Gespräch mit mit Cordelia Wege

spielt Greta Exner

„Unternehmerin des Jahres“: Greta Exner (Cordelia Wege) lässt sich feiern.
„Unternehmerin des Jahres“: Greta Exner lässt sich feiern. | Bild: NDR / Thorsten Jander

Greta Exner ist hin- und hergerissen. Sie ist Macht gewohnt, das hat sie von ihrer Familie gelernt. Sie ist gewohnt, ihren Willen zu bekommen. Wenn alles gut läuft, kann sie schmeicheln und gibt sich bestimmt. Wenn es allerdings nicht so gut läuft, kann sie auch sehr scharf werden. Gleichzeitig ist da diese weiche Seite. Greta Exner will gemocht werden, nicht nur gefürchtet. Aber wenn man so reich ist wie sie, mögen einen viele, zu viele.

Das Geheimnis ist ihr zur zweiten Natur geworden. Sie sagt, Geheimnisse halten das Leben aufregend. Aber in Wirklichkeit nagt die Ungewissheit, wo ihr Mann Toby seine Nächte verbringt, an ihr. Sie macht aus ihrer unglücklichen Ehe ein Geheim - nis, wo alle längst die Wahrheit kennen. Und das einzige, was sie allen zeigen möchte, ihre schönen, melancholischen Fotos, bleibt auf gewisse Weise auch ein Geheimnis – die Bildbände erscheinen im Selbstverlag.

Und nun ist da Klaus. Sie hat ihn gerufen, und er ist gekommen. Er ist genau der richtige, um sie in all ihrem Unglück und Selbsthass zu erkennen. Ein aufrechter, sensibler Mann, nur leider Kommissar. Ein bisschen verrückt ist es ja schon: Ihr Ehemann ist verschwunden und ausgerechnet Borowski, Klaus, soll ihn wiederfinden. Dabei will sie Toby gar nicht wiederhaben.

Gespräch mit Cordelia Wege

Ihre Figur Greta Exner trägt die Handlung. Was ist das für eine Frau?

Diese Frage drängte sich auch mir beim ersten Lesen des Drehbuchs auf; um genau zu sein, war es diese Frage, die sofort mein Interesse für Greta geweckt hat, die bewirkt hat, dass ich sie spielen wollte. Gretas ständige Wechsel – sichtbar sowohl in ihren Stimmungen als auch in ihrem gesamten Verhalten und Auftreten – bewirken eine „Unergründlichkeit“. Anfangs glaubte ich, Greta sei „gewieft“, sie spiele mit den Menschen, die ihr begegnen, sie hätte die Situationen meist unter Kontrolle. Je länger ich jedoch mit ihr zu tun hatte, desto schwieriger (ab) lesbar und erkennbar wurde für mich: Was ist „pur“ (ehrlich, ernst, wahrhaftig) gemeint und was ist „gemacht“? Ich bin der Beantwortung dieser Fragen nähergekommen. Ich kann aber nicht behaupten, diese Figur ganz zu durchschauen. Das mag absurd klingen, weil ich sie ja gespielt habe, aber es ist so.

Wie haben Sie die Rolle angelegt und verstanden?

Ich musste „von innen“ erleben, wie Greta „tickt“. Ich habe sie anfänglich tatsächlich für berechnender gehalten, als sie sich beim Spielen dann gezeigt hat, das war eine Überraschung. Um dieser Figur nahe zu kommen, musste ich als Greta immer das meinen, was ich sagte. Ich musste mich regelrecht selbst überlisten, damit ich von „wahr“ zu „gegenteilig und genauso wahr“ gleiten konnte. Widersprüchlichkeiten in meinen Aussagen und im Handeln durfte ich als Spielerin im Spielprozess meist nicht als solche wahrnehmen. Dadurch ist während des Drehs ein ziemlich merkwürdiges „Psychogramm“ entstanden.

Sie haben sie sozusagen „kennengelernt“?

Ich musste Greta spielen, um sie kennenzulernen. Sie bleibt mir trotzdem in Teilen rätselhaft, ich kann nicht alles benennen, was ich mit ihr und durch sie erlebt habe. Das ist für mich das Schönste am Spielen. Nicht immer wissen müssen, aber dafür erleben können. Greta war mir trotz ihrer Tat auf eine Art sympathisch. Wie kann das sein? Ihr Leid und ihr Kampf haben mich sehr berührt.

Warum ruft Greta eigentlich die Mordkommission?

Ich frage mich das nach wie vor! Will sie überführt werden? Möglicherweise, um endlich in Gänze gesehen und erkannt zu werden? Was ihr ihre Eltern (aus eigenem emotionalen Unvermögen) ein Leben lang verwehrt haben: sie zu sehen, wie sie ist, Gretas Persönlichkeit wahrzunehmen, anzuerkennen, sie in ihrer Entfaltung zu unterstützen. Das hat nicht stattgefunden. Erfolg, Etikette, Prestige sind die einzig geltenden Werte im Elternhaus, damals wie heute.

