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Wie gesund ist Milch?

Lebensmittel mit bestem Ruf

Milch gilt als besonders gesund und nährstoffreich. Kaum ein Lebensmittel hat so ein positives Image wie das weiße Kraftgetränk. Doch der Weg vom Euter über die Supermärkte auf den Tisch ist weit und verändert die Milch. Was ist noch drin, wenn wir sie trinken?

Frisch aus dem Euter ist die Kuhmilch nicht nur reich an Kalzium. Auch viele Spurenelemente, essentielle Aminosäuren, Fette und Vitamine machen die Milch zu einem komplexen Nährstoffcocktail. Aber: Milch ist nicht gleich Milch. Zwischen Kuhstall und Küche liegt eine lange Verarbeitungskette. Und die verändert Nährstoffgehalt und Qualität.

Viel Kraftfutter für Kühe kann problematisch sein

Labor des Bundesforschungsinstituts für Ernährung und Lebensmittel
Labor der Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel | Bild: HR

Die ersten Weichen stellt schon die Wahl des Tierfutters. Kühe fressen heute immer mehr Kraftfutter, das die Milchleistung steigern soll. Dadurch enthält ihre Milch aber weniger wertvolle Omega-3-Fettsäuren. Für Menschen, die auf ihren Cholesterinspiegel achten müssen, kann das problematisch sein.

Im Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (MRI), prüfen Wissenschaftler ständig Herstellungsverfahren, Qualität und Geschmack von Milchprodukten und erforschen ihre gesundheitliche Wirkung. Lebensmittelchemiker Dr. Michael de Vrese weiß, welche Bestandteile der Milch für die Ernährung die größte Rolle spielen: "Das Wichtigste an der Milch für die menschliche Ernährung bei uns ist das Kalzium, das wir für gesunde Knochen und gesunde Zähne brauchen. Daneben enthält Milch ein besonders hochwertiges Eiweiß, es enthält Jod und es enthält viele wichtige Vitamine, unter anderem Vitamin A und die B-Vitamine."

Milch ist nicht gleich Milch

Kühlregal mit Milchtüten
Milch ist nicht gleich Milch | Bild: HR

Doch welche dieser Nährstoffe letztendlich beim Kunden ankommen, hängt stark von der Verarbeitung ab – und von der Milchsorte, die man kauft. Um Milch als Massenprodukt nutzbar zu machen, wird sie in ihrer natürlichen Struktur verändert. Sie wird gereinigt, entrahmt und erhitzt. Das alles findet in einem keimfreien, geschlossenen System statt. Pasteurisieren ist das Standardverfahren, um Milch haltbarer zu machen. Bis zu 30 Sekunden wird die Milch dabei auf 72 bis 75 Grad Celsius erhitzt, um krankmachende Keime abzutöten. Das Ergebnis nennt sich dann etwas irreführend "Frischmilch" – denn wirklich frisch ist die Milch nach dem Erhitzen natürlich nicht mehr. Und die Sache mit der Haltbarkeit hat noch einen Haken, denn beim Erhitzen verliert die sogenannte frische Milch bis zu fünf Prozent der Vitamine A, B und C.

Seit einiger Zeit wird die "Frischmilch" von einer sogenannten Länger-Frisch-Milch, auch ESL-Milch genannt, aus den Supermarktregalen verdrängt. ESL steht dabei für "extended shelf life" und bedeutet eine längere Haltbarkeit im Regal. Sie wird auf bis zu 127 Grad Celsius erhitzt und durchläuft besonders feine Filter. Dadurch ist sie ungeöffnet nicht nur bis zu 21 Tage haltbar, sondern verliert auch bis zu zehn Prozent ihrer Vitamine. Und weil es keine einheitliche Bezeichnung gibt, wird auch noch mit irreführenden Behauptungen geworben wie "extra frisch", "maxi frisch" oder sogar "extra langer Frischegenuss".

Je haltbarer, desto weniger Vitamine

Glas mit Milch
Fettarme H- Milch büßt besonders viele Vitamine ein | Bild: HR

Noch vitaminärmer ist die H-Milch, die auf bis zu 150 Grad ultrahocherhitzt wird. Etwa 20 Prozent der Vitamine B12 und C sowie etwa fünf Prozent der Vitamine B1, B2 und B6 überstehen die Hitze nicht. Das Ultrahocherhitzen und weitere Verarbeiten verändert außerdem die natürliche Eiweiß- und Fettstruktur der Milch. Da Milch im Rohzustand sehr kalorienreich ist, kommen immer mehr fettreduzierte Produkte in den Handel. Doch beim Entrahmen geht mit dem Milchfett zusätzlich noch ein großer Teil der fettlöslichen Vitamine A, E und D verloren.

Als Faustregel gilt also: Je höher der Fettgehalt und je schonender die Wärmebehandlung, desto vitaminreicher ist die Milch.

Milch ist ein besonders kalziumreiches Lebensmittel

Wenn entrahmte und ultrahoch erhitzte H-Milch beim Verbraucher ankommt, hat sie also einiges von ihren natürlichen Inhaltsstoffen verloren. Langes Lagern führt außerdem zu weiteren Vitaminverlusten. Proteine, Mineralstoffe, Spurenelemente und der hohe Kalziumgehalt der Milch bleiben aber auch bei Milchsorten aus dem Supermarkt erhalten.

Ob Kalzium allerdings tatsächlich so segensreich ist wie bislang angenommen, wird immer noch untersucht. Einige Studien weisen darauf hin, dass Inhaltstoffe der Milch das Entstehen von Krebserkrankungen begünstigen könnten. Gerade beim Prostatakrebs scheint ein hoher Milch- und damit auch Kalziumkonsum das Risiko zu erhöhen. Solange das aber nicht endgültig bewiesen ist, überwiegen die Vorteile des Milchtrinkens immer noch etwaige Nachteile.

Fazit: Wie gesund Milch ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Um den Kalziumbedarf zu decken, ist sie unschlagbar, einzig der Grünkohl kann da mit ihr mithalten. Die vitaminreichste Milch ist die unbehandelte Rohmilch vom Bauern. Sie kann aber krankmachende Keime enthalten. Wärmebehandelte Milch aus dem Supermarkt birgt dieses Risiko nicht, enthält aber je nach Haltbarkeit und Fettgehalt deutlich weniger Vitamine. Hier muss nun jeder abwägen, was für ihn das geringere Übel ist.

Autorin: Natalie Reinking / Sarah Spitzner

Stand: 26.02.2014 09:23 Uhr

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