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Die Rettung des Urkaffees

Die Kaffeebohnen werden auf einer Metallpfanne dunkelbraun geröstet
Das Rösten frischer Kaffeebohnen gehört zur äthiopischen Kaffeetradition | Bild: SWR

Es ist acht Uhr morgens. Langsam lichtet sich der Frühnebel über dem Bergregenwald der Region Kaffa im Südwesten Äthiopiens. Wir sind auf gut 1.600 Metern Höhe in einem kleinen Dorf etwa 30 Kilometer von der Provinzhauptstadt Bonga entfernt. Der Morgen ist noch kühl. Frau Tadelech Wodajo röstet frische Kaffeebohnen über dem Holzkohlenfeuer. Der Raum ist gefüllt vom Duft der röstenden Kaffeebohnen und dem Qualm der Holzkohle. Gut eine halbe Stunde dauert es, bis die Bohnen die richtige Farbe haben. Es ist die Zeit, in der sich Tadelech und ihr Mann Echetu auf den Tag vorbereiten: "Es gehört zu unserer Kultur, so den Tag zu beginnen; uns gegenseitig Guten Morgen zu wünschen und nach der verbrachten Nacht zu erkundigen. Deshalb bereiten wir den Kaffee zu und trinken ihn gemeinsam mit unseren Nachbarn."

Diese Art Kaffee zu trinken, ist typisch für Äthiopien. Die gerösteten Bohnen werden von Hand gemahlen. Wasser und Pulver werden kurz zusammen aufgebrüht und dann von der Feuerstelle genommen, damit das Pulver absinken kann. Es entsteht ein extrem gehaltvoller Kaffee – gebrüht aus einer der ältesten Kaffeesorten der Welt: der Arabica Bohne.

Der Ursprung des Arabica Kaffees

Der Arabica-Kaffee gilt im Vergleich zur wesentlich häufiger gehandelten Robusta-Bohne als besonders wertvoll. Die ursprüngliche Heimat des Arabica sind die Bergregenwälder Äthiopiens, wo die Ursprungssorten auch heute noch wild wachsen. Doch der Lebensraum des Urkaffees ist gefährdet, denn die Bergregenwälder verschwinden immer mehr. Über zwei Millionen Hektar Wald hat Äthiopien in den letzten 15 Jahren verloren. Die Wälder werden von der Bevölkerung gerodet, um Acker- und Weideflächen zu gewinnen. Dazu kommen neuerdings auch immer mehr Investoren, die die Landflächen für Plantagen nutzen wollen.

Um den Raubbau am Wald zu stoppen, wurden in den letzten Jahren eine Reihe von Kooperativen gegründet, die mit Hilfe von Umweltschutz- und Entwicklungshilfeorganisationen den Urkaffee als Spezialität im Ausland vermarkten. Der Gedanke dahinter ist einfach: Die Bauern verdienen unter normalen Marktbedingungen nicht ausreichend an dem Urkaffee. Daher haben sie wenig Interesse daran, dessen ursprünglichen Lebensraum zu schützen. Das Bonga-Regenwald-Projekt ist eines der Projekte, die diese Entwicklung stoppen wollen. Die Grundidee: Wenn die Bewohner der Bergdörfer von den Früchten des Waldes profitieren können, haben sie selbst ein Interesse daran, ihn zu schützen. Über eine Genossenschaft wird der ursprüngliche Kaffee als teure Spezialität im Ausland vermarktet. Kinfe Mamo von der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit betreut das Projekt, in dem inzwischen gut 6.700 Bauern organisiert sind. Der Kaffee wird über einen Freiburger Kaffeeimporteur auch nach Deutschland verkauft. Der Äthiopier ist stolz auf den Erfolg bei den Bauern und hofft, dass auch der Regenwald davon profitiert. Schließlich stellen die letzten Regenwälder Äthiopiens eine unersetzliche genetische Ressource dar – nicht nur für Kaffeepflanzen.

