SENDETERMIN So., 09.10.11 | 17:03 Uhr | Das Erste

Weinmythen

Stimmt es, dass...

Wein ist ein Göttertrank, von Geheimnissen und Legenden umwoben wie kaum ein Genussmittel. Natürlich erhellt sich das wahre Weinwissen dem Eingeweihten nur nach ausgiebigen praktischen Selbstversuchen. Doch etwas Aufklärung über Wein gibt es auch bei W wie Wissen: Wir entlarven hartnäckige Mythen und Irrtümer über Wein. Stimmt es, dass...

...man Rotwein aus roten und Weißwein aus weißen Trauben macht?

Eine Hand zerquetscht rote Trauben
Rote Traube, weißer Wein: Innen sind alle roten Trauben weiß. | Bild: WDR

Das ist falsch. Man kann aus allen roten Traubensorten Weißwein machen, denn das Innere von roten Trauben und ihr Saft sind immer weiß. Rotwein bekommt seine Farbe aus den Traubenschalen, falls die eine Zeitlang mit vergoren werden. Dabei geben die Schalen nicht nur Farbstoffe, sondern auch Aroma und Gerbstoffe (Tannine) an den Wein ab, die im Weißwein nicht enthalten sind. Es gibt sogar berühmte und typische weiße Weine, die aus roten Trauben gemacht werden: der Grauburgunder, in Italien Pino Grigio genannt, und der Gewürztraminer. Mehrheitlich aus roten Trauben besteht auch eine legendäre Spezialität: Aus den roten Sorten Pinot noir und Pinot meunier sowie der weißen Chardonnay-Traube entsteht der rein weiße Champagner.

…Salz Rotweinflecken entfernt?

Umgekipptes Weinglas, Rotweinfleck
Rotweinflecken - ein Alptraum! | Bild: WDR

Das ist leider falsch. Dieser uralte Haushaltsirrtum hält sich beharrlich. Er beruht unter anderem darauf, dass Küchensalz Flüssigkeiten aufsaugt. In Wahrheit ist es nicht das Salz, das Flüssigkeit aufnimmt, sondern die Rieselhilfe, die dem Salz zugefügt wird, in der Regel Kalziumkarbonat. Das auf Rotwein aufgestreute Küchensalz färbt sich zwar beruhigend rosa auf dem Tischtuch - viele glauben, dass es die Farbstoffe aus dem Tuch saugt, Aber es löscht den Fleck nicht. Das Tischtuch muss ohnehin in die Waschmaschine. Und dort sorgen erst die modernen Vollwaschmittel mit Enzymen und Bleichstoffen dafür, dass der Fleck rausgeht.

Die Behandlung mit Salz kann sogar schaden - das hat das Team von W wie Wissen getestet. Oliver Reiser, Chemieprofessor an der Universität Regensburg, hat für uns ein Tischtuch mit Rotwein befleckt, Salz darauf gestreut und das Salz, wie es viele nach dem Aufstreuen machen, einen halben Tag eintrocknen lassen. Als Gegenprobe wurde ein frischer Rotweinfleck nur mit Leitungswasser begossen. Beide Stoffe kamen mit einem normalen Vollwaschmittel in die Waschmaschine.
Das Ergebnis: Das Tuch, auf dem das Salz eingetrocknet war, wies nach dem Waschen große braune Flecken auf, überall dort, wo das Salz lange eingewirkt hatte. Dagegen war das Tuch, das nur mit Leitungswasser behandelt wurde, fast ganz weiß geworden.

Das Fazit des Chemikers: "Das Salz zerstört offensichtlich die Farbmoleküle und interagiert mit dem Stoff, so dass sich die braunen Reste reinsaugen können. Das kriegt man nicht mehr raus, das Tischtuch ist ruiniert!" Wenn es wirklich sauber werden soll: Wichtig ist, dass man den Fleck sofort behandelt. Schnell mit klarem Wasser nachspülen, und das Tischtuch dann gleich mit einem Bleichmittel in die Waschmaschine geben. Wer möchte, kann auch einen handelsüblichen Fleckentferner verwenden. Aber: Finger weg vom Salz!

…Wein gesund ist und zwei Gläschen am Tag sogar jung halten?

Trinker mit Weinglas
Trinker altern sichtbar schneller. | Bild: mauritius images /Ala

Schön wär's! Leider macht der Alkohol im Wein einiges an guter Wirkung zunichte. Fest steht, dass zu viel Alkohol der Haut schadet und Trinker schneller altern. Unter anderem weiten sich die feinen Äderchen im Gesicht. Doch auch im Körper von Gelegenheitstrinkern und maßvollen Menschen richtet Alkohol Schaden an. So vermindert er die Fähigkeit des Körpers, freie Radikale abzufangen. Diese freien Radikale sind Moleküle, die ganz normal beim Stoffwechsel und bei der Verdauung entstehen. Gesunde Zellen können sie abwehren. Doch Alkohol ist ein Zell- und Nervengift, er schwächt die Abwehrmechanismen der Zelle, so dass die freien Radikale sie schädigen können. Dazu entstehen durch den Abbau von Alkohol im Körper neue freie Radikale, die die Zelle zusätzlich bombardieren.

