Sa., 07.06.25 | 23:35 Uhr
Das Erste
Alexander Höner: Zur Hölle mit den Sternen
gesprochen von Alexander Höner (evangelisch)
Seien sie gegrüßt an diesem späten Abend!
"Ich mach‘ dich fertig! Ich werde nichts Gutes mehr über dich sagen!" Ja, das kann einen Menschen zerstören, wenn man ihn schlecht bewertet. Bevor ich Pfarrer wurde, hatte ich einen Studi-Job beim Regionalfernsehen. Und da habe ich mitbekommen, wie mal ein Vorgesetzter einem Kollegen gedroht hat: "Wenn du das durchziehst, dann werde ich dafür sorgen, dass du als Redakteur nirgendwo mehr einen Fuß auf den Boden bekommst."
"... dann werde ich dafür sorgen, dass du als Redakteur nirgendwo mehr einen Fuß auf den Boden bekommst." Schlechte Bewertungen beenden Karrieren.
Und nicht nur das. Sie zerstören einen auch im Inneren. Miese Bewertungen hinterlassen bei uns Spuren. Das kennt doch jede und jeder von uns. Man stellt sich selbst infrage, wird unsicher und das Selbstvertrauen schrumpft. Das gilt für schlechte Bewertungen, die man von anderen bekommt. Aber gilt das auch für Bewertungen, die man sich selbst gibt?
Von mir kenne ich das jedenfalls: Ich bin mir selbst der strengste Richter. Das macht so viel kaputt. Dieses Ganz oder Gar nicht. Wenn ich zum Beispiel handwerklich etwas baue und es wird nicht exakt so, wie ich mir das vorstelle, dann bin ich total unzufrieden mit mir selbst, obwohl das Ergebnis eigentlich gar nicht so schlecht ist. Aber: "Gar nicht so schlecht" ist für mich keine gültige Kategorie. Entweder "richtig gut" oder eben "nüscht". Das gilt für mich auch beim Sport, beim Aussehen, beim Texte-Schreiben.
Sie können sich jetzt sicherlich gut vorstellen, dass ich mich damit total unter Druck setze. Da bin ich strenger mit mir selbst als es nach meiner Vorstellung das Jüngste Gericht am Ende der Zeit je sein kann. Ich glaube aber, dass es bei weitem nicht nur mir so geht. Unsere Welt ist nämlich komplett durchbewertet. Es gibt so viele Möglichkeiten, sich zu vergleichen und selbst zu bewerten.
Mal ehrlich, mal wirklich ehrlich. Das ist doch alles vollkommen unrealistisch. Dass ich ein Leben lebe, dem ich ständig die oberste Kategorie gebe, diese Fünf Sterne Deluxe Bewertung. Mein wichtigster Lehrer, der Theologe Fulbert Steffensky, hat mal gesagt: "Wir können glücklich darüber sein, wenn uns das Leben halb gelingt." "Gelungene Halbheit des Lebens" nennt er das – klingt so attraktiv wie "Hey, du bist mittelmäßig, wie cool ist das denn." Also gerade mal zweieinhalb Sterne oder ne Drei minus.
Mittelmäßig zu sein, das ist eine der schlimmsten Bewertungen in unserer heutigen Zeit. Es gibt nur noch: Fünf Sterne super mega oder Null Sterne lost, lame. Und die meisten Menschen - sie sind erbarmungslos, wenn sie sich selbst bewerten. Wir als strengste oberste Richterinnen und Richter von uns selbst.
Ganz anders in dem norddeutschen Sprichwort: "N‘ beten scheef hett Gott leev!" Ein bisschen schief hat Gott lieb. Das Leben ist schief, wir sind schief und trotzdem - schön. Und auch diese Einstellung wird uns wahrscheinlich nicht immer 100%ig gelingen, wahrscheinlich auch nur halb. Gelungene Halbheit eben. Bleiben Sie in diesem Sinne mittelmäßig – und barmherzig mit sich selbst. Gute Nacht und frohe Pfingsten.