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Der Retter der Affen

Doaula, Kamerun, 10. März 2009: Polizisten präsentieren einen ausgenommenen Schimpansen. Daneben stellen sie den Mann, der den Menschenaffen verkaufen wollte. Jetzt ist er verhaftet. Keine Szene aus dem Busch, sondern aus der wichtigsten Metropole Kameruns.

Krimineller Tierhandel

Ofir Drori
Ofir Drori | Bild: SWR

Kurz zuvor sind wir in der Hauptstadt Jaunde. Kamerun gilt als das wirtschaftlich stärkste Land Zentralafrikas. Etwa 19 Millionen Menschen leben hier. Unter ihnen auch der Mann, der die Verhaftung in Douala möglich gemacht hat. Seine Wohnung ist auch gleichzeitig Büro und Konferenzraum. Hier plant und organisiert Ofir Drori die Jagd auf illegale Tierhändler und Wilderer. Als der gebürtige Israeli vor sechs Jahren ins Land kam, existierte Kameruns Tierschutzgesetz nur auf dem Papier. Damals arbeitete er an einem Artikel über die Situation der Menschenaffen in Afrika. Doch als er bei seinen Recherchen auf gefangengehaltene Schimpansenwaisen stieß, wurde er mit der ignoranten Bürokratie und der Selbstgefälligkeit der Hilfsorganisationen konfrontiert. Er erinnert sich: "Ich war so angeekelt von dem ganzen System. Das schien alles so lächerlich. Besonders, weil all diese Millionen Dollar in die verschiedenen Organisationen gepumpt werden, um die Gorillas zu retten, oder die Schimpansen und all die bedrohten Tiere. Ich konnte nicht schlafen und ich schrieb ein Programm. Ich dachte, wenn etwas passieren muss, dann dieses: Es müsste eine andere Art der Organisation geben. Eine, die mehr zur Sache geht. Die sehr ernst ist. Die die Korruption bekämpft. Eine, die nicht weich ist, sondern sicherstellt, dass die Gesetze angewendet werden und die Kriminellen hinter Gitter kommen. Zu dieser Zeit dachte ich, ich geh nach Jaunde und gebe es irgendjemanden und alles wird erledigt."

Mehr als nur ein Retter

Drori mit Schimpansenkind
Drori mit Schimpansenkind | Bild: SWR

Es kam anders. Schließlich wollte sich niemand unbeliebt machen. Der Journalist und Abenteurer spürte also selbst die Tierhändler auf und befreite mit einem Bluff eine Schimpansenwaise. Der kleine Affe blieb bei ihm, bis er einen Platz in einem Schimpansenwaisenhaus gefunden hatte. Bei seiner nächsten Aktion drängte er die Polizei und die Forstbehörde ihm zu helfen. Schließlich mussten sie ja das Gesetz befolgen. Die Konsequenz war, dass er gleich nach der ersten Verhaftung erneut ein Schimpansenmädchen versorgen musste: "Ich musste ihr einige Monate Vater und Mutter sein. Das ist auch der Grund, warum sie eine Windel trug. Sie schlief in meinem Bett und ich musste die Windel so sieben Mal am Tag wechseln. Und du stellst schnell fest, sie haben ihre eigene emotionale Welt und sie brauchen eine Menge Wärme und Kontakt." Auch das Schimpansenmädchen lebt heute in einer Auffangstation. Die Trennung war nicht leicht: "Das ist auch ein bisschen ein Konflikt", so Ofir, "denn auf der einen Seite sind es so bezaubernde Wesen und sie sind so voll Liebe und auf der anderen Seite ist es das Beste für sie, all dieses zu vergessen und in im Wald zu sein, wo sie hingehören."

Aus dem Abenteurer wird ein Tierschutzaktivist

Ofirs Organisation Last Great Ape Organization, kurz LAGA, steht für den bedingungslosen Kampf gegen den illegalen Tierhandel und die Korruption. Die Arbeit ist gefährlich. Die LAGA-Ermittler arbeiten verdeckt, geben sich als potenzielle Käufer aus. Der Israeli selbst ist mittlerweile zu bekannt für den Job. Doch er steuert die Aktionen und bereitet die Ermittler vor.
Drei Tage nach unserem ersten Kontakt erleben wir den Verlauf einer solchen Aktion. In Ofirs Büro sitzen Informanten, Polizisten und Forstbeamte. Es geht darum, einen Tierhändler in eine Falle zu locken. Doch der ist ausgesprochen misstrauisch. Nicht ungewöhnlich bei diesem Geschäft.
Vier Stunden später am vereinbarten Treffpunkt: Vor einem Hotel greifen die Zivilbeamten zu. Der junge Mann wollte einen Mandrill verkaufen. Die Affenart steht unter Schutz. Der Handel ist verboten. Alles geht blitzschnell. Immer besteht die Gefahr, dass jemand dem Festgenommenen hilft. Doch diesmal haben die Aktivisten andere Probleme. Das Verhör läuft nicht so wie gewünscht. Der Vater des Verhafteten versucht die Beamten einzuschüchtern und sie mit Handelspapieren zu verwirren. Das gehört zum Spiel. Deshalb verfolgen Ofir und seine Mitarbeiter die Fälle so weit bis klar ist, dass die Täter ihre Strafe auch absitzen: "In den letzten zweieinhalb Wochen hatten wir fünf verschiedene Verhaftungen. Morgen vielleicht sogar schon die sechste. Es müssen also eine Menge Zugriffe durchgeführt werden. Das hier war jetzt nicht so groß, aber sehr komplex und ich glaube, wir machen damit klar, dass diese Art von Handel illegal ist."

Große Geschäfte, hohe Risiken

In Doaula soll ein getöteter Schimpanse verkauft werden. Makaber: Zur Zeit lagert er in einer Tiefkühltruhe. Am nächsten Vormittag bringen sich Zivilpolizisten und Forstbeamte auf einer belebten Straße nahe der Universität Doualas in Position. Der Händler kommt samt tiefgefrorenem Schimpansen mit einem Taxi. Das Geschäft soll auf offener Straße geschehen. Wieder geht alles blitzschnell. Nach wenigen Sekunden sitzen zwei Beamte mit dem Täter im Taxi und brausen los. Auf den Händler warten drei Jahre Haft. Doch Fälle wie dieser sind nur die Spitze des Eisberges, so Ofir Drori: "Das ist kein kleines Geschäft. Das sind kriminelle Aktivitäten. Die müssen verbunden sein mit jeder Menge Geld und Mafia-Geschäften. Das muss so sein, allein wegen der Größe des Geschäfts. Es muss auch eine Verbindung zu Leuten ganz oben geben, damit du so was regelmäßig machen kannst. Das ist das Problem, das wir haben."

Wer hier kämpft, hat viele Feinde und es erscheint fast als ein Wunder, dass Ofir Drori noch lebt. Doch er hat auch Freunde in der Regierung und bei den Behörden. Schließlich ist er nicht der einzige, der erkannt hat, dass der größte Feind der Natur Afrikas die Korruption ist.

Autor: Hilmar Liebsch (SWR)

Stand: 03.11.2015 09:49 Uhr

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