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Afghanistan - Speiseeis für den Frieden

Eisfabrik Herat

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Afghanistan - Speiseeis für den Frieden | Bild: Das Erste

Heute ist wirklich ein schöner Abend. Die Sonne wärmt. Alle zieht es nach draußen.

So sieht Frieden aus.

Aber wir sind in Afghanistan. Passt das zusammen?Herat überrascht uns.In dieser Stadt ist vieles anders. Vielleicht liegt es ja am Eis. Die Afghanen lieben es.

Hamid mit seinem Eiswagen
Hamid mit seinem Eiswagen


Der junge Hamid jedenfalls macht ein gutes Geschäft. Bei ihm geht es um Schokolade oder Vanille. Nicht um Krieg oder Frieden.

Hamid 

»Wir haben nicht nur Krieg hier. Die Menschen arbeiten, sie essen sogar Eis. Ich hoffe, dass der Frieden nach Afghanistan kommt. Und dann will ich noch mehr Eis verkaufen.«

Sie produzieren schon jetzt eine Menge davon, in der Fabrik am Stadtrand. Die Afghanen können einfach nicht genug bekommen. Die Maschinen laufen so schnell es geht.

6000 Portionen spuckt eine von ihnen pro Stunde aus. 50 Tonnen pro Tag. 22 Sorten. Schokolade, Orange, Wassermelone. Das Safran-Eis soll der absolute Renner sein. 300 Mitarbeiter hat die Firma jetzt. Und was uns auffällt: Viele Frauen.

Fatima zum Beispiel. Sie kann es immer noch kaum glauben. Dass sie wieder Arbeit hat. Doch genauso kam es, endlich verdient sie wieder Geld. Eine Eisfabrik hier in Afghanistan zu finden, damit hätte sie nie gerechnet.

Fatima - Arbeiterin

»Als ich erfuhr, dass ich die Arbeit hier bekomme, war ich so froh. Ich konnte meine Tränen nicht zurückhalten. Ich komme jetzt täglich und ich kann meine Kinder ernähren. Mein Leben hat sich verändert, ich bin stolz.«

4 Millionen Euro Umsatz bringt das Eis ein. Gigantisch in Afghanistan.

Der Unternehmer Fasl Ahmad gründete eine Eisfabrik. Mit der Produktion seiner vielen verschiedenen Eissorten, schafft er Arbeitsplätze, die, vor allem auch den Frauen, ein bescheidenes Einkommen sichern.
Der Unternehmer Fasl Ahmad gründete eine Eisfabrik

Und es begann mit paar Kilo Milch. Damals waren die Taliban gerade gestürzt und Faiz Ahmad kehrte aus Pakistan zurück. Er erinnerte sich, dass die Afghanen gern Eis essen. Und machte daraus ein Geschäft. Ein Abenteuer, noch immer.

Der Strom kostet viel und fällt immer wieder aus. Aber er gibt nicht auf, er will für sein Land etwas erreichen.

Faiz Ahmad Faizi - Fabrikgründer

»Die Regierung muss uns helfen. Dann können wir Arbeit in Afghanistan schaffen, Für die, die sonst in den Bergen bei den Aufständischen sitzen. Ich hoffe, die Menschen kommen lieber zu uns. Wir geben ihnen Jobs. Denn wer keine Arbeit hat, schließt sich den Aufständischen an.«

Eis bringt Frieden, will er sagen. Vielleicht ist da was dran. Die blauen Lastwagen zumindest scheinen einen Schutzengel zu haben. Faiz Ahmad und seine Leute bringen das Eis in alle Provinzen. Auch dorthin, wo es sehr gefährlich ist. Wo die Taliban besonders stark sind, verkauft die Eisfabrik am besten.

Fasl Ahmad - Fabrikgründer

»Wir fürchten uns nicht vor den Taliban. Wir liefern doch auch zu ihnen. Und ja: Auch die Taliban essen unser Eis.«

Wir treffen Hamid wieder. Seit dem frühen Morgen zieht er herum. Sein Eiswagen ist einer von 1000 in Herat. Oft sind es Jungen, noch Kinder, die die Arbeit machen. Müssten die nicht in der Schule sein, fragen wir uns?

Bei ihm geht es um Vanille oder Schokolade, nicht um Krieg oder Frieden. Der Dreizehnjährige Hamid verkauft Speiseeis in der afghanischen Stadt Herat .
Der Dreizehnjährige Hamid verkauft Speiseeis in der afghanischen Stadt Herat

Hamid ist 13. Als die Taliban gestürzt wurden, war er fast noch ein Baby. Heute ist er ein Kind, das erwachsen sein muss.

Hamid

»Ich kann nicht zur Schule gehen. Zu Hause sind wir zu zehnt. Ich muss doch diese Arbeit machen. Wie soll ich da lernen? Ich wäre gern zur Schule gegangen. Aber daraus ist nichts geworden.«

Seine Eltern haben keine Arbeit. Hamid ist der älteste Sohn, also trägt er die Verantwortung. Wenn es gut läuft, bringt er 200 Afghani - keine 3 Euro - pro Tag nach Hause.

Auch in Herat ist eben längst nicht alles gut. Aber hier gibt es immerhin Arbeit. Den Menschen geht es besser. Ein Viertel der afghanischen Steuereinnahmen kommen aus dieser Provinz.

Schichtwechsel in der Eisfabrik. Fatima und ihre Kollegin haben Feierabend. Manches ändert sich sehr langsam in Afghanistan. Auch wenn es nicht auf den ersten Blick auffällt. Fatima ist eine moderne Frau.

Fatima - Arbeiterin

»Als die Taliban hier waren, mussten Frauen zu Hause sitzen. Wir wurden bestraft. Jetzt haben wir doch viel mehr Freiheiten.«

Hamid trägt den Namen des Präsidenten. Von Hamid Karzai in der Hauptstadt Kabul hat er gehört. Er denkt auch, dass der einen guten Job macht. Aber Vertrauen in die Zukunft hat der 13-Jährige nicht.

Hamid

»Ich habe große Angst. Wenn der Krieg startet. Was die Menschen dann machen. Alles wäre dann wieder zerstört.«

Der Frieden ist brüchig. Auch in Herat. Das Land hat so viele Probleme. So viel Eis können sie gar nicht essen. Auch wenn sie sich das wünschen würden.

Autor: Gábor Halász

Stand: 15.04.2014 11:03 Uhr

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Westdeutscher Rundfunk
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