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Moderne Fahrräder haben nicht mehr viel gemeinsam mit dem alten Drahtesel – dafür bieten sie umso mehr: höheres Tempo, mehr Bequemlichkeit, bessere Alltagstauglichkeit.

Tempo 90 mit 300 Watt Wadenkraft

Speedbike auf der Rennbahn
Speedbike auf der Rennbahn | Bild: Jan Kerckhoff

Bei den schnellsten Rädern der Welt muss man schon mindestens zweimal hinsehen, um noch ein Fahrrad zu erkennen. Wie etwa bei dem "Speedbike" des Schweizers Francesco Russo. Er hat es selbst entwickelt und gebaut: Eine Karosserie aus Kunststoff, einer Zigarre ähnlich; nur etwa einen halben Meter hoch, in die sich der Fahrer hineinzwängen muss, angetrieben über Pedale und Kette. Nur mit der Kraft seiner Beine will Russo sein "Speedbike" auf Tempo 90 bringen. Zur Zeit trainiert er für einen Weltrekord. Um den zu knacken, muss er die Geschwindigkeit eine Stunde lang halten. Kurzzeitig hat er sogar schon über 100 Kilometer pro Stunde erreicht. Für Alltagsradler ist das nichts: Das Speedbike ist kippelig, stabilisiert sich erst ab etwas 50 Kilometer pro Stunde. Außerdem ist es so schmal, dass der schlanke Francesco Russo gerade mal so hineinpasst. Und eine Bodenfreiheit von circa drei Zentimetern lässt nur Fahrten auf speziellen Rennstrecken zu. Das "Speedbike" ist eben nicht für den Alltag gebaut, sondern für die Formel 1 des Fahrradfahrens.

Fahrrad mit Karosserie – die Autos von morgen?

Doch es gibt ähnliche Gefährte - für Jedermann, die etwas weniger windschnittig sind, dafür umso praktischer: vollverschalte Fahrräder, auch Velomobile genannt. Damit fährt zum Beispiel die Holländerin Elly Harte - schon Großmutter – bei jedem Wetter zum Einkaufen. Das hält sie fit. Ihr Velomobil ist sozusagen das "Speebike" für die Straße respektive den Radweg. Ihr Gefährt schafft es wegen der guten Aerodynamik immerhin bis Tempo 35. Gesteuert wird das dreirädrige Velomobil über Hebel, an denen auch die Bremsen befestigt sind. Der Fahrer hat eine halb liegende, halb sitzende Position, die sehr bequem ist. Und das Velomobil ist fast schon ausgerüstet wie ein Auto – sogar mit Blinker.

Dreiräder für Erwachsene

Die dreirädrigen Gefährte gibt es auch ohne Plastikverschalung: "Liegerad-Trikes". Solche Räder stoßen immer wieder auf Skepsis – anfangs auch bei der 65jährigen Christa Seilinger: "Ich war total skeptisch, habe immer gedacht: 'Ach Gott, das ist doch nichts im meinem Alter'. Das hat sich entschieden geändert. Ich bin überglücklich mit dem Fahrrad." Ob der tägliche Einkauf oder ein Ausflug ins 30 Kilometer entfernte München – jetzt erledigt sie alles mit dem Rad – und fühlt sich gut dabei. Das Liegedreirad ist wegen seiner drei Räder kippsicher und Christa Selinger empfindet die halb liegende Sitzposition als bequem: "Also beim normalen Rad, da steige ich auf und nach einem Kilometer fange ich die Hände an zu schütteln, weil sie mir einschlafen. Das passiert hier einfach nicht."
Diese Trikes sind aber nicht nur etwas für gemütliche Rentner. Auf tiefergelegten, technischen hochgezüchteten Dreirädern werden bereits die ersten Rennen ausgetragen – inklusive Steilkurve und Sprungrampen.

Die neuen Lastenesel

Der tägliche Einkauf ist mit einem straßentauglichen Dreirad auch kein Problem – mit speziellen Taschen lässt sich der gut erledigen. Aber auch für große Lasten gibt es mittlerweile gute Fahrräder – mit verstärkten Rahmen und Bremsen. Für etwa 1.800 Euro gibt es Räder, die bis zu 80 Kilogramm transportieren können.
Der stärkste Lastenesel ist wiederum ein Dreirad, das noch nicht im Handel ist, dann aber wohl auch mehrere Tausend Euro teuer sind wird. Es kann bis zu 150 Kilo fortbewegen!
Der Clou daran ist die Technik. Der Radfahrer wird von einem Elektromotor unterstützt, der wiederum durch eine Brennstoffzelle angetrieben wird. Die wiederum wird über reinen Wasserstoff angetrieben. Der Wasserstoff ist in Kartuschen erhältlich, ähnlich den Gaskartuschen für Campingkocher.
Noch wird dieses Lastenrad nur zu Testzwecken von einem großen Telekommunikationsunternehmen eingesetzt.

Große Sause

Eine Antriebshilfe für den Fahrer ist natürlich auch ohne schwere Ladung sinnvoll. Ein kleiner Elektro-Motor macht es möglich, dass man ohne Schweißausbruch zur Arbeit kommt. Pedelec werden diese Fahrräder genannt, bei denen der E-Motor das Strampeln unterstützt. Sie gibt es mittlerweile in vielen Varianten, sowohl für normale "Aufrecht"-Fahrräder als auch für Liegeräder. Allerdings: Wenn man zu treten aufhört, stoppt auch der Motor. Und schon bei Tempo 25 wird der Motor gedrosselt. Wer dann schneller fahren will, muss umso mehr strampeln. Die Drosselung verlangt der Gesetzgeber – nur so ist der Betrieb ohne Moped-Führerschein und Helm erlaubt.

An der Ampel Autos abhängen

Dem Erfinder Stefan Gulas reichte das nicht. Er hat ein Fahrrad mit einem 11-PS-starken Elektromotor entwickelt. Sein "eRockit" schafft sogar 80 Sachen. Fahrradfahren und trotzdem richtig schnell sein – für Gulas ist das kein Widerspruch mehr: "Man fühlt sich wie auf einem Fahrrad, weil man ja auch treten muss, hat aber die hohe Geschwindigkeit von einem 750-Kubik-Rennmotorrad. Dadurch misst man sich selber übernatürliche Kräfte zu."
Der Antritt des eRockit ist tatsächlich gewaltig. Ein kleiner Tritt in die Pedale bringt den Elektro-Motor sofort auf Touren. Der setzt augenblicklich sein gesamtes Drehmoment frei und katapultiert das Rad nach vorne. So schnell, dass man sofort zur Bremse greift. Damit hängt man jeden Sportwagen an der Ampel ab. Für Gulas geht es bei seinem eRockit zwar nicht um Ökologie – er will damit vor allem Spaß haben. Aber das Gefährt zeigt, was ein Fahrrad mit etwas elektrischer Unterstützung alles kann: Autobahn-Tempo bei einem Verbrauch von etwa 5 KW/h – so viel wie etwa fünf Waschmaschinen. Verglichen mit einem Motorrad oder gar einem Auto ist das sparsam.

Autor: Jan Kerckhoff (BR)

Stand: 05.12.2012 15:05 Uhr

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