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Hokuspokus mit Heilsteinen

Amethyst
Amethyst | Bild: SWR

Besitzt ein Bergkristall vielleicht magische Kräfte und eine reinigende Wirkung auf den Körper?
Hält ein Achat womöglich negative Energien und das Böse vom Menschen fern?
Hilft ein Amethyst wirklich gegen Blutarmut und Migräne?

Prof. Gregor Markl, Mineraloge an der Universität Tübingen hat sein ganzes Wissenschaftler-Leben den Edelsteinen verschrieben. Auf die Wirkung seiner Forschungsobjekte blickt er dennoch mit großer Nüchternheit: "Also ich selber habe von dieser angeblich heilenden Wirkung noch nichts gemerkt und was immer wir auch versuchen, mit modernsten Methoden, mit analytischen Methoden und da gibt es eine ganze Menge, wir sehen nichts von diesen angeblichen Strahlen. Ich glaube, dass ist einfach eine sehr probate Methode, um gutgläubigen Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen."

Irrtum der Vergangenheit

Haben sich die Gelehrten der Vergangenheit geirrt? Heilsteine waren schließlich schon im Mittelalter bekannt. Hildegard von Bingen beschrieb die angebliche Wirkung bestimmter Steine. Damit nutzte sie mit ihrer Steinheilkunde die Erkenntnis, dass der Glaube an Heilsteine die Selbstheilungskräfte des Menschen aktivieren kann. An Heilsteine wie Malachit glaubte man schon in der Antike, und Schwefel galt schon im alten China vor über 5.000 Jahren als ein Heilstein.

Steinpflaster, Strahlenkamm und Co

Und heute? Steine als Massagemittel oder das Steinpflaster gegen Kopfschmerz sind Überbleibsel aus alter Zeit. Medizinisch ebenso wirkungslos wie die Rosenquarz-Massage. Doch warum sind der Amethyst-Strahlenkamm oder Stein-Wasser, dem Mineralien angeblich ihre Kraft verleihen, noch immer so beliebt? Gregor Markl hat eine Vermutung: "Das mag schon damit zu tun zu haben, dass die Menschen an die übernatürliche Wirkung solcher Steine glauben. Das ist so ähnlich wie bei manchen Medikamenten, wo es den sogenannten Placebo-Effekt gibt. Wissenschaftlich ist nichts nachweisbar, aber die Menschen fühlen sich besser. Sie sind bestärkt in ihrer Zuversicht, in ihrer Hoffnung und vielleicht reden sich das mit den Steinen manche auch nur ein. Aber – ganz klar ist – was wissenschaftlich nachweisbar ist, und was Glauben ist, das sind zwei verschiedene Dinge."

Geheimnis gelüftet

Kristallgitter
Kristallgitter | Bild: SWR

Wissenschaftlich lässt sich das größte Geheimnis der Mineralien entschlüsseln: ihr unnatürliches Aussehen. Die geometrische edle Form wird durch die Lage der Atome in einer für das Mineral typischen Anordnung verursacht. Dieses dreidimensionale Kristallgitter verleiht jedem Edelstein sein unverwechselbares Aussehen. Gregor Markl kennt auch die ungewöhnlichsten Formen und Farben seiner Forschungsobjekte. Denn mithilfe modernster Technik kann er den chemischen Fingerabdruck jedes Minerals der Erde entschlüsseln. Heilende Wirkungen hat er dabei allerdings noch nicht entdeckt.

Von Kobolden und Nickeln

Schon die Namen der beiden Minerale Kobald und Nickel zeigen uns, dass die Schätze der Erde schon immer auch Objekte des Glaubens oder besser des Aberglaubens jenseits aller Wissenschaft waren. "Beispielsweise gab es in der Vergangenheit Berggeister, oder vielmehr glaubte man, dass es sie gab. Kobold und Nickel wurden die genannt und heute sind zwei Metalle danach benannt – Kobald und Nickel", so Mineraloge Markl. "Die Erze, die in den vergangenen Jahrhunderten, als man diese Metalle noch nicht kannte, keinerlei Verwendung hatten, die aber aussahen wie gute Silber- und Kupfererze, von denen konnte es man sich nur vorstellen, dass sie verhext worden waren von Berggeistern."

Was ist spannender? Wirklichkeit versus Fantasie

Kristall
Kristall | Bild: SWR

Doch um unsere Blicke auch heute noch wie magisch anzuziehen, müssen Mineralien und Edelsteine nicht verhext sein oder gar heilen können "Das wirklich Faszinierende ist doch nicht das, was hineininterpretiert wird, sondern das, was wir wissen, dass sich nämlich über Jahrmillionen ohne Zutun des Menschen, nur aufgrund von geochemischen und geologischen Prozessen fantastische Formen und Farben in Form solcher Mineralien bilden – und das fasziniert mich jeden Tag immer wieder", so Gregor Markl. Eine Faszination, die auf Wissen basiert, nicht auf Mythen und Märchen. Denn Mineralien sind auch für die Forschung nach wie vor ganz besondere Objekte. Vielleicht gilt für sie, dass die Wahrheit viel spannenderer sein kann als jede Fantasie.

Adressen & Links

Die Homepage mit Kontaktdaten zu Prof. Dr. Gregor Markl in Tübingen:
www.uni-tuebingen.de

Autor: Axel Wagner (SWR)

Stand: 30.09.2014 14:10 Uhr

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