Regisseur Sebastian Ko und Autor Stefan Rogall

Kommen sich Paul (Felix Klare) und Nina (Laura Tonke) wieder näher?
Kommen sich Paul und Nina wieder näher? | Bild: NDR / Georges Pauly

„Der Alltag wird plötzlich zu etwas Unheimlichem“ – Gepräch mit Sebastian Ko und Stefan Rogall

Gleich am Anfang von „Kein einfacher Mord“ erleben wir den Absturz eines Paares, dessen scheinbar heile Welt zerbricht. Was hat Sie daran interessiert, in Ihrem Drehbuch ein konventionelles Paar aus der Mittelschicht in den Mittelpunkt Ihrer Erzählung zu stellen?

Stefan Rogall: Mich hat interessiert, was mit einem Paar in einer Krisensituation passiert. Das MittelschichtsMilieu mit seinen materiellen Glücksversprechen ist immer noch sehr verbreitet und von dieser brüchigen Normalität wollte ich erzählen. Unsere Geschichte fängt aber da an, wo andere Filme sonst aufhören. „Kein einfacher Mord“ beginnt mit einer typischen Happy EndSzene, aber dann bricht der ganze Horror über das Paar ein.

Der Horror beginnt aber nicht erst, als Nina aus Notwehr den Hockeylehrer ihres Sohnes erschlägt, sondern weil ihr Mann schon vorher wegen Medikamentenmissbrauchs seine Stelle als Arzt verliert.

Stefan Rogall: Es ist im Grunde eine Fassade des Glücks, die sich beide mühsam errichtet haben und die eigentlich die ganze Zeit schon bröckelt. Zwei Menschen, deren Träume und Wünsche sich nicht erfüllt haben, die aber unbedingt ihren Status quo im Freundeskreis aufrechterhalten wollen. Das erzeugt einen großen Druck, dem die Partnerschaft nicht standhalten kann. Aber dann erschlägt Nina den Hockeylehrer und sie werden mit einer neuen Krise konfrontiert. Und ironischerweise eröffnet sich durch diese Krise eine neue Chance der Gemeinsamkeit. Wobei auch diese Chance natürlich wieder verbunden ist mit der Frage, wie weit man Verantwortung für das übernehmen muss, was man getan hat, auch wenn es schmerzhaft ist.

Bei Ihrer Inszenierung spürt man in vielen Szenen eine unterschwellige Bedrohung. Haben Sie „Kein einfacher Mord“ von Anfang an auch als Psychothriller angelegt?

Sebastian Ko: Es ist zunächst ein Familiendrama und das bereitet uns ja erst den Boden für den Psychothriller, weil wir von einem ganz normalen Paar erzählen, das sich durch sein Verbrechen aus dem normativen Rahmen herausbewegt. Mich interessiert immer, inwiefern Menschen, um den Status quo zu erhalten, bereit sind, Dinge zu tun, von denen sie sich selber normalerweise moralisch distanzieren würden. Ab welchem Zeitpunkt fängt man an, böse zu werden? Die Tat ist fast ein Akt der Notwehr, aber sie verhalten sich dazu wie zu einem Mord, den sie vertuschen wollen. Und der Mord hat dann fast etwas Therapeutisches für dieses Paar. Durch das gemeinsame Durchstehen im Amoralischen sind sie gezwungen, sich mit sich selber auseinander zu setzen. Wenn sie gemeinsam vor der Polizei lügen, bekommt das nahezu einen romantischen Anstrich. Das war für mich die spannende Herausforderung, inwieweit sich ein ganz normales Paar verführen lässt, etwas Verwerfliches zu tun, und durch diese Verführung aber im Grunde genommen zu einer Lösung für sich selbst kommt.

Wie ambivalent diese Lösung ist, unterstreichen Sie durch die Bildgestaltung. Was war Ihnen bei der visuellen Umsetzung wichtig?

Sebastian Ko: Diese Doppelbödigkeit des Glücks, die Stefan im Drehbuch von Anfang bis Ende durchgezogen hat, fand ich sehr nachvollziehbar. Mit meinem Kameramann Andreas Köhler habe ich versucht, die Brüchigkeit der Figuren zu erzählen, die im Grunde genommen immer schlingern und mit sich hadern und dabei einerseits nicht ihrem moralischen Kompass folgen und andererseits immer bemüht sind, den Status noch zu erhalten. Wir haben das versucht umzusetzen, indem man eigentlich überall eine Verunsicherung spürt. Alle bewegen sich auf schwankendem Boden, weil sie sowohl in der materiellen Welt als auch in ihrer geistigen Welt keinen wirklichen Untergrund haben. Das haben wir vor allem über die Bilder erzählt und weniger über Dialoge.

Stefan Rogall: Als ich den Film das erste Mal gesehen habe, war ich absolut begeistert, wie grandios das visuell umgesetzt ist. Im deutschen Fernsehen hat man häufig sehr dialoglastige Szenen. Als Autor bin ich natürlich auch immer gefragt, möglichst viel über Dialoge zu transportieren. Aber hier hat mich die Macht der Bilder von Anfang an total in die Geschichte hereingezogen. Da ist zum Beispiel dieser fast leere Blick der Nina in die Waschtrommel oder diese Kameraeinstellungen im Garten. Der Alltag selbst wird plötzlich zu etwas Unheimlichem. Es gibt keine festen Koordinaten mehr und plötzlich wird alles in Frage gestellt und alles könnte eine Bedrohung werden.

Auffällig ist das auch bei der Kameraführung im Garten, der manchmal harmlos und dann wieder undurchdringlich und gefährlich wirkt.

Sebastian Ko: Das war der Versuch, die Natur als Gegenentwurf zu der geregelten Welt der Figuren darzustellen. Es gibt dieses Landschaftsbild im Wohnzimmer, in dem die Tat passiert, und die Gänge um das Haus des Paares. Dieses Haus symbolisiert ja eigentlich das bessere, das gelungene Leben. Aber dann bricht immer wieder die Natur durch; alles, was die Figuren unterdrücken an Trieben und Lust, lässt sich eben nicht kontrollieren, und das bedroht ihre Welt.

Wenn Nina den Totschlag nicht zugibt, wird eventuell jemand anders unschuldig verurteilt. Was hat Sie an der Frage von Schuld und Verantwortung interessiert?

Stefan Rogall: Natürlich sind wir schnell auf der Seite des Paares, weil wir uns mit ihnen identifizieren und uns die gleichen Ängste umtreiben. Was passiert mit uns, wenn wir uns moralisch verhalten – oder würden wir eher versuchen, uns zu schützen? Das erzählt auch viel über den momentanen Zustand unserer Gesellschaft. Wir vertrauen im Grunde der Wahrheitsfindung gar nicht mehr so sehr wie unseren Ängsten. In „Kein einfacher Mord“ stellen wir die Frage, was richtig ist, und reichen sie an den Zuschauer weiter. Wie würdest du dich eigentlich verhalten in einer Situation, in der du schweigen kannst, aber möglicherweise damit eine weitere Tragödie auslöst?

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