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Spanien: Das Leid der Hausmädchen

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Spanien: Das Leid der Hausmädchen | Bild: NDR

Jamileth pflegt ein altes Ehepaar: Sie hilft mal schnell am PC, in der Küche wartet das Essen, der Wohnungsputz steht an. Früher lebte sie mit im Haushalt ihrer Klienten als "Interna": Arbeit rund um die Uhr, mies bezahlt. "Als 'Interna' zu arbeiten – wir Hausangestellten finden, das ist moderne Sklaverei", sagt Jamileth.

Sieben Jobs in acht Jahren als Interna hat Carolina hinter sich, dabei arbeitete sie daheim als ausgebildete Psychologin. "Du verlässt Dein Leben, es existiert nicht mehr, weil du für diese Person 24 Stunden da sein musst."

Soledad, eigentlich Psychotherapeutin, hat Kleinkinder und Pflegefälle betreut und dann hingeschmissen. "Viele werden sexuell ausgebeutet. Wenn du 'Interna' bist, meinen sie, sie könnten Dir einfach so an den Arsch fassen"

40.000 "Interas" arbeiten in Spanien

Drei Frauen, drei Schicksale. Drei von 40.000. So viele Frauen arbeiten und leben derzeit als "Internas" in Spanien. Einem Land, in dem Frauen stolz sind, auf ihre Emanzipation. Darauf, dass sie Arbeit und Beruf verbinden können. Aber müssen für die Freiheit der Spanierinnen Frauen aus anderen Ländern bezahlen?  Frauen aus Ländern, in denen das Leben hart und unsicher ist?

Soledad vergisst nie, wie in ihrem ersten Job als "Hausmädchen" vor 25 Jahren plötzlich ihr Koffer vor der Tür stand, ihre Arbeitgeber waren umgezogen. In ihrer Wahlheimat an der galicischen Küste wird sie sentimental, denkt an ihren Sohn in Ecuador, der ohne sie aufwuchs. Nur ein Foto hat sie aus der Zeit. Soledad wollte nur eine Zeitlang in Spanien Geld für die Familie verdienen. "Es wäre mir nie in den Sinn gekommen, dass ich nicht zurückkommen würde. Ich war am Boden zerstört, dass ich meinen sieben Monate alten Sohn dort gelassen hatte, um mich hier – wie eine Mutter — um ein anderes Baby zu kümmern."

Ihr Sohn Diego, mittlerweile 24, will Ingenieur werden. Er lebt in Quito, der Hauptstadt von Ecuador. Ein Land, das unter Armut und Arbeitslosigkeit leidet. Und: in dem Drogenkartelle Angst verbreiten. In Lateinamerika sind es häufig junge Frauen, die nach Europa gehen, um die Familie über Wasser zu halten. Diego ist unterwegs zu seinem Vater. Er war ein Baby als seine Mutter wegging, zu jung, um das zu verstehen. "So war es halt, wir haben es ohne größere Probleme überstanden. Und heute… sie ist keine Fremde, aber wir haben keine besonders enge Beziehung." Diego hatte einen Zwilling, er starb kurz nach der Geburt. Als Soledad weg war, sprang seine Oma ein. Die Beziehung von Diegos Eltern hielt nicht lange – und der Plan, dass Soledad Geld schickt, ging nicht auf. "Wir leben hier in Dritte-Welt-Ländern, deshalb suchen die Menschen den amerikanischen Traum oder ihr Glück in Europa. Sie wandern aus, um ihre Situation zu verbessern, aber viele ahnen nicht, wie schwierig es ist, woanders anzufangen", sagt Diegos Vater Marcelo.

Leben in Europa hat einen hohen Preis

Frau schaut auf Fotografien.
Soledads Sohn wuchs ohne sie in Ecuador auf. | Bild: NDR

Für Soledad war es schwierig, doch sie blieb in Spanien. Der Kontakt zu Diego ist eine Telefon-Verbindung. Smalltalk. Meistens sprechen die beiden über Diego und seine Zukunft. Er erzählt von Prüfungen an der Uni. Bei allem stolz auf ihren Sohn, die Schuldgefühle bleiben bis heute. Soledads Leben in Europa hatte einen hohen Preis. Diego versuchte es sogar mal ein halbes Jahr in Spanien, aber in der neuen Familie seiner Mutter fühlte er sich fremd. Seine Welt bleibt Ecuador.

Carolinas und Jamileths Welt war mal Nicaragua. Sie lebten in derselben Stadt, kennengelernt haben sie sich in erst Madrid. Als "Interna"-Leidensgenossinnen. Carolina wollte als Selbständige in Spanien Geld verdienen und nach zwei Jahren zurückgehen. Der Traum platzte. Immerhin kamen ihr damaliger Mann und die zwei jetzt erwachsenen Kinder nach. Aber ihr Leben spielte nur noch in den Häusern der alten Menschen, die sie pflegte: "Manchmal fühlt es sich an, als ob der Tag nie zu Ende gehen würde. Alte Leute gehen ja auch häufig nicht gerade früh ins Bett, sie bleiben bis ein, zwei Uhr wach. Eine Dame, um die ich mich kümmerte, schaute ewig lang furchtbare Programme an – und ich musste bei ihr sein." Immerhin, in ihrem letzten Job ging es ihr besser, betont Carolina. Trotzdem will sie nicht länger für fremde Menschen rund um die Uhr zur Verfügung stehen

"Hausangestellte spielen eine bedeutende Rolle im Betreuungssystem"

Ihre Freundin Jamileth arbeitet nur noch Teilzeit. Daneben setzt sie sich für Frauen wie Carolina ein: Migrantinnen, die bei der Jobsuche häufig nur als "Interna" genommen werden, weil Papiere fehlen. "Nach dem Ausländergesetz muss man hier quasi drei Jahre untertauchen. Erst dann bekommt man Papiere, mit denen man das Recht auf einen ordentlichen Arbeitsvertrag hat."

Genau das ist Carolinas Problem, aber die Papiere müssen warten. Erstmal fliegt sie nach Nicaragua. Ihre Schwester ist gestorben, sie wollte sie längst besucht haben. Nun reist sie voller Trauer, sucht Trost bei der Familie daheim. "Ich gehe, weil ich wieder zu mir selbst finden muss. Mir fehlt etwas, was ich dort habe. Und ich brauche endlich wieder das Gefühl, dass ich eine Identität habe. In Spanien habe ich die im Moment nicht."

Soledad hat in Spanien Fuß gefasst, hat einen Verein gegründet, der Migrantinnen berät. Ohne die "Internas", sagt sie, könnten spanische Frauen sich kaum so emanzipieren. "Hausangestellte spielen eine bedeutende Rolle im Betreuungssystem, denn andernfalls wären viele berufstätige Frauen nicht in der Lage, arbeiten zu gehen. Das können sie nur, weil wir – die Lateinamerikanerinnen – da sind." Bei einer Veranstaltung in Madrid tauschen sie sich über die Arbeitsbedingungen der Internas aus. Es wurden Vorschriften verbessert, aber die Politik tue noch nicht genug für sie, klagen Soledad und ihre Kolleginnen und fordern: gleiche Rechte für alle, Tag für Tag!

Autorinnen: Kristina Böker, ARD-Studio Madrid und Marie-Kristin Boese, ARD Studio Mexiko

Stand: 25.02.2024 20:38 Uhr

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