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Guerilla Gardening: Nachts kommen die "Garten-Piraten"

Eine Gruppe von Guerilla Gärtnern mitten in München
Guerilla Gärtner in Aktion | Bild: WDR

Den Traum vom eigenen Garten hegen viele – und viele träumen ihr Leben lang davon. Vor allem Stadtbewohner müssen oft genug ihre grünen Ambitionen auf das eigene Fensterbrett beschränken. Zu teuer und rar das ersehnte Stück Erde. Warum also nicht wild gärtnern? Es gibt doch genügend brachliegende Flächen, die nur darauf warten begrünt zu werden.

Guerilla Gärtner machen genau dies. Sie bepflanzen Verkehrsinseln, verlassene Grundstücke, Straßenränder und leere Blumentöpfe. Auch in Deutschland.

Münchner Nächte sind grün

Frisch eingpflanzte Blume
Frisch angelegtes Guerilla-Blumenbeet | Bild: WDR

Es ist Nacht in München. Der Frühling klopft an die Tür. Eine Gruppe seltsam weißbärtiger Menschen läuft durch die Straßen. In ihren Händen: Hacken, Spaten und Schaufeln, Wasserflaschen und Eimer, Tüten voll mit Wurzeln und jungen Pflänzchen. Als Gartenzwerge verkleidet sind sie auf geheimer Mission unterwegs: sie wollen die tristen Flecken der Stadt begrünen und nennen sich Guerilla Gärtner. Im Klartext bedeutet dies: sie bepflanzen Boden, der ihnen nicht gehört: kahle Straßenränder, verwahrloste Grünflächen, brachliegende Verkehrsinseln und leere Blumentöpfe. Damit verstoßen sie gegen das Gesetz – unerlaubtes Gärtnern auf fremden Grund ist illegal. Abhalten lassen sie sich nicht davon. Denn neben dem Spaß am Gärtnern ist es Überzeugung, die die Gartenpiraten antreibt: sie wollen Zeichen setzen, für mehr Interaktion mit der eigenen Umgebung und einen anderen Umgang mit Natur.

Herausforderungen an Pflanzen und Gärtner

Selbstgemaltes Holzschild mit Slogan: Bitte gieß mich
Bitte Gießen! | Bild: WDR

Der urbane Raum als großer Garten – eine Vision, die sowohl den Pflanzen, als auch den Gärtnern Besonderes abverlangt. Denn beim Guerilla Gardening gelten andere Regeln als im heimischen Vorgarten: Die eingesetzten Pflanzen müssen mit verdichtetem Erdreich und Trockenheit klarkommen, unachtsame Passanten trampeln frische Setzlinge nieder, Hunde-Urin macht Kräuter und essbare Pflanzen ungenießbar. Mit dem Umweltverein "Green City" veranstalten die Guerillas daher Workshops, in denen das nötige Fachwissen weitergegeben wird. Mit selbstgebastelten Hinweisschildern versuchen sie außerdem, Passanten und Anwohner zum Gießen und Mitmachen zu ermuntern. Denn das Ziel der Gärtner ist es, immer mehr Leute zum Guerilla-Gärtnern zu begeistern.

Eine Bewegung mit Wurzeln

Vortrag über Guerilla Gardening
Das öffentliche Interesse wächst | Bild: WDR

In Dutzenden deutschen Städten und tausenden auf der ganzen Welt wird mittlerweile wild gegärtnert. Die Gärtner kommen dabei aus allen Alters- und Sozialschichten, sie gärtnern in organisierten Gruppen oder auf eigene Faust. In einigen Städten sind daraus offiziell anerkannte Freiwilligenorganisationen und Vereine entstanden. Neben spontanen Pflanzaktionen gibt es dauerhafte Projekte wie Gemeinschaftsgärten oder urbane Landwirtschaft.

Dabei schauen die grünen Rebellen auf eine lange Tradition zurück. Ende der 60er Jahre sprossen die ersten Guerilla-Gärten aus dem Boden. Die Künstlergruppe um Liz Christy verwandelte verwahrloste New Yorker Hinterhöfe in blühende Gärten. Über 600 solcher Gärten gibt es in der Stadt heute und Christy gilt als Ikone der Bewegung. Landlosen-Initiativen in der Dritten Welt stellen einen anderen Aspekt des Guerilla Gärtnerns dar: Hier treibt existentielle Nahrungsnot die Menschen an. Das Internet ist ein bedeutender Motor und vernetzt die Szene global. Obwohl es durchaus kritische Stimmen zu den illegalen Pflanzaktionen gibt, werden die Gartenpiraten meist freundlich aufgenommen. Einige Städte haben sogar offizielle Pflanzgebiete ausgeschrieben und Samen, Setzlinge und Kompost bereitgestellt. Vielleicht entwickeln sich die vereinzelten Aktionen dann zu einem breiten Massenphänomen und eröffnen einen ganz neuen Umgang mit dem Lebensraum Stadt.

Adressen & Links

Internetseite des Guerilla-Gärtners Richard Reynolds. Größte und umfassendste Seite zum Thema mit Vernetzungen in die ganze Welt.
www.guerrillagardening.org

Übersicht über die deutsche Szene – Linksammlung von Gemeinschaftsgärten und Guerilla Gardening Aktionen
urbanacker.net

Internetauftritt der Münchner Gartenzwerge
guerillagardeningmunich.weebly.com/

Münchner Umweltverein, der Guerilla Gardening unterstützt und fördert.
www.greencity.de

Autor: Krischan Dietmaier (WDR)

Stand: 23.06.2012 01:52 Uhr

Sendetermin

So., 13.06.10 | 17:03 Uhr
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