Gespräch mit Mark Waschke

(spielt Oliver Gerdes)

Ex-Hochleistungssportler Oliver (Mark Waschke)
Ex-Hochleistungssportler Oliver  | Bild: NDR / Georges Pauly

Alma Schönbeck ist ein typischer Teenager. In ihrer kleinen Welt ist sie die Herrin. Sie ist schlagfertig und jederzeit im Besitz der unumstößlichen Wahrheit. Als ihr Vater Oliver sich damals geoutet hat, war das ein Schock für sie und ihre Mutter Carolin. Es hat die Familie zerrissen, die beiden aber auch zu Komplizinnen gemacht. Fast wie mit einer Schwester spricht Alma mit Carolin. Mit einer Prise Albernheit, aber auch der nötigen Strenge. Dann kommt die echte Katastrophe, die ihr die Mutter von der Seite reißt. Alma braucht ein Zuhause. Oliver hat eins, aber es gibt ein Problem. Alma verachtet Oliver: für den Verrat an der Familie, für seine nicht vollendeten Sportambitionen, für sein Schwulsein, sein Leben mit Felix.

Gespräch mit Mark Waschke (spielt Oliver Gerdes)

„Eine fremde Tochter“ erzählt von einem homosexuellen Paar, das am Anfang eine augenscheinlich gute Beziehung führt. Das Ganze wird dann sehr explosiv, als die Tochter von Oliver einzieht. Was hat Sie an dem Drehbuch interessiert?

Mich hat vor allem diese Leichtfüßigkeit der Konstruktion und der Erzählung überzeugt, in der es um eine Vater-Tochter-Beziehung jenseits von einer klischeehaften Rollenverteilung geht, wie sie sonst oft im Fernsehen zu sehen ist. Es ist eine komplizierte Familiengeschichte, und diese Homosexualität wird eher by the way miterzählt. „Eine fremde Tochter“ zeigt eine Welt, wie jeder sie vor der eigenen Haustür erleben könnte. Und dann fand ich wahnsinnig spannend, dass die beiden in einer homosexuellen Beziehung leben und die Tochter dann ausgerechnet einen Freund findet, der bei den Zeugen Jehovas ist, wo das komplett verurteilt wird. Diese schleichende Entwicklung in den Beziehungen in dieser Freiheit und in dieser Zerbrechlichkeit spielen zu können, war aufregend.

Oliver hatte schon lange wenig Kontakt zu seiner Tochter Alma. Warum entwickelt er nach dem Tod der Mutter diesen obsessiven Wunsch nach einer Vater-TochterBeziehung? Was treibt ihn da an?

Da spielen sicher ein schlechtes Gewissen und Schuldgefühle eine Rolle. Ich denke, Oliver ist vor Jahren aus dieser heteronormativen Kleinbürger-Hölle ausgebrochen und wollte erstmal alles hinter sich lassen. Im Leben ist es ja oft so, dass man im Nachhinein sein eigenes radikales Verhalten nicht mehr versteht. Man fragt sich häufig, warum musste ich damals so hart oder unversöhnlich sein? Aber zu dem Zeitpunkt ging es eben nicht anders. Dann stirbt die Mutter seiner Tochter, und Oliver begreift, dass die Tochter auch ein Teil seines Lebens ist. Sie braucht ihn. Das ist wie ein Ruf, dem er sich nicht entziehen kann.

Warum eskaliert die Situation sowohl mit der Tochter als auch mit seinem Partner Felix?

Oliver ist von Anfang an überfordert. Er hat entscheidende Jahre seiner Tochter nicht mitbekommen und will bloß nichts falsch machen. Er wird mit dieser unglaublichen Energie von Alma konfrontiert, der er Grenzen setzen müsste, aber er hat auch Angst, sie wieder zu verlieren. Gleichzeitig will er vor seinem Partner Felix dieses neue Leben verteidigen, das er mit seiner Tochter aufbauen möchte. Diese Welt, in der er sich mit Felix ganz bequem eingerichtet hat, reicht ihm auch nicht mehr. Durch seine Überforderung entsteht eine irrationale Wut, die sich vor allem gegen Felix richtet und die ihn einfach überrollt. Beide, Vater und Tochter, tragen ein ziemliches Wut-Potential in sich und laufen geladen durch die Welt, und für Felix funktioniert diese Dreier-Konstellation dann einfach nicht mehr.

Alma lehnt ihren Vater ab, weil er ihre Mutter verlassen hat. Das ist erst einmal verständlich, aber woher kommt diese rigorose Ablehnung seiner Homosexualität?

