SENDETERMIN So., 11.07.10 | 17:03 Uhr | Das Erste

Öko-Volunteering in Bayern

Bergwald beim Schloss Neuschwanstein
Bergwald benötigt einen besonderen Schutz. | Bild: SWR

Schloss Neuschwanstein ist ein Touristenmagnet von Weltklasse. Doch die Architektur-Pracht ist nicht das Ziel von Reisejournalistin Elke Gersmann. In einem Bergwald jenseits der Touristenattraktion will ihr Förster Peter Naumann eine besondere Urlaubsform vorstellen. Es geht um Waldarbeiten mit den Profis. Devise: als Urlauber selbst Hand anlegen. Im Bergwald-Projekt ist das möglich und nötig, denn ohne die freiwilligen Freizeit-Helfer könnte diese Biotop-Pflege nicht stattfinden, wie die Urlaubs-Expertin meint: "Diese Projekte haben ganz generell die finanziellen Mittel nicht. Die Manpower sozusagen. Die haben ganz wenige Leute, um das alles zu bewerkstelligen, um zu tun, was getan werden müsste. Das ist auch hier im Bergwaldprojekt genauso. Die Forstämter können das alleine gar nicht leisten, deshalb sind sie ja auch ganz dankbar, dass jetzt die Freiwilligen hierher kommen und sich um den Wald kümmern."

Von Peter Naumann erhält sie erste Anleitungen zum Steigbau. Die Steige, schmale Fußwege, werden für Forstarbeiter und Jäger angelegt. Warum muss das sein? "Der Wolf, der Bär, der Luchs sind seit mehr als zweihundert Jahren hier ausgerottet und die Wildbestände Gams, Hirsch und Reh würden sich ohne eine regulierende Jagd unkontrolliert vermehren und der Bergwald würde dadurch zu schaden gehen", so der zuständige Forstbeamte Richard Baur.

Jenseits von Neuschwanstein

Vögel an der Küste
Eine Möglichkeit der Freiwilligenarbeit: Vögel zählen | Bild: SWR

"Ohne Jagd würden Bäume wie Bergahorn oder Weißtanne von den Wildtieren abgefressen", sagt Peter Naumann, Förster im Bergwaldprojekt und zeigt auf ein Exemplar: "Schau mal Elke, die Weißtanne, die hat die 20 schon lange überschritten. Wir haben jetzt hier die Bonsai-Verkürzung über das Wild. Der Bonsai-Baum ist quasi von Rehwild beschnitten worden. Normalerweise wäre der Baum schon sieben bis acht Meter hoch." Solche Informationen erhält man hier gratis. Genauso wie Kost und Logis, ganz im Stile der Forstarbeiter. Als Öko-Volontär erlebt Elke Gersmann schon an ihrem ersten Tag eine andere Welt.

Auch an der Nordseeküste kann man sich als Urlauber sinnvoll betätigen. Etwa an der Beschilderung des Nationalparks oder bei der Vogelzählung. Natürlich auch hier unterstützt von den Profis. Ein toller Urlaub, der eigentlich keiner ist. "Ich bin natürlich von zu Hause weg", sagt Elke Gersmann. "Ich mache ganz andere Erfahrungen. Ich bin raus aus meinem Alltag. Das ist ja ähnlich wie in einem normalen Urlaub, allerdings ist man nicht besonders frei in seinen Entscheidungen. Man muss sich schon auf das Projekt einlassen und wenn es dann heißt, morgens um sechs aufstehen, dann steht man morgens um sechs auf und wenn es regnet und man muss raus, dann geht man raus."

Devise: Sinnvolles tun

Freiwillige des Bergwaldprojekts bei der Arbeit
Sinnvolles im Urlaub: Arbeit für das Bergwaldprojekt | Bild: SWR

Seit acht in der Frühe werden im Bergwaldprojekt Steige gebaut und Fichten gefällt, denn hier kann sonst keine andere Baumart hochkommen. Doch sind solche Arbeiten von ein paar Urlaubern auch wirklich sinnvoll? "Es bewegt sich was, weil wir nachhaltig an den Plätzen sind. Das heißt, wir sind eine manchmal auch drei Wochen vor Ort und das sind wir jedes Jahr und dabei bewegt sich einiges", so Projektförster Peter Naumann.

"Das ist für mich ganz wichtig, dass es was sinnvolles ist, sonst würde ich hier nicht Einsatz zeigen. Sonst könnte ich ja auch ins Fitness-Studio gehen und Gewichte stemmen", meint Öko-Volontär Frank Schellinger, im Leben außerhalb des Bergwaldes Lehrer. "Und das andere ist", ergänzt Elke, "mal was ganz anderes auszuprobieren. Ich bin jetzt Städterin, ich habe noch nie einen Baum gefällt vorher und ich werde vielleicht auch hinterher keinen mehr fällen und ich sehe auch, es ist nicht einfach und liegt mir vielleicht auch nicht so sehr, aber es ist halt einfach mal dieses ausprobieren." - "Und anschließend mache ich dann Wellness-Urlaub wegen der Blessuren, die ich hier kriege", so die Öko-Volontärin Rosmarie Bistry.

Belastungen für Körper und Psyche inklusive

Auffangstation für verwahrloste Hunde
Auch solche Projekte kann man unterstützen: Auffangstation für verwahrloste Hunde | Bild: SWR

Nicht nur körperlich, auch psychisch anstrengend können solche Projekte sein. In einer Finca auf Mallorca etwa werden gequälte und verwahrloste Hunde gepflegt. Ein Urlaubs-Job für Menschen mit Tierliebe. Kulturinteresse und Sprachkenntnisse sind dagegen bei der Gartenpflege in England die Grundvoraussetzung Solche Arbeitsferien sind ein neuer Trend der Freizeitgestaltung meint Elke Gersmann. "Die Leute sind immer mehr sensibilisiert und es zieht sie wieder hinaus aus den Städten in die Natur und so pathetisch sich das auch anhören mag, es ist wirklich so. In Deutschland ist ja auch Wandern sehr beliebt. Die Leute gehen wieder raus und ich glaube irgendwann kommt auch wieder das Bedürfnis, ach Mensch, ich könnte mir auch vorstellen mal was zu tun für eine Woche."

Etwas tun und dabei seine Umwelt neu kennen lernen - ein Urlaub als Öko-Volontär erweitert auf die aktive Art unseren Horizont.

Literatur

Elke Gersmann
Volunteering - freiwillig helfen im Urlaub. Praxis-Ratgeber
Reise Know-How Verlag Rump
April 2006
8,90 Euro

Autor: Axel Wagner (SWR)

Stand: 19.07.2014 23:14 Uhr

Sendetermin

So., 11.07.10 | 17:03 Uhr
Das Erste

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