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Google Street View – polarisierende Weltkarte

Virtuell begehbare Landkarte

Das Google Street View Auto
Das Google-Mobil mit den Kameras | Bild: NDR

Wie auf der Erdkugel gibt es auch in der Google-Welt zwei Pole: Die einen sind restlos und bedingungslos begeistert, die anderen lehnen alles ab, was mit Google im Allgemeinen oder mit deren neuer Software Street View im Besonderen zu tun hat. Aus Nutzersicht ist eine 360°-Realbild-Landkarte, in der jeder sich virtuell an jeden Ort begeben und sich dort um die eigene Achse drehen kann, zunächst bestechend. Allerdings: Die Begeisterungsrufe über die technischen Möglichkeiten der schönen neuen Internetwelt dürften die Bedenken der Datenschützer nicht übertönen.

Die Fahrer der Google-Mobile lassen lieber alle Autofenster geschlossen, wenn sie auf Fototour durch Europas Städte fahren. Zwar gibt es dann und wann jubelnde Hurraschreie von Jugendlichen, doch nicht selten beschimpfen Passanten den Fahrer bitterböse. Die Grafiker, die später das Bildmaterial auswerten und bearbeiten, entdecken nicht selten einen erbost gen Kameras gereckten Mittelfinger.
Viele Menschen fühlen sich verfolgt und zu unrecht veröffentlicht von der weltweit am stärksten genutzten Internetsuchmaschine. Denn die Millionen von Bildern, die Google für die 360-Grad-Realbild-Landkarte fotografieren lässt, werden ins Internet gestellt. Für jeden frei einsehbar.

Menschenleere Plätze und Wege

Aufnahme einer Brücke
Selten sind Plätze menschenleer | Bild: NDR

Dabei gehe es den Machern gar nicht darum, Menschen zu zeigen, versichert der in Europa zuständige Produktmanager. "Wir würden am liebsten unsere Mobile losschicken, wenn niemand auf den Straßen unterwegs ist, aber das geht leider nicht", erklärt Raphael Leiteritz in Zürich. Der Grund: Fotografiert werden öffentliche Plätze und Wege und die sind äußerst selten menschenleer. Allenfalls nachts – doch da lässt es sich nicht ausreichend gut fotografieren. Also wird am Tage geknipst.
Neun Kameras sind auf einem etwa anderthalb Meter hohen Stativ in Kreisformation auf dem Dach des Mobils angebracht. Das ermöglicht eine komplette Rundumsicht. Die Kameras schießen während der Fahrt permanent Fotos. Eingebaute Computer passen die Aufnahmen an die Fahrgeschwindigkeit des Autos und die Breite der Straße an.

Vom Datenpaket zum Panorama

Der Scanner
Wichtiges Messinstrument für Google Street View: der Laser | Bild: NDR

Gleichzeitig ermittelt ein GPS-Gerät die exakten Koordinaten zu jedem Einzelbild und ein Laser misst die Entfernungen zum Fahrbahnrand sowie zu Hecken oder Gebäudemauern. "Es reicht nicht aus, nur ein optisches Bild zu machen, denn wir wollen uns ja auch ins Bild hinein- und wieder herauszoomen können. Der Laser misst die Proportionen und stellt sicher, dass wir verstehen 'Aha! An dieser Stelle kann ich nicht weiter hineinzoomen, weil dort eine Mauer ist' und dass wir ein Verständnis entwickeln für den Aufbau der Straße", so Leiteritz. Nach jeder Fototour wird das gesamte Datenpaket aus Bildern, Koordinaten und Abständen an verschiedenen Standorten des Unternehmens rund um den Globus verarbeitet. Computer fügen die Einzelfotos zu 360°-Panoramen zusammen. So kann sich der Nutzer virtuell um seine eigene Achse drehen. Eine technisch komplizierte Aufgabe, meint Leiteritz: "Wir müssen eine Bildanalyse durchführen, die aus einzelnen Bildern alle Einzelteile herausnimmt und diese dann aneinander setzt, um diese echte Panoramasicht zu erstellen."

Rundumsicht noch nicht rund um den Globus

Der Eiffelturm bei Google Street View
Der Eiffelturm bei Google Street View | Bild: NDR/Google

Inzwischen hat das Unternehmen auch schon eine Version fürs Handy entwickelt. Doch noch erfasst Street View längst nicht alle öffentlichen Orte rund um den Globus. Derzeit können insgesamt 18 Länder per Mausklick in der Straßenperspektive bereist werden. Deutschland soll in diesem Jahr hinzukommen. Doch gerade hierzulande sind die Google-Mobile in den Fokus der Datenschützer geraten. Darauf haben die Macher von Street View mit einer hauseigenen Software reagiert. Sie erkennt automatisch Gesichter und Autokennzeichen und macht sie unkenntlich. Allerdings, räumt Leiteritz ein, sei die Technik nicht perfekt. Es werde keine hundertprozentige Sicherheit gewährleistet. Deshalb kann und soll jeder Nutzer melden, wenn er eine Person entdeckt, die noch erkennbar ist. Dafür gibt es im Sichtfenster von Street View einen Link, der einfach angeklickt werden muss.

Löschbare Häuser

Beispiele für mögliche "gelöschte" Häuser
So könnten Bilder mit gelöschten Häusern aussehen | Bild: NDR

Kritiker fürchten aber, dass sich beispielsweise Einbrecher durch Street View ein umfassendes Bild potenzieller Einbruchshäuser machen können. Auch ist nicht geklärt, ob Google die Bilder entsprechend auswertet und Daten an Firmen verkauft. Ein mögliches Beispiel: die Zahl und Adressen alleinstehender Häuser mit Garten, die für Werbeaktionen von Gartencentern in der Region von Interesse wären. Vor allem aber wegen der Einbruchserleichterung haben die deutschen Datenschützer noch mehr bewirkt: Ausschließlich hierzulande können Eigentümer schon vor der in diesem Jahr geplanten Veröffentlichung der deutschen Panoramen ihr Haus aus Street View löschen lassen.
Eine E-Mail oder ein Brief an Google reichen aus, um aus der virtuell begehbaren Landkarte zu verschwinden.

Adressen & Links

Für eine Löschung sollten Sie Ihre Adresse angeben und formlos der Veröffentlichung der Bilder Ihres Gebäudes und Grundstücks widersprechen. Google verspricht, sie zu löschen.
E-Mail: streetview-deutschland(at)google.com
Postanschrift:
Google Germany GmbH
Betreff Street View
ABC-Straße 19
20354 Hamburg

Musterwiderspruch vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (pdf)

Autorin: Kristal Davidson (NDR)

Stand: 24.09.2015 14:00 Uhr

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