Alma will einfach wütend auf ihren Vater sein, weil er sich aus ihrem Leben davongeschlichen hat, und die Homosexualität von Oliver liefert ihr ein Ventil für ihre Wut. Ich fand auch diese Erzählung von den Zeugen Jehovas interessant, denn diese Bilderwelt der Zeugen Jehovas, die aus ihren Büchern und der Bibel gespeist wird, zeigt eine heile Welt, die sich in Almas Fantasien widerspiegelt. Letzen Endes schlummert diese Sehnsucht in vielen Menschen, diese Märchenfantasien aus der Kindheit, das Warten auf den einen Menschen, der oder die einen erlöst und glücklich macht, das Haus im Wald, wo alles heil und beschützt ist. Diese Fantasie einer heilen Welt treibt uns an, aber sie muss irgendwann mit der widerspruchsvollen Wirklichkeit kollidieren. Das erkennt Oliver, und deshalb trifft er am Ende auch eine folgenschwere Entscheidung.

An einer Stelle nimmt Felix den Freund der Tochter in Schutz, der die Vorurteile seiner Eltern gegenüber Homosexuellen reproduziert. Oliver weigert sich, diese „intolerante Scheiße“ zu akzeptieren. Bei welcher Art der Intoleranz hört bei Ihnen die Toleranz auf?

Toleranz hört auf, wenn es wirklich an die eigene Existenz geht. Keine Toleranz den Feinden der Toleranz gegenüber. Oliver sieht bei diesem homophoben Verhalten in seiner Umgebung die goldene Regel verletzt, was du nicht willst, was man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu. Wenn er als Mensch nicht so akzeptiert wird, wie er ist, wird für ihn eine rote Linie übertreten.

Wie homophob ist denn unsere Gesellschaft?

Das kann man sicher nicht verallgemeinern. Aber wenn man einzelne Situationen erlebt, ob die nun in Berlin oder in Dresden stattfinden, dann sind wir mit Sicherheit noch meilenweit entfernt von einer Gesellschaft, in der es keine Diskriminierung oder Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung gibt. Der Film zeigt ja auch, wie Oliver als Leistungssportler seine Homosexualität verleugnen musste. Die Angst vor einem Coming-Out ist auch heute noch für viele Profi-Sportler ein Thema.

Sie waren an der Initiative #actout beteiligt, die auch erreichen wollte, dass Normen und Stereotype aufgebrochen werden. Sehen Sie schon eine Veränderung?

Ich erlebe, dass es bei den Sendern ein viel größeres Bewusstsein gibt, Geschichten aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Abgesehen von der Sensibilisierung für die Diskriminierung von LGBTQ-Schauspieler*innen war für mich ein wichtiges Anliegen von #actout, überraschende, neue, diverse Konstellationen drehen zu können. Insgesamt gibt es bei den Redakteur*innen und Produzent*innen wirklich eine große Lust, sich zu öffnen, und das mag ich gerade besonders bei diesem Film, wie selbstverständlich das homosexuelle Paar erzählt wird. Ich finde auch interessant, dass eine relativ bürgerliche Homosexualität gezeichnet wird und keine Klischees von Schwulen in Darkrooms und so bedient werden. „Eine fremde Tochter“ erzählt einfach von dem Versuch, als Familie zusammenfinden, bei dem das Verzweifeltsein und das Scheitern inbegriffen ist, unabhängig von der Sexualität.

Wie finden Sie denn die Darstellung der Sexualität in dem Film?

Zum Glück entwickelt sich im Moment auch die Art und Weise, wie man Sexualität erzählt. Oft ist den Bildern im Fernsehen noch eine gewisse Schamhaftigkeit anzusehen, aber bei Oliver und Felix entsteht die Sinnlichkeit wirklich aus einem Begehren der Figuren heraus und nicht aus irgendwelchen Kameraideen oder einer speziellen Beleuchtung. Und das ist wichtig, dass man sieht, wie Liebespaare übereinander herfallen und was für eine Lust sie aufeinander haben und dass Sexualität auch einen Platz im Leben, im Alltag hat.

Können Sie uns etwas über die Dreharbeiten erzählen?

Ich wollte unbedingt wieder in einem Krohmer-Film mitspielen, und als Stefan mich wegen der Rolle des Olivers angerufen hat, habe ich sofort zugesagt. Stefan probt gerne und macht gerne viele Takes, was ich eigentlich großartig finde. Gerade in diesem fantastischen Ensemble konnte man alles ausprobieren und besprechen und sich dann einfach fallen lassen. Dieses intensive Arbeiten mag ich sehr, was aber nur gut funktioniert mit so wachen Kolleg*innen wie Hannah und Wanja, die dann in einem richtigen Verhältnis eigene Ideen einwerfen, aber auch wach und offen sind für das, was man selber vorschlägt und spielt.

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