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Zeitreise: Geschichte des Toilettengangs

Gruppe von Männern in Togen sitzen nebeneinander auf einer Latrine.
Der Toilettengang als geselliges Ereignis – im alten Rom nichts Ungewöhnliches. | Bild: WDR

Thermen, Badehäuser, warmes Wasser aus der Leitung und Latrinen – so das Bild der Hygienekultur im alten Rom. Immerhin hatten die Römer schon seit dem ersten Jahrhundert vor Christi eine Art Toilette: Latrinen. Auch öffentliche, die so angeordnet waren, dass bis zu 80 Menschen nebeneinander dort sitzen konnten: Männer und Frauen gemischt, ohne Trennwände, wie auf einer Bank.

Der Toilettengang wurde damit zu einer Art geselligem Ereignis. Mit dem Urin wurde sogar Geld gemacht. Die Gerber benutzten ihn zur Bearbeitung von Tierhäuten und stellten Amphoren auf, in die Vorbeigehende urinieren konnten. Dieses Geschäft wurde vom Staat mit Steuern belegt. "Geld stinkt nicht" – so verteidigte Kaiser Vespasian seine Verordnung. Auch einzelne öffentliche Latrinen konnten nur gegen einen Obulus benutzt werden.

Rom: Latrinen Ort des Zusammentreffens

Die Latrinen waren aber nicht nur Ort des Zusammentreffens von Geschäftsleuten, die hier ihre Geschäfte erledigten, sondern auch Tummelplatz für Bakterien, Keime und Parasiten: 2016 hat der Anthropologe Piers Mitchell für die britische Universität Cambridge den Untergrund römischer Latrinen erforscht und versteinerte menschlichen Exkremente gefunden. Darin fand er massenhaft Überreste krankmachender Erreger: Zecken, Läuse oder die des sehr verbreiteten Fischbandwurms. Die Hygiene hatte zumindest nicht dafür gesorgt, dass die Römer von diesen Erregern weniger befallen waren als andere Völker zur selben Zeit. Nur ein Teil der Latrinen war auch an eine Kanalisation angeschlossen, in der Urin und Kot und damit die Infektionsherde durch fließendes Wasser weggespült wurden.

So wie in Rom, wo die Fäkalien über Kanäle abgeleitet wurden und über einen Hauptkanal, der Cloaca Maxima, im Tiber landeten. Unter vielen anderen Latrinen befanden sich dagegen oft auch nur wassergefüllte Löcher, in denen krankmachende Keime sich bestens vermehren konnten. Dennoch wurde bei der Gestaltung einiger Latrinen Wert auf den äußeren Schein gelegt. Es gab Prachtlatrinen aus Marmor, aber auch schlichte aus Holz.

Fäkalien: Im Mittelalter stank es zum Himmel

Ein Mann hockt am Feldesrand und erledigt seine Notdurft
Im Mittelalter düngte die Landbevölkerung die Felder auch mit Fäkalien. | Bild: WDR

Im Mittelalter geriet das Prinzip, Exkremente mit Wasser wegzuspülen, in Vergessenheit. Der größte Teil der Bevölkerung lebte auf dem Land und erleichterte sich draußen oder im Viehstall. Die Fäkalien waren damit direkt Dünger. In den allmählich entstehenden Städten dagegen stank es. Über Aborte oder Abtritte verfügte nicht jedes Haus. In Burgen gab es zum Beispiel vereinzelt das "Heimlich Gemach" – eine Art Erker mit Plumpsklo. Die Exkremente fielen dann draußen an der Burgmauer direkt in den Graben. Aber auch aus den Burgen und Schlössern gibt es Zeugnisse, dass Durchgänge und Treppenhäuser für die Notdurft genutzt wurden.

Weiter entwickelt waren dagegen Anlagen in Klöstern. Überliefert ist der Plan eines Klosters aus St. Gallen aus dem 9. Jahrhundert: Darin finden sich neben dem Wasch- und Badehaus Abtritte, ähnlich den Latrinen der Römer. Solch ein "Necessarium", also ein Ort, an dem das "Notwendige" erledigt werden konnte, lag in der Nähe der Schlafsäle der Mönche. In einigen Klöstern geschickt über den abgeleiteten Zweig eines Wasserlaufs gebaut, der die Hinterlassenschaften wegspülte.

Im ausgehenden Mittelalter gab es nur in wenigen Bürgerhäusern Aborte – bekannt ist die Geschichte von Albrecht Dürer, der als angesehener Maler Besitzer eines großen Hauses in Nürnberg war. Als er in seiner Küche heimlich eine Art Toilettenkabine aus Holz einbaute, bekam er Ärger mit der Stadt. Das war Anfang des 16. Jahrhunderts. Aber über eine Kanalisation verfügten die Städte nicht, und so landeten die Exkremente in der Gosse und stanken.

Das Wasserklosett setzt sich durch

Foto von einem verzierten Wasserklosett
Die Toilette als abgeschlossenes "stilles Örtchen". | Bild: WDR

Ende des 16. Jahrhunderts entwickelte der englische Dichter Sir John Harington das erste Wasserklosett im Auftrag von Königin Elisabeth I. Doch trotz genauer Bauanleitung setzte es sich selbst in adeligen Kreisen nicht durch. Es dauerte fast zwei weitere Jahrhunderte bis der Schotte Alexander Cummings das Patent für ein Wasserklosett bekam. Er versah es mit einem geknickten Abflussrohr, dem Siphon, um den Geruch einzudämmen. Dieses Prinzip findet sich bis heute in Wasserklosetts.

Nun war es zwar erfunden, aber der Erfolg kam nur langsam. Plumpsklos mit Sickergruben gab es vor allem in Europa auf dem Land bis in das 20. Jahrhundert, in den Städten standen weiterhin Nachttöpfe unter dem Bett und wurden in die Gossen oder die Kanalisation entleert. Vornehmere Leute benutzten Toilettenstühle. Mit der Industrialisierung wuchsen die Städte schnell, Krankheiten und Seuchen verbreiteten sich im gleichen Tempo. Eine Verbesserung der allgemeinen Hygiene wurde zwingend. Das bedeutete den Bau von Wasserleitungen bis in die Häuser und den Ausbau eines Kanalisationssystems, an das alle Häuser angeschlossen wurden. Damit war der Weg frei für wassergespülte Toiletten, die die Exkremente direkt in die Abwasserkanäle schickten.

Nicht jede einzelne Wohnung verfügte über den neuen Luxus. Es war üblich, dass sich in den Mietskasernen die Bewohner von zwei Stockwerken eine Toilette auf halber Treppe teilten. Stolz waren die Städte vor allem auf das, was unter den Toiletten war: das unterirdische Kanalsystem. Oft technische Wunderwerke, die von großer Ingenieurskunst zeugten. In Köln gibt es sogar einen Kronleuchtersaal, der 1890 zu Ehren von Kaiser Wilhelm II. im Kloakensystem angelegt wurde. Heute finden dort Führungen und manchmal Konzerte statt. 

Autorin: Hildegard Kriwet (WDR)

Stand: 15.08.2020 17:27 Uhr

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