Daher warnen Experten der Weltgesundheitsorganisation, Mediziner und Krebsforscher nicht nur vor übermäßigem Trinken, sondern auch vor den Folgen ständiger Alkoholzufuhr in kleineren Mengen. Man sollte daher an zwei Tagen in der Woche gar keinen Wein bzw. Alkohol trinken. Dann kann sich der Körper, insbesondere die Leber, zwischendurch erholen. Wer an weinfreien Tagen die wertvollen Pflanzenstoffe der Trauben nutzen möchte, hat es aber leicht: Ein Gläschen roter Traubensaft tut es auch. Dort stecken die wertvollen Stoffe aus der Traubenschale drin.

…Wein im Essen verkocht und der Alkohol verschwindet?

Eisschale, Likör wird darüber gegossen
Da bleibt drin, was draufkommt: Likör in Dessert und Eis. | Bild: WDR

Falsch - Alkohol verkocht nur bei Temperaturen ab 75 Grad, und nach einiger Zeit. Zwar gibt man in der Regel nur kleine Mengen dem Essen zu. Doch Wein, den man zum Abschmecken in Suppen und Saucen gibt, behält seinen Alkohol zum größten Teil. Denn diese Speisen werden nicht mehr hoch oder länger erhitzt, bevor man sie serviert. Das hat das Lebensmittellabor der Landwirtschaftlichen Fakultät an der Universität Idaho (USA) getestet: Ein Schuss Wein, den man zur Suppe gibt, behält noch 85 Prozent seines Alkohols. Sogar Wein im Schmorbraten, der eineinhalb Stunden gekocht wurde, enthält noch 20 Prozent seines Alkohols. In Desserts und Eis bleiben die Prozente komplett drin, die man draufgibt, etwa aus Likör oder Rum. Wer also wirklich keinen Alkohol im Essen möchte, zum Beispiel aus Rücksicht auf trockene Alkoholiker, der sollte auch keinen rein tun.

Zugleich kann man aber, was die Aufnahme von Alkohol durch Essen angeht, Entwarnung geben: Im Verhältnis zur Suppe gerechnet bleiben nur noch winzige Alkoholmengen übrig. Üblicherweise aromatisiert man nur mit Wein, und ein Schuss Wein von 30 Milliliter auf einen Liter Suppe ergibt eine Konzentration von 0,4 Prozent Alkohol. Das gilt nach Lebensmittelrecht sogar als alkoholfrei! Und oft werden Suppen und Soßen noch weiter mit Sahne verfeinert, also verdünnt. Von einer Bratensoße wiederum isst man ohnehin nur ganz geringe Mengen, so dass der Restalkohol dort keine Auswirkungen hat. Auch auf Eis gibt man nur wenig Likör, meist unter zehn Milliliter. Diese Mengen sind so winzig, dass sie nicht schaden, zumal die meisten Menschen nicht jeden Tag und nicht jedes Gericht mit Alkohol zubereiten.

In ganz normalen Lebensmitteln stecken übrigens vergleichbar viele Alkoholprozente, meist ganz natürlich durch Gärung und Reifeprozesse: in Sauerkraut bis zwei Prozent, in Malzbier, das traditionell Schwangeren empfohlen wurde, 0,3 bis 1 Prozent, in Traubensaft 0,4 Prozent, in sehr reifen Bananen 0,6 Prozent.

...man Rotwein bei Zimmertemperatur trinken muss?

Mann schnuppert an Weinglas
Wenn Rotwein zu warm ist, kann er unangenehm riechen. | Bild: WDR

Vorsicht - diese Empfehlung stammt aus einer Zeit, als es noch keine Zentralheizung gab. Heute sind Räume meist 22 bis 23 Grad Celsius warm - das ist zu viel für einen guten Rotwein! Werden Rotweine über 20 Grad Celsius warm, kann es sogar unangenehm werden. Denn dann verdampft der Alkohol stärker, riecht stechend in der Nase und unerwünschte Geschmacksnoten können hervor treten. Die ideale Trinktemperatur für die meisten Rotweine liegt nur bei etwa 17 bis 18 Grad Celsius, oft auch noch darunter. Junger Rotwein oder leichte Weine wie Beaujolais oder Trollinger werden sogar gekühlt serviert: mit 12 bis 14 Grad Celsius!

Literatur

Kleines Lexikon der Wein-Irrtümer

Frank Kämmer
Eichborn; 1. Auflage (August 2006)
189 Seiten, 14,90 Euro

Über Wein kann man viel reden - und so einige Wein-Irrtümer werden dabei
von einer Weinstube zur nächsten getragen. Frank Kämmer räumt mit Klischees auf: Über Eiswein muss einmal der Frost gegangen sein? Böse Winzer schütten Zucker in den Most? Das Kleine Lexikon der Wein-Irrtümer klärt nicht nur den interessierten Wein-Laien auf. Auch der vermeintliche Weinkenner wird von dem einen oder anderen Kapitel überrascht sein.

Autorin: Johanna Bayer (WDR)

Stand: 13.11.2015 13:38 Uhr

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