diese zeitlich zu ordnen und damit das Hochgebirgsklima vergangener Zeiten zu rekonstruieren. Eine wichtige Methode bei der Datierung ist die Jahresringanalyse. Temperatur und Feuchtigkeit bestimmen den Abstand der Wachstumsringe im Holz und lassen präzise Rückschlüsse auf das Klima zu. Die von der Pasterze freigegebenen Hölzer sind ungefähr 5.000 Jahre alt. Diese Holzreste im Gletscher sind ein Hinweis darauf, dass sich in den Bereichen, die heute teilweise noch vom Eis bedeckt sind, vor Jahrtausenden ein Waldgebiet befand.

Viehzucht im ewigen Eis

Vergleich von mikroskopischen Ergebnissen
Mikroskopische Bilder | Bild: BR

Wie es damals dort genau ausgesehen haben könnte, offenbaren weitere Untersuchungen von Experten für Vegetationsgeschichte. Diese untersuchen die ebenfalls vom Gletscher freigegebenen Torfstücke auf Pollen und andere Vegetationsreste. Dabei zeigt sich, dass der Torf aus der Pasterze Spuren von Pflanzen enthält, die überwiegend in Kulturlandschaften gedeihen: ein Indiz dafür, dass im heutigen Gletschergebiet vor langer Zeit Almwirtschaft betrieben wurde. Dies wird von einem noch interessanteren Fund bestätigt: Der Torf enthält Sporen eines Pilzes, der nur auf dem Dung von Kühen und Schafen gedeiht. Damit ist zweifellos bestätigt, dass im Gebiet des heutigen Gletschers Menschen in der Bronzezeit Viehzucht betrieben haben.

Entwarnung? Fehlanzeige!

Schmelzendes Gletschereis
Schmelzendes Gletschereis | Bild: BR

Diese bemerkenswerten Forschungsergebnisse zeigen zwar, dass es durchaus natürliche klimatische Schwankungen gibt, die den Gletscher beeinflussen. Doch für die Pasterze kann es trotzdem keine Entwarnung geben. Die Eismassen schmelzen in einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit. Messungen aus Eisbohrkernen zeigen deutlich, dass der CO2-Gehalt in der Atmosphäre in der letzten 500.000 Jahren noch nie so hoch war wie heute: Es ist also vor allem doch der Mensch, der die gewaltigen Eisberge der Gletscher zum Schmelzen bringt. Welche Auswirkungen dies für das empfindliche Ökosystem in den Alpen haben wird, vermag niemand vorherzusagen.

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Autoren: Herbert Hackl, Angela Baier (BR)

Stand: 06.11.2015 13:47 Uhr

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