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Türkei/Syrien: Erdogans Kampf gegen die Kurden

PlayEin geopfertes Schaf zur Versorgung der türkischen Soldaten
Türkei/Syrien: Erdogans Kampf gegen die Kurden | Bild: BR
Feiernde Zivilisten
Feiernde Zivilisten | Bild: BR

Sie zeigen das Handzeichen der Grauen Wölfe, einer nationalistischen türkischen Bewegung. Und sie feiern den Einmarsch ihrer Truppen nach Syrien. Wir befinden uns in Reyhanli, im Süden der Provinz Hatay, nur zwei Kilometer entfernt von der türkisch-syrischen Grenze und damit vom Konfliktgebiet: "Wir unterstützen hier unsere Soldaten, die die Militäroperation durchführen. Wir sind sehr froh darüber. Allah möge unseren Soldaten helfen!“ „Gott soll unsere Soldaten und unser Land schützen!"

Der Krieg gegen die Kurdenmiliz YPG mobilisiert auch ideologisch große Teile der Türkei. Seit neun Tagen fliegt die Luftwaffe Angriffe auf Stellungen der YPG in der syrischen Region Afrin. Türkische Haubitzen und Panzer feuern unentwegt von der Türkei aus Richtung Syrien. Ankara sieht die YPG und ihre politische Organisation PYD als syrischen Arm der PKK. Diese ist als Terrororganisation eingestuft, auch in der EU und den USA.

Ein Schaf als Opfer

Ein türkischer Soldat
Ein türkischer Soldat | Bild: BR

Zwischen schwerem Kriegsgerät: ein geschlachtetes Schaf. Alper Yigit, der in Deutschland, im Allgäu aufgewachsen ist, erklärt uns, was das soll: "Unser Glaube, unser Islam-Glaube: das ist so, dass wir jedes Mal, wenn wir ein Lamm schlachten für unsere Soldaten, dass das von unserem Herrn, von unserem Gott anerkannt wird." Denn das Blut des Lammes, so Alper, rette das Blut der Soldaten. Die Soldaten, das sind Türken, aber auch Kurden, von denen bis zu 20 Millionen in der Türkei leben. Einer davon gehört zu einer Einheit, die Panzerhaubitzen transportiert. Auf die Frage, ob die Operation gegen die Kurdenmiliz im syrischen Afrin die richtige Entscheidung ist, sagt er: "Ich kann dazu nichts sagen. Das ist eben meine Vaterlandspflicht. Ob es die richtige Entscheidung ist, weiß ich nicht."

Hilfe für syrische Flüchtlinge und Versehrte

Alper Yigit gehört zu einer Hilfsorganisation, die sich um syrische Kriegsflüchtlinge und Kriegsversehrte kümmert. Ein Flüchtling lädt Alper und seine Mitstreiter in sein Haus zum Tee. Alper sagt, er sehe die Politik des türkischen Staatspräsidenten Erdogan kritisch, doch dieser Krieg müsse sein: "Nicht nur in Syrien, die komplette Grenze von 900 Kilometern, sondern auch im Irak muss es geschehen. Sonst wird die Türkei keine Ruhe haben von der PKK und PYD. Es wird Zeit, dass die sozusagen ausgelöscht werden."

Ziel: Die Kurdenmiliz auslöschen

Seit Tagen spricht auch der türkische Staatspräsident von einer Ausweitung der Operation: Erdogan will die Kurdenmiliz in Nordsyrien auslöschen bis hin zur irakischen Grenze.

Die türkische Grenzstadt Kilis, wenige Kilometer von Syrien entfernt: Ein Totengebet vor der Haci Cümbüsch-Mosche. In der Nacht zuvor kamen zwei Männer bei einem Raketenangriff ums Leben. Die Bürger in Kilis sind besorgt: vor fast zwei Jahren feuerte der sogenannte Islamische Staat Raketen auf die Stadt. Jetzt wiederholt sich der Albtraum: "Wir leben in Sorge. Wir können eigentlich nicht mehr zu Hause bleiben. Die Kinder zittern vor Angst. Wenn ich darüber rede, rege ich mich vor Angst auf. Gott möge mit den Opfern Mitleid haben!"

Trauerfeier in Kilis
Trauerfeier in Kilis | Bild: BR

Die aus Syrien abgefeuerte Rakete schlug in der fast 400 Jahre alten Cakli-Mosche ein: Die beiden Männer wurden kurz nach dem Gebet getötet; das Gotteshaus: zerstört. Der türkische Staat beschuldigt die YPG, die Rakete abgefeuert zu haben. Die Kurdenmiliz bestreitet das. Der Imam der Mosche beschreibt den Angriff: "Wir waren etwa 30 Männer beim Abendgebet. 20 davon verlassen die Mosche kurz vor dem Einschlag. Als wir zu den Schuhen gehen, ich wollte schon meinen Umhang ablegen, explodiert es. Alles wird dunkel. Eine große Staubwolke. Zwei Minuten lang können wir kaum atmen. Als ich dann zu mir kam, dachte ich: Raus hier!"

Ein langer Krieg?

Die Kanonen feuern weiter. Der Krieg fordert mehr und mehr Opfer auf beiden Seiten. Einen schnellen Sieg kann Ankara nicht vermelden.

Alper Yigit und ein Flüchtling
Alper Yigit und ein Flüchtling | Bild: BR

Ein Heim für syrische Kriegsversehrte in Reyhanli: Neben Zivilisten liegen hier Kämpfer der protürkischen Freien Syrischen Armee. Alper Yigit kocht für die Männer und verteilt das Essen. Wir fragen ihn: "Wenn man so etwas sieht, dann kommt man auch ins Zweifeln, ob Krieg so das Richtige ist für die Menschen." Alper Yigit wird sehr ernst: "Krieg ist nie das Richtige, wie sie sehen: Ein Freund von uns aus Syrien. Schon älter muss in einem fremden Land, wie der Türkei, mit mehreren Personen in einem Zimmer übernachten, essen. Er hat keine Familie mehr. Das ist nur schrecklich."

Dennoch geht Alper Yigit von einem langen Krieg gegen die Kurdenmiliz aus. Denn in Ankara gibt es keine Zweifel. Die Operation Olivenzweig ist erst zu Ende, wenn die YPG und die PKK ausgeschaltet sind, heißt es von dort.

Autor: Oliver Mayer-Rüth, ARD Istanbul

Stand: 01.08.2019 01:05 Uhr

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