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Wasser – ein Stoff, viele Möglichkeiten

Wassertropen
Wasser – der Stoff, aus dem das Leben ist | Bild: dpa

Wasser ist die Grundlage allen Lebens auf der Erde. Wir Menschen bestehen zu 65 bis 75 Prozent aus Wasser. Ähnlich ist es bei den meisten Säugetieren und Fischen. Pflanzen bestehen oft sogar zu über 90 Prozent aus Wasser. Es dient als Lösungs- und Transportmittel für Nährstoffe, Hormone, Wärme/Kälte und vieles mehr. Das ist auch der Grund, warum Astronomen auf fernen Planeten immer zuerst nach Wasser suchen. Würden sie fündig, wäre es möglich, dass es dort Leben gibt. Und sollten Menschen jemals auf einem anderen Planeten eine neue Heimat finden, dann nur, wenn es dort Wasser gibt.

Das liegt an den besonderen Eigenschaften, die Wasser hat: Die meisten Stoffe verringern ihr Volumen, wenn sie kälter werden. Das gilt auch für Wasser – jedoch nur bis zu einer Temperatur von 3,98 Grad Celsius. Wird es noch kälter, nimmt das Volumen wieder zu. Diese Eigenschaft, die sich grundlegend von den meisten anderen Stoffen unterscheidet, nennt man Dichteanomalie. Bei 0 Grad Celsius gefriert Wasser zu Eis. Doch nur, wenn etwas den Anstoß dazu gibt. Es braucht einen Kristallisationskeim, einen Anfang, von dem aus sich die Eisstruktur bildet. Reines Wasser (ohne gelöste Inhaltsstoffe und Verunreinigungen) kann auch bei minus 20 Grad flüssig bleiben – bis eine Erschütterung oder ein Fremdkörper den Kristallisierungsprozess auslöst. Bei der Eisbildung vergrößert sich das Volumen dann sprunghaft um 8,92 Prozent. Das liegt daran, dass die Wassermoleküle sich neu gruppieren und zu starren Kristallgittern verketten. Diese sind fest und sehr stabil, doch die Struktur benötigt mehr Platz als das flüssige Wasser. Der Gefrierpunkt lässt sich künstlich absenken, wenn Salze oder auch Zucker im Wasser gelöst werden. Diese gelösten Stoffe sitzen zwischen den Wassermolekülen und stören die Kristallbildung. Bei Temperaturen von minus 6 Grad und darunter gefrieren aber auch diese Wasserlösungen.

Die Volumenvergrößerung bei der Eisbildung kann eine gewaltige Sprengkraft entwickeln. So sprengt Wasser, das in Felsspalten gesickert ist, in gefrorenem Zustand massives Gestein auseinander und wirkt damit als natürlicher "Zerkleinerer" in der Natur. Pflanzen mit ihrem hohen Wasseranteil, müssen sich vor dieser Sprengkraft schützen. Wären sie dem Frost schutzlos ausgesetzt, würden ihre Zellen platzen. Daher ziehen sich Pflanzen möglichst tief in die Erde zurück und lagern hochprozentige Zuckerlösungen in die Zellen ein. Durch dieses natürliche Frostschutzmittel überstehen sie die Kälte.

Wasser: Dampf und Verdunstung

Garfik eines Teichquerschnitts
Durch die Dichteanomalie herrschen am Grund von Gewässern konstant 4°C. | Bild: NDR

Am Grund tiefer Gewässer gefriert das Wasser niemals. Die Temperatur liegt das ganze Jahr über bei konstant 4 Grad, egal wie warm oder kalt es an der Oberfläche ist. Der Grund ist die Dichteanomalie des Wassers. Das Gewicht der Wassermassen aus den oberen Schichten presst die Moleküle am Grund derart zusammen, dass sie den Zustand einnehmen, in dem sie das geringste Volumen haben. Und der ist fest mit einer Temperatur von 3,98 Grad verknüpft. Würde das Wasser wärmer oder kälter, würde sich das Volumen Volumen von Wasser bei unterschiedlichen Temperaturen vergrößern – doch das lässt der gewaltige Druck von oben nicht zu. Und deshalb bietet der Grund von Gewässern einen Rückzugsraum für Wasserpflanzen, Fische und andere Wasserlebewesen, an denen diese unbeschadet überwintern können.

