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Senegal: Wem gehört das Gas?

PlayFischerboote in einem kleinen Hafen.
Senegal: Wem gehört das Gas?  | Bild: NDR

Das Meer ist Gefahr und Chance zugleich. Hier in Saint Louis steht der Fischfang vor dem Aus. Die Zukunft liegt am Horizont. Riesige Gasvorkommen lagern vor der Küste, an der Grenze zu Mauretanien. Bei klarer Sicht ist die neue – zehn Kilometer entfernte Plattform – zu sehen. Anfang nächsten Jahres soll sie in Betrieb gehen.

Noch leben die Menschen hier fast ausschließlich vom Fisch. Doch die Ausbeute wird vor allem wegen der ausländischen Konkurrenz – mit den großen Fangflotten aus China und Europa – immer kleiner. Bis vor Kurzem ging Pape Issa Sall auch noch fischen. Aber mit seinem kleinen Boot lohnte es sich nicht mehr. Wie einige seiner Kollegen auch, hat er vor kurzem eine Ausbildung als Industrietaucher gemacht – jetzt warten sie nur noch auf einen Job: "Für uns ist die Gasgewinnung das wichtigste Thema. Wir sind zuversichtlich – erst vor Kurzem hat man uns gesagt, dass wir sobald die Plattform im Betrieb ist, dort arbeiten können. Allerdings will BP uns noch weiter schulen."

Fischer hoffen auf neue Jobs durch die Gasgewinnung

Ein Mann schaut in die Kamera.
Pape Issa Sall hat eine Ausbildung zum Industrietaucher absolviert. | Bild: NDR

Pape Issa Sall ist für viele hier ein Vorbild. Bis es mit dem neuen Job auf der Plattform klappt, hat er sich noch eine andere Einkommensquelle gesucht. Im Hinterhof der Koranschule seines Onkels hat er einen kleinen Nutzarten angelegt. Inzwischen hat er so ein kleines Business aufgebaut: "Schon als Kind habe ich gerne etwas angepflanzt. Seit das Fischen für mich nicht mehr profitabel ist, versuche ich erst Mal mit Aloe Vera und Bananen mein Geld zu machen. Solange es keinen besseren Job gibt, kämpfe ich mich irgendwie durch. Ich will in jedem Fall in meinem Land bleiben."

Der kleine Garten ist eine Oase der Hoffnung. Onkel Mamadou Sene, war früher auch Fischer. Jetzt ist er Imam und hat sich ganz seiner Koranschule gewidmet. Er ist stolz auf seinen Neffen. Stolz darauf, dass er auch für die Kinder ein Vorbild ist, das Leben in die eigene Hand zu nehmen. Für beide das Wichtigste: Die Kinder sollen eine Zukunft haben. An die Gasplattform knüpfen sie große Erwartungen: "Wir waren sehr glücklich, als wir erfuhren, dass man bei uns Gas gefunden hat. Das Fischen ernährt uns nicht mehr. Mein Neffe macht es richtig, er engagiert sich, wo er kann. Mit dem Gas haben wir neue Hoffnung, Hoffnung, dass auch wir davon profitieren werden. Wir können kaum warten, bis die Anlage in Betrieb geht. Wir beten, dass die Regierung dafür sorgt, dass auch wir etwas davon haben", sagt Imam Mamadou Sene.

Senegal setzt auf Gas als Brückentechnologie

Der Senegal macht dabei in der Energiepolitik einen Spagat:  Trotz der Investition in das Gasprojekt – und damit in fossile Energie – will das Land auch klimafreundlicher werden. Gas als Brückentechnologie, um den Senegal moderner zu machen. Erneuerbare Energie spielt dabei eine wichtige Rolle. Ein Solarprojekt in der Nähe der Hauptstadt Dakar, zum Beispiel, wurde von Deutschland mitfinanziert und 2019 fertig gestellt. "Zurzeit ist diese Anlage von unserem staatlichen Energieunternehmen Senelec die größte im Land. Der Senegal will bis 2030 seinen Anteil an erneuerbarer Energie auf 40 Prozent erhöhen und so einen gerechten Übergang im Energiesektor schaffen", erklärt Mame Ndieme Ndong vom Senelec Projekt Erneuerbare Energie.

Aber der Bau von Solaranlagenreicht allein reicht nicht aus. Was fehlt sind Speicherkapazität und Netze. Auch für deren Ausbau sollen die Einnahmen mit dem Gas aus dem Meer genutzt werden. Das Energieministerium veranstaltet mehrtägige Seminare für Journalisten, um für das Thema erneuerbare Energie "zu sensibilisieren", wie es heißt. Sie sollen helfen, die Menschen im Land für die Energiewende zu begeistern. Von außen will sich die Regierung nicht vorschreiben lassen, wie die Energiewende umgesetzt werden soll. "Wir verwenden in diesem Zusammenhang das Wort 'gerecht' . Wir wollen die erneuerbare Energie voranbringen. Aber es ist doch nicht normal, dass uns die internationale Gemeinschaft da reinredet. Man kann nicht die Staaten, die jetzt die Möglichkeit haben Öl und Gasvorkommen zu fördern, fragen, es nicht zu tun. Der Anteil afrikanischer Staaten – vor allem des Senegal – an der Klimaverschmutzung ist sehr gering", sagt Tamsir Ndiaye vom Ministerium für Öl und Energie.

Senegal baut Elektrizität aus

Solaranlagen.
Ein Solarprojekt wurde von Deutschland mitfinanziert. | Bild: NDR

Erst einmal soll in den nächsten zwei Jahren die gesamte Bevölkerung mit Strom versorgt werden. Denn bisher muss mehr als die Hälfte der Haushalte ohne Elektrizität auskommen. Auch die Fischerfamilie Sall kocht noch mit Kohle. Das Geld für die Anschlüsse soll aus dem Gasexport kommen. An dem Gas aus Senegal sind viele Länder interessiert, auch Deutschland.

Noch dominieren die Piroggen das Bild in Saint Louis. Jedes Boot das zurückkommt, wird von der ganzen Gemeinschaft begrüßt – der meist karge Fang begutachtet. Und natürlich gehört auch Issa Sall dazu. Manchmal überkommt ihn die Wehmut, weil er selbst kein Boot mehr hat. Dann zieht er das Ölzeug an und hilft seinen Freunden beim Ausladen der Schiffe. "Ich hoffe, die Regierung hält ihre Versprechen und gibt uns Hoffnung und eine Perspektive – unser Land braucht Investitionen für die Zukunft. So traurig es ist – als Fischer können wir nicht mehr überleben."

Der Senegal hat die Chance eine gerechte Energiewende zu schaffen und in eine saubere Zukunft zu investieren. Die Menschen vor Ort hoffen, dass die Gewinne aus dem Gas auch bei ihnen ankommen und nicht – wie so oft - durch Korruption irgendwo versickern.

Autorin: Caroline Imlau, ARD-Studio Nairobi

Stand: 25.02.2024 20:38 Uhr

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