Die Täterin ist auch ein Opfer ihres Milieus?

Die Lieblosigkeit der Eltern hat ein verwirrtes, innerlich verwahrlostes Menschenkind mit schlimmen unsichtbaren Nöten geschaffen. Niemand ahnt, welche Abgründe sich hinter dieser scheinbar intakten Fassade verbergen. Auf jeden Fall kämpft sie: Sie schafft sich Freiräume, indem sie in die Richtung des größten Drucks mit einer Übererfüllung der elterlichen Forderungen reagiert. Wenn sie alles richtig und noch besser macht, wird sie in Ruhe gelassen, nicht mehr gegängelt, so ist eventuell ihre Hoffnung. Das funktioniert aber leider nicht.

Sind Gretas Fotografien nur Attitüde? Oder Ausdruck ihrer fragilen Persönlichkeit und ein Versuch, ihrem Lifestyle-Ghetto zu entkommen?

Greta organisiert sich hier und da einen Raum für sich ganz allein, indem sie fotografiert, und findet damit gleichzeitig eine Möglichkeit, sich auszudrücken, sich zu zeigen: ihre andere, ungesehene Seite.

Warum hat sich Greta von ihrem Mann so viel gefallen lassen? Was hat die Beiden einst zusammengeführt und verbunden?

Dass sie sich so viel von Toby gefallen lässt, hängt direkt mit dem Eltern-Thema zusammen: Ihre Eltern haben es geschafft, Gretas ureigenen Willen zu brechen. Sie haben Greta „auf Funktionieren“ getrimmt. Gretas Zugang zu sich selbst und zu ihren eigenen Bedürfnissen konnte nicht wachsen, ist blockiert. Ihre Wehrlosigkeit liefert sie auch den psychischen Angriffen, Spielchen und Gemeinheiten ihres Partners aus. Sie will lieber in einer Illusion leben, sich schlecht behandeln lassen, bis es unerträglich ist und nicht mehr weitergeht – als verlassen zu werden und sichtbar für alle „versagt“ zu haben. Die Diskrepanz zwischen ihrer äußeren (starken, erfolgreichen) Erscheinung und ihrer inneren Schutzlosigkeit ist enorm groß.

Warum ist es für eine Frau wie Greta offenbar schwer, den richtigen Mann zu finden? Wäre jemand aus ihrem eigenen Milieu eine Option?

Greta lebt unbewusst in Spannung, permanent. Sie würde sich immer einen Mann suchen, der ihr nicht gut tut, der sie herausfordert, der in irgendeinem Bereich definitiv nicht zu ihr passt. Harmonie kann sie gar nicht 30 Tatort: Borowski und der Wiedergänger (er)leben, sie kommt in „Gretas Kosmos“ nicht vor, ist in ihrer Persönlichkeit nicht angelegt. Käme einer, der sie auf Händen trüge, sie ehrte und sie mit Respekt behandelte, verstieße sie ihn recht bald; sie würde es nicht ertragen, denn sie hält sich selbst, ohne es zu wissen, nicht für achtenswert. Männer aus ihrem Milieu sind ihr wahrscheinlich langweilig, nehme ich an.

Wenn Greta und ihre Eltern Tobys „Verschwinden“ zu erklären versuchen, geht es immer darum, dass man ihn an der Firma hätte beteiligen sollen. Hätte das etwas geändert?

Toby an der Firma beteiligen? Das hätte die Hölle des unerträglichen Miteinanders doch nur in die Länge gezogen. Früher oder später wäre diese Naht geplatzt, der Riss war unvermeidlich.

Die Spannung lebt davon, dass Greta bis zum Schluss undurchsichtig bleibt. Ist sie deshalb so überzeugend, weil sie auch sich selbst etwas vorspielt?

Greta ist impulsiv und clever, ist sich aber ihrer Muster nicht in Gänze bewusst. Sie lebt allerdings in der Illusion, alles kontrollieren zu können. Wäre sie durch und durch eiskalt, planend und abgebrüht, dann wäre sie das, was man gemeinhin „böse“ nennt. Dann wär’ sie nicht erwischt worden, oder besser: Sie hätte sich nicht erwischen lassen!

Wäre Greta eine glückliche Zukunft zuzutrauen, wenn Borowski nicht den Wiedergänger-Joker gezogen hätte?

Wenn ich weiter spekulieren darf, dann würde ich behaupten, dass Greta allein durch ihr „Auffliegen“ überhaupt erst den Zipfel einer Möglichkeit für eine glücklichere Zukunft in die Hände bekommt. Die harte, schlimme, nackte, nüchterne Wahrheit kann sie zu sich selbst führen.

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