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Pillen gegen Speck

Mit wenigen Klicks zur Traumfigur
Pillen, die über das Internet bestellt werden können, versprechen das scheinbar Unmögliche. Da heißt es: "Fett weg über Nacht" oder "Schlank auch ohne Sport".

Innerhalb weniger Wochen sollen die Kilos wie von selbst verschwinden. Die Fettaufnahme wird angeblich einfach blockiert und Fettzellen werden gezielt zerstört. Wissenschaftlich ist das nicht belegt, aber werbewirksam ins rechte Licht gerückt. Doch was passiert wirklich im Körper? Die Stiftung Warentest aus Berlin wollte das genauer wissen.

Vom Wohlstandsbauch zur Idealfigur – ohne Sport?

Ausschnitt einer Internetseite, auf der ein Abnehmmittel angepriesen wird
Verlockende Angebote zum Abnehmen | Bild: SWR

Aus der Welt der bunten Kapseln haben die Berliner Experten 16 Mittel ausgesucht, über das Internet bestellt und im Labor untersuchen lassen. Die meisten Versender sitzen in Asien, die Mittel gelangen nach der Bestellung auf dem Postweg zu den Kunden. Meist sind diese Päckchen als Geschenksendungen getarnt. Zwar werden regelmäßig solche Sendungen beim Zoll entdeckt und beschlagnahmt, aber in der Regel sind das nur Stichproben. Die von Stiftung Warentest bestellten Produkte jedenfalls landeten alle ohne behördliche Kontrolle im Briefkasten.

Inhaltsstoffe unbekannt

Medizin-Experte Carl-Friedrich Theill von der Stiftung Warentest
Medizin-Experte Carl-Friedrich Theill von der Stiftung Warentest | Bild: SWR

Das Gefährliche an diesen Kapseln: Meist werden sie ohne Beipackzettel geliefert. Keiner weiß wirklich, welche Wirkstoffe in welchen Konzentrationen in den Pillen schlummern. Der Griff zum chemischen Schlankmacher, eine Art "Russisches Roulette mit der eigenen Gesundheit", warnt Medizin-Experte Carl-Friedrich Theill von der Stiftung Warentest: "Es wird die Dosierung nicht richtig angegeben, es ist dann entweder sehr wenig dieser Substanzen in diesen Mittel enthalten, oder die Dosierung ist sehr, sehr hoch. Wir haben zum Beispiel ein Mittel gefunden, da ist das Sibutramin doppelt so hoch dosiert wie in dem Mittel, das es auch hier in Deutschland in dieser Form gibt."

Gefährlicher Appetitzügler

Sibutramin ist in Deutschland nur in dem Medikament Reductil zugelassen – und zwar maximal in einer Dosierung von 15 Milligramm pro Kapsel. Schon diese Tabletten sollten nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden. In Italien wurde das Mittel auf Grund von zwei Todesfällen sogar ganz vom Markt genommen. In den Internetpillen aus China ist Sibutramin oft heimlich beigemischt und überdosiert und auf den Verpackungen entweder gar nicht oder nur unzureichend deklariert.

Riskanter Mix: Ephedrin und Koffein

Zwei rote Kapseln und einige Tassen Kaffee
Zwei Kapseln Ephedrin entsprechen zehn Tassen Kaffee. | Bild: SWR

Wer zu so genannten "Fatburnern" greift, bekommt die beworbenen Energieschübe oft in Form von Schweißausbrüchen, Herzrasen und Schlaflosigkeit zu spüren, so die Verbraucherschützer. Am höchsten dosiert waren jene, die unter dem Namen ThermoGenesis vertrieben werden: Pro Kapsel fanden die Berliner Tester etwa 20 Milligramm Ephedrin und 340 Milligramm Koffein. Dieser Cocktail aus Ephedrin und Koffein verstärkt die Wirkung und kann zu Herzrhythmusstörungen führen. Schluckt man wie empfohlen zwei Kapseln am Tag, entspricht das etwa zehn Tassen Kaffee.

Mit dem Leben bezahlt

Ephedrin oder Ephedrakraut ist wegen seiner suchterregenden Eigenschaften bei uns verschreibungspflichtig. Bei Diätbesessenen und Bodybuildern kam es schon zu Todesfällen. Die Laboranalyse der 16 Produkte förderte noch mehr fragwürdige Wirkstoffe zutage. So wurde in einigen Produkten das sogenannte Yohimbin in hohen Mengen entdeckt. Medizinexperte Carl Friedrich Theill: "Yohimbe ist eine aus Westafrika stammende Baumrinde und die kennt man als erster Linie nur zur Potenzsteigerung, es ist aber auch ein Blutdruck steigerndes Mittel. Diese Dinge sind nichts für die Selbstmedikation und stellen ein potentielles Risiko dar."

Gefährliche Überraschung aus Fernost

Aber auch die als rein pflanzlich bezeichneten Abnehmpillen konnten den Tester nicht überzeugen. Die Wirkungen der Substanzen aus dem Harz des Guggulbaums oder aus der Hoodia Pflanze sind medizinisch umstritten.

Hände weg von Krabbenschalen

So werden auf vielen Internetseiten Produkte aus Krabbenschalen angeboten. Doch Wissenschaftler der Universität Auckland, Neuseeland haben in einer doppelblind placebokontrollierte Studie an 250 Teilnehmer gezeigt, das Chitosan keinen klinischen signifikanten Gewichtsverlust bewirkt. Aus diesem Grund ist die Verwendung von Chitosan zur Gewichtsreduktion aus ernährungsmedizinischer Sicht nicht zu empfehlen. Chitosan ist scheinbar eher Schwindel, so die Stiftung Warentest Berlin.

"Hier wird suggeriert, dass Abnehmen so auf leichte Weise möglich wäre", so Theill, "was aber nicht stimmt. Es gibt nirgendwo wissenschaftliche Untersuchungen, die in all diesen Fällen irgendetwas belegen. Schon die Fülle des Angebots ist ein Hinweis darauf, dass es den Königsweg zum Abnehmen nicht gibt."

Aus ärztlicher Sicht ist die eigenverantwortliche Einnahme ein absolutes Risiko. Die Versender der bunten Schlankheitsmacher sitzen weit weg und können bei Komplikationen nicht haftbar gemacht werden.

Darum der Tipp des Medizinexperten Theill: "Man sollte auf diese Sache nicht setzen um schnell abnehmen zu wollen, das gelingt sowieso nicht. Trainieren Sie sich lieber ein langfristiges Diätkonzept an und befolgen Sie das. Nehmen Sie sich etwas mehr Zeit und gehen Sie dafür weniger Risiken ein. Bei dem Langzeitprogramm geht es mit dem Abnehmen auch besser."

Mehr bewegen, besser essen

Doch die harte Tour ist mühsam! Und wer partout Pillen schlucken will, der wird kaum den Rat seines Arztes suchen. Carl-Friedrich Theill fürchtet daher, dass das Geschäft mit den Wunderpillen trotz aller Warnungen weiter blühen wird.

Stand: 16.09.2015 13:47 Uhr

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