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Der lange Weg zum tiergerechten Zoo

Eine Zeichnung zeigt verschiedene Wildtiere, die zwei Menschen umgeben.
In Ägypten hielten die Herrscher schon vor 5.000 Jahren exotische Tiere. | Bild: NDR

Vor etwa 10.000 Jahren begannen unsere Vorfahren, Tiere zu halten. In erster Linie als Nutz- und Nahrungsvieh, denn es war deutlich effizienter und einfacher, seinen Fleischvorrat selbst nachzuzüchten, als mühsam danach zu jagen. Die frühesten Belege für zooartige Tierhaltung datieren auf die Zeit um 3.500 v. Chr.

Archäologische Untersuchungen wiesen nach, dass in Oberägypten damals schon diverse Wildtiere in Gefangenschaft gehalten wurden, unter anderem Elefanten, Nilpferde, Affen, Antilopen und Wildkatzen. Diese, wie auch weitere herrschaftliche Menagerien der folgenden Jahrtausende, dienten auch dazu, den Reichtum und die Macht ihrer Besitzer zu unterstreichen. Lebende Wildtiere waren lange Zeit ein beliebtes Gastgeschenk oder Ersatz für eine Tributzahlung. Aus China ist ein "Park des Wissens" oder "Park der Intelligenz" überliefert, in dem vor etwa 3.000 Jahren Tiger, Nashörner, Schlangen, Schildkröten und Vögel zu bewundern waren. Und im alten Rom wurden bei den zahlreichen Feldzügen nicht nur Gefangene nach Italien verschleppt, sondern auch jede Menge exotischer Tiere, die vor allem im Zirkus ausgestellt, auf Verurteilte und Gladiatoren gehetzt und getötet wurden.

Die ersten modernen Zoos

Den ältesten heute noch erhaltenen Zoo, wie wir ihn heute kennen, gründete der österreichische Kaiser Franz I. Stephan im Jahre 1752. Orientiert an der königlichen Menagerie des Schlosses Versailles, ließ Franz in Schönbrunn rund um einen Pavillon zwölf Logen für die Tierhaltung bauen. Die Anlage diente zunächst nur dem naturwissenschaftlichen Interesse und der Unterhaltung der kaiserlichen Familie. Ab 1778 wurde sie auch für die Wiener Bevölkerung freigegeben. Im 19. Jahrhundert wurden die ersten Zoos gegründet, die sich nicht in erster Linie als Erholungs- und Amüsierstätte betrachteten, sondern als Ort der wissenschaftlichen Erforschung und Volksbildung. Der erste Zoo dieser Art wurde in London 1828 als "Sammlung von Tieren für wissenschaftliche Studien" eröffnet. Der erste in Deutschland wurde 1841 in Berlin gegründet und öffnete 1844 seine Tore für das Publikum. Viele der "wissenschaftlichen" Zoos strebten danach, die Artenvielfalt möglichst vollständig zu präsentieren. Die Folge: eine wachsende Anzahl an Tieren. Damit kamen die Zoos zwar ihrem wissenschaftlichen Sammelanspruch nach, aber gleichzeitig wurden die Käfige immer kleiner und zum Teil sogar übereinandergestapelt. Manche Zoos waren eher Museen mit lebendem Inventar.

Weg mit den Gittern in den Zoos

Schwarz-Weiß-Aufnahme von Elefanten
Der Tiergarten Schönbrunn ist der älteste noch existierende Zoo der Welt.  | Bild: Public Domain

Der Hamburger Tierhändler Carl Hagenbeck hatte Ende des 19. Jahrhunderts eine Idee zu einer neuartigen Präsentation der Tiere, die er in seinem 1907 gegründeten eigenen Tierpark dann auch als Erster umsetzte: Keine Gitter, sondern offene Gehege, ausgestattet mit der Natur nachempfundenen, zum Teil aufgemalten Kulissen. Hagenbecks und der vier Jahre später gegründete Münchner Zoo Hellabrunn waren auch Vorreiter für die Entstehung der "Geozoos", in denen Tiere nicht mehr systematisch nach Arten angeordnet wurden, sondern in geographischen Gruppen, wie sie auch in freier Natur zusammenleben. Diese Grundidee wurde im Laufe der Zeit immer mehr zum Standard in modernen Zoos. Die Gehege wurden größer, die Zahl der dort präsentierten Tiere geringer. Heute werden die Tiere oft nicht mehr getrennt voneinander, sondern dort, wo es geht, in Wohngruppen mit anderen Arten präsentiert, die sich eine entsprechend große Fläche (zum Beispiel das Sambesi-Gehege im Zoo Hannover) teilen.

Tiere Tiere sein lassen

Elefanten in einem Zoo in einem Wasserbassin
Weitläufige Gehege bieten den Tieren deutlich mehr Platz als früher. | Bild: NDR

Wichtig auf dem Weg zum tiergerechteren Zoo war aber nicht nur das verbesserte Platzangebot, sondern auch das veränderte Verhältnis von Mensch und Tier. Waren früher die Pfleger*innen das Leittier der Gruppe, sind sie heute eher Service-Personal. Die Tiere organisieren sich selbst in ihren Gehegen, machen Rangordnungen aus und ziehen ihren Nachwuchs groß. Nur in Ausnahmesituationen – zum Beispiel wenn ein Muttertier den eigenen Nachwuchs nicht annimmt oder versorgen kann – greift der Mensch ein. Sich auf dem Status Quo ausruhen, will man trotzdem nicht. Auch weiterhin überlegt man in den Zoos, wie man das Leben der Tiere in Gefangenschaft so angenehm und naturnah wie möglich gestalten kann. Und dabei den Ansprüchen von Tieren und Besuchern gerecht zu werden. 

Autor: Thomas Wagner (NDR)

Stand: 06.06.2020 13:13 Uhr

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