Wenn Wasser erhitzt wird, ändert es seinen Aggregatzustand von flüssig zu gasförmig. Es siedet bei 100 Grad – aber nur auf Meereshöhe. Dort beträgt der Luftdruck circa 1.013 Hektopascal (hPa) oder gut 1 bar. In großen Höhen, etwa auf Bergen, nimmt der Luftdruck ab. Er sinkt um 0,003354 Grad pro Höhenmeter. Auf dem Gipfel des Mount Everest liegt der Siedepunkt von Wasser daher schon bei circa 70 Grad. Doch egal, wo Wasser verdampft, wenn es in den gasförmigen Zustand wechselt, nimmt sein Volumen dramatisch zu. Aus einem Liter Wasser werden circa 1.600 Liter Wasserdampf. Im Gegensatz zu flüssigem Wasser lässt sich der Wasserdampf gut komprimieren, zum Beispiel in den Kesseln von Dampfmaschinen. Der Wasserdampf will sich ausdehnen, baut Druck auf, wird über Ventile auf Kolben gelenkt und treibt diese an.

Wenn Wasser nicht erst siedet, sondern bei geringeren Temperaturen in den gasförmigen Zustand übergeht, spricht man nicht von Verdampfen sondern von Verdunsten. Das klassische Beispiel ist das Trocknen der Wäsche auf der Leine oder des Schweißes auf der Haut. Dabei wird eine weitere Eigenschaft von Wasser erkennbar: Verdunstung erzeugt Kälte. Der Übergang vom flüssigen in den gasförmigen Zustand benötigt Energie. Die entzieht das Wasser der Umgebung in Form von Wärme. Das Phänomen heißt Verdunstungskälte. Deshalb können Menschen und auch viele Tiere ihre Temperatur über Verdunstung (Schwitzen, Hecheln, …) regulieren. Auch Bäume verdunsten viel Wasser über ihre Blätter. Eine ausgewachsene Buche verbraucht circa 500 Liter pro Tag. Die Verdunstungskälte ist ein Grund für das moderate, kühle Klima in Wäldern.

Zusammenhalt und Haftkraft

Pflanzen sind wahre Meister im Umgang mit Wasser. Sie haben über Jahrmillionen Leitungssysteme entwickelt, mit deren Hilfe sie das benötigte Wasser durch ihr Inneres transportieren können, ohne es aktiv pumpen zu müssen. Dabei nutzen sie zwei Eigenschaften des Wassers: Die Adhäsion oder Haftkraft und die Kohäsion, also den Zusammenhalt der Wassermoleküle untereinander. Die Kohäsion sorgt dafür, dass die H2O-Moleküle aneinanderhängen, wie an einer Kette. Das führt dazu, dass man ein Wasserglas "mit Berg" einschenken kann, ohne dass es überläuft. Die Moleküle sind so stark miteinander verbunden, dass das Wasser eine hohe Oberflächenspannung bekommt. Die Wassermoleküle an den äußeren Rändern hängen an den inneren. Deshalb fließt das Wasser nicht über den Rand, auch wenn das Glas schon übervoll ist. Die Adhäsion bewirkt, dass Wasser an glatten Flächen haftet und daran entlang kriecht – sogar entgegen der Schwerkraft nach oben.

Adhäsion und Kohäsion zusammen bilden die Kapillarkräfte. Sie bewirken, dass Wasser in sehr engen Röhren von unter zwei Millimetern Durchmesser, sogenannten Kapillaren, von selbst nach oben steigt. Es kriecht an der Wand empor und die benachbarten Moleküle werden durch die Kohäsion einfach mitgezogen. Ein Effekt, den man zum Beispiel auch von Küchenpapier kennt – oder wenn man ein Taschentuch in eine Schüssel Wasser stippen würde. Diese sogenannten Kapillarkräfte befördern Wasser fünf bis zehn Meter weit in die Höhe. Allerdings reicht das für die Versorgung von sehr hohen Bäumen bei weitem nicht aus. An dieser Stelle greift die Verdunstung helfend ein. Werden in den Blättern Wassermoleküle verdunstest, entsteht ein Sog, ganz so, als würde man an einem Strohhalm ziehen. Die Kohäsion sorgt dafür, dass der Strom nicht abreißt und das Wasser bis in die höchsten Wipfel gelangt (Saugstrom). Bei Mammutbäumen zum Beispiel steigt es über 100 Meter empor. Viele der Eigenschaften von Wasser sind zwar beschrieben, aber noch nicht wissenschaftlich durchdrungen und erklärt. Das Hamburger Forschungszentrum DESY plant daher ein Center of Molecular Waterscience (CMS), also ein Molekulares Wasser-Forschungszentrum. Auch weitere Forschungseinrichtungen sind an CMS beteiligt. Sie wollen den Stoff, der unser aller Leben bestimmt, noch tiefer ergründen und verstehen.

Autor: Björn Platz (NDR)

Stand: 03.07.2020 14:25 Uhr

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