Sa., 30.09.23 | 23:35 Uhr
Das Erste
spricht Benedikt Welter, Trier
Äpfel, Brot und andere Lebensmittel; mit viel Liebe arrangiert zu einem Erntedank-Altar. So sind viele Kirchen an den beiden ersten Sonntagen im Oktober geschmückt.
Das ist schön anzusehen. Manche finden allerdings solche Arrangements eher kitschig und aus der Zeit gefallen: zu idyllisch. In unseren postindustriellen Zeiten gäbe es doch andere, wichtigere Themen als den Blick auf Äpfel, auf Brot und liebevoll arrangierte Lebensmittel...
Mir sagt der Blick auf die Lebensmittel vor dem Altar viel mehr. Vor meinem inneren Auge liegt eine besondere Sorte Äpfel: Boskoop. Sie liegen auf einem Brett im Keller. Sorgfältig aufgereiht liegen sie da. Einer neben dem andern. Ich bin im Keller meiner Großeltern; und auch an den Duft dieser sorgfältig aufgereihten Äpfel muss ich denken. Genau in diesem Bruchsteinkeller haben meine Großeltern und meine Mutter gesessen, als im Krieg die Bomben gefallen sind. Das gepackte Köfferchen vor sich, sitzt meine Mutter als Kind da – mit all ihrer kindlichen Verwunderung und Angst vor dem, was da draußen geschieht und sie bedroht. Hinter dem kleinen Mädchen im Regal sorgfältig aufgereiht: die BoskoopÄpfel. Für meine Mutter waren es der Duft und diese sorgfältige Ordnung der Äpfel in Reihen auf dem Regal: die gaben ihr ein Gefühl von Sicherheit.
Auf dem Erntedankaltar liebt neben den Äpfeln ein Brot. Für mich steht es auch für „Pausenbrot“. So nennt sich eine Aktion in meiner Pfarrei. So viele Kinder kommen da morgens ohne Frühstück in die Schule. Die Aktion Pausenbrot sorgt dafür, dass jedes Kind wenigstens dreimal in der Woche ein gesundes Frühstück bekommt. Alle Kinder wirken daran mit. Organisiert hat die Aktion Pausenbrot das Stadtteilbüro; die finanzieren es aus Spenden-Mitteln.
Um einen guten Umgang mit Lebensmitteln geht es zu „Erntedank“ auch in Hamburg bei der Organisation „Halbe Portion“. Die lädt Gastronomen ein, dass sie ihren Gästen auf der Karte bewusst auch kleinere Portionen zur Auswahl anbieten – oder eben „halbe Portionen“. Kaum ein Gast kann ja immer den üppig beladenen Teller leer essen. Und was da erst gar nicht drauf kommt, entgeht dem Müllcontainer. Das ist umsichtiger Umgang mit den Gütern dieser Erde, lecker zubereitet, Nachschlag wäre ja vielleicht zu haben...
Boskoop-Äpfel, Pausenbrot und halbe Portion aus Achtung vor Lebensmitteln. Das scheinbar Selbstverständliche ist viel mehr als selbstverständlich: es ist staunenswert. Der heilige Paulus schreibt dazu kurz und knapp: Ob ihr esst oder trinkt, tut alles zur Ehre Gottes. Ich sehe so vermeintlich selbstverständliche Dinge wie Äpfel, Brot und andere Lebensmittel beim Erntedank vor mir und blicke viel tiefer; ich entdecke Geschichten und Aktionen, die in wirren Zeiten ein neues Gefühl von Sicherheit und Menschlichkeit und Nähe vermitteln.
Sie geben mir eine nichtselbstverständlich selbstverständliche Lebensgewissheit – und laden zum Staunen ein.
So oder so ähnlich wünsche ich auch Ihnen einen staunenswert selbstverständlich schönen Sonntag – und danke für die Ernte, auch für die leckeren Äpfel.