Regisseurin Anne Zohra Berrached über diesen "Tatort"

"Ich möchte tief in die Seele der Menschen schauen."

Linda Selb (Luise Wolfram, rechts ) reagiert auf einen Verdächtigen sehr extrem, was Konsequenzen nach sich zieht.
Linda Selb reagiert auf einen Verdächtigen sehr extrem, was Konsequenzen nach sich zieht. | Bild: Radio Bremen / Claudia Konerding

»Es ist mein dritter Tatort und ich habe mir vorgenommen, kein Blatt vor den Mund zu nehmen, direkt, unmittelbar und laut, unsere Geschichte zu erzählen. Wie in allen meinen Filmen möchte ich tief in die Seele von Menschen schauen.

Leuchtendes Lachsrot, Livs kompromissloser Blick in die Kamera und das prahlerische Trommeln der Score Musik kündigen das Böse an, das wir alle in uns tragen.

Wir haben Figuren erschaffen, die ein Leben verborgen, am Rande der Gesellschaft führen. Outcast. Außenseiter, die es im Leben nicht geschafft haben, die nach Liebe schreien und die Scham umgibt. Sie wollen nicht gesehen werden, leben im Dunkeln. Immer von meinen Protagonisten ausgehend habe ich zusammen mit meinen Mitstreitern das Aussehen und die Atmosphäre unseres Films entwickelt.

In Kamera, Szenen- und Kostümbild eine düstere, kaputte Bildsprache. Im Gegensatz dazu eine intensive und pralle Farbgebung. Starkes Licht und starke Schatten, aber auch die Fülle im Szenenbild lassen das Szenenbild unübersichtlich erscheinen und verstärken das Mysterium. Das Rätsel auf allen Ebenen macht doch einen aufregenden Krimi aus.

Alle Charaktere tragen Geheimnisse in sich, die die Kommissarinnen suggestiv lüften. Und so hat die Autorin Martina Mouchot einen genialen Kniff gemacht. Sie lässt die Figuren im wahrsten Sinne des Wortes hinter und darunter gucken.

Unser Tatort erzählt auch von der Emanzipation unterdrückter Frauen. Der Tod Susanne Kramers löst aus, dass die Normalität ins Wanken gerät. Die Frauen brechen aus. Deshalb spielen wir im Gegensatz zu der Inszenierung im Kostüm mit den Stereotypen. Wir umhüllen die Verdächtigen in eine Starre.

Das Extreme und das Zerbrochene in den Verdächtigen lassen die Ermittlerinnen wanken. Sie kommen an ihre Grenzen. Und das mag ich. In einem assoziativen Schnittgewitter montiert Denys Darahan, der alle meine Filme editiert, die Szenen.

Ich wollte einen abrupten, schnörkellosen, aber bombastischen Sound aus einer anderen Zeit, der den Teufel ankündigt. Denn auch unsere Figuren sind nicht modern und tragen alle ein bisschen das Unheil in sich. Die Filmmusiker bedienen sich an Elementen der 50er und 60er Jahre, gepaart mit moderneren Klängen. Bernhard Herrmann, Hitchcocks Komponist, war uns ein Vorbild.

Anders als bei meinen bisherigen Filmen ist mir bei diesem der Realitätsanspruch egal. Wie im amerikanischen Kino ist es mir wichtig, einen guten und spannenden Genrefilm zu erzählen, der die Figuren strahlen lässt. Ich habe keine Angst sie manchmal zu überhöhen, wenn ich sie doch immer menschlich zeige. Ich habe sie so gezeichnet, weil ich der Überzeugung bin, dass uns Figuren anziehen, die unperfekt handeln. Vielleicht weil sie etwas in uns spiegeln, dass wir selbst nicht immer in einer (zum Glück!) von Norm und Regeln geprägten Gesellschaft ausleben können.

Jasna Fritzi Bauer und Luise Wolfram spielen mit Bravour und Leidenschaft ihre Rollen als Ermittlerinnen. Aljoscha Stadelmann, Matthias Matschke, Dirk Martens, Ulrike Krumbiegel, Thomas Schendel und Milena Kaltenbach stellen mit Können und Wucht ihre Typen dar. Und ich kann sagen, es ist der intensivste, besonderste und in all seinen Charakteren tiefste Krimi, den ich je gemacht habe.«

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