Kaffee aus dem Wald – keine leichte Arbeit

Die Familie von Tadelech und Echetu ist eine der Familien, die an dem Bonga-Regenwald-Projekt teilnehmen. Fast täglich gehen sie samt Töchtern und Söhnen in den Wald, um die seltenen Kaffeekirschen zu sammeln. Ein gut zehnminütiger Weg führt durch die Felder und Weiden der Nachbarn. Dann erreichen sie den Wald. Am Eingang noch licht wird das Gestrüpp immer dichter. Die wilden Kaffeebäume stehen nur ganz vereinzelt im Unterholz. Die Ernte ist entsprechend mühselig. Doch die Mühe wird belohnt. Langsam füllen die flinken Hände die Körbe mit den wertvollen Kaffeekirschen. Je nach Lage entfalten sie die unterschiedlichsten Aromen. Aromen, die so kein Plantagenkaffee entwickeln kann.

Heute geht es allerdings langsamer als sonst. Es ist Mitte Oktober. Die Saison hat erst begonnen und es sind nur wenige Früchte reif. Auch tragen die Kaffeepflanzen in jedem zweiten Jahr weniger Früchte - so wie dieses Jahr. Trotzdem machen Echetu und seine Familie die Arbeit gerne. Der Urkaffee ermöglicht ihm ein besseres Leben, seine Kinder können ausgebildet werden, sagt er. Dazu kommt, dass kein Kaffee so gut schmecke wie dieser. Den Wald liebe er, weil er es gewohnt sei hier zu sammeln. Zuhause angekommen breiten Echetu und seine Tochter die roten Kaffeekrischen auf dem bereitstehenden Gitter zum Trocknen aus. Erst wenn die Kaffeekirschen fast schwarz sind, werden sie zur Weiterverarbeitung abgeholt.

Ein Leben ohne Kaffee ist unvorstellbar

Tadelech und ihre älteste Tochter bereiten inzwischen den Kaffee vor. Wie am Morgen ist der Raum Rauch und Duft geschwängert. Die ersten Nachbarn und Freunde gesellen sich zu ihr und genießen den Anblick der röstenden Bohnen. Das sei so üblich, wer Kaffee zubereite, mache dies nicht für sich allein. Es sind alle eingeladen. So komme man ins Gespräch, erzählt Tadelech: "Kaffee ist die Hauptsache, weswegen wir miteinander Kontakt aufnehmen. Wenn es keinen Kaffee gäbe, würde unser Zusammenhalt sehr viel verlieren."

"Einen Kaffee trinken gehen", meint schließlich nicht nur in Äthiopien viel mehr, als nur ein Heißgetränk zu sich zu nehmen.

Die Legende vom Hirtenjungen Kadi

Ob das Getränk Kaffee auch in Äthiopien zum ersten Mal gebraut wurde, kann nicht belegt werden. Die Legende jedoch sagt, dass ungefähr um 600 nach Chr. ein Hirtenjunge namens Kaldi beobachtet habe, wie seine Ziegen nach dem Genuss der Kaffeekirschen wie wild tanzten. Er brachte die Kaffeekirschen den christlichen Mönchen. Denen war die Wirkung auf die Ziegen nicht geheuer, sie hielten die Kaffeekirschen für ein Produkt des Teufels und warfen sie ins Feuer. Es stieg ein herrlicher Duft auf, der von den röstenden Bohnen stammte. Die Mönche konnten der Versuchung nicht widerstehen und probierten die gerösteten Kaffeebohnen. Danach konnten sie die ganze Nacht beten. So entdeckten sie nicht nur, die belebende Wirkung des Kaffees, sondern widerlegten auch den Einfluss des Teufels. Wie von
allen Überlieferungen gibt es auch von dieser mehrere Versionen.

Autor: Hilmar Liebsch (SWR)

Stand: 17.10.2012 14:14 Uhr

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