Druckfrisch-Musiker: HAEVN

Druckfrisch-Musiker: HAEVN | Video verfügbar bis 30.10.2028 | Bild: ARD

Normalerweise ist es eine wahre Freude, über die Musik der "druckfrisch"-Sendungen zu schreiben: hier eine Anekdote, dort eine kleine Merkwürdigkeit und abschließend ein Lob … Diesmal wird unser Regisseur zum Sokrates und muss bekennen, dass er kaum etwas weiß. Schon die "Musiker des Monats" HAEVN erschienen plötzlich in der Sendung. Das Mangement hatte angefragt, die Musik ward für "druckfrisch"-tauglich befunden, das Team reiste an, die Musiker waren ausgesprochen freundlich und freuten sich, sie kürzten brav ihr Lied und alles war phantastisch. Alles in allem war HAEVN wie eine Erscheinung. Plötzlich da und groß und den Song "The Other Side Of Sea" ("If you want you can be free") liebten wir sofort. Schon waren sie wieder weitergezogen auf ihrer Tournee. Aber wer sind diese phantastischen Holländer? "Hi, I’m Marijn" sagte der Sänger, "Hello, Jorrit" stellte sich der Filmmusik-Komponist rechts am Klavier vor. Mit dem Cellisten hatten wir schon am Eingang rumgealbert. So schön und einfach kann alles sein.

Noch weniger wissen wir über den funky Song, bei dem im Trailer selbst die Zebrastreifen zu tanzen beginnen. Er heißt – soviel ist klar – "Everybody get down" (wie sonst). Da wo wir ihn in den Weiten des Netzes gefunden haben, war das Plattenlabel von 1981 abgebildet, auf dem als Interpret ein gewisser "Avonn" vermerkt war. Das rührt daher, weil als Komponist dieses Knallers ein gewisser Avonn MacDougal angeführt wird. Von diesem allerdings gibt es nur diese eine Platte aus dem Jahr 1981, die als einzige 12“–Veröffentlichung bei einem Label namens RBL Records & Tapes aus der Nassau Street in New York City erschienen ist, das ansonsten offenbar nicht in Erscheinung getreten ist. Was es nicht alles gibt. Aber grandioser Titel.

Der Song "When It’s Raining in Texas (It Snows in Berlin)" hat eine der betörendsten Melodien der Welt. Seit der Sendung schwirrt er durch die Gehirne aller Mitwirkenden. Über ihn wissen wir einiges sogar aus erster Hand: Zuerst veröffentlicht wurde er 1995 von der amerikanischen Neo-Country-Superband "Cracker", deren Mastermind John Lowry damals mit der Münchner Band "FSK" zusammen arbeitete, was die transatlantische Thematik des Songs ebenso erklärt wie das Jodelsolo in der Mitte des Songs, das man sich unbedingt anhören sollte (leider nicht in der Sendung). FSK haben den Song mit Lowry dann selbst auf einer ihren vielen CDs veröffentlicht und derzeit spukt er wieder durch die Republik, weil die "Hochzeitskapelle" (mehr von ihr in der nächsten Sendung) ihn als Rumpeljazz-Schnulze jüngst gecovert haben. Einen Jodel darauf, dass es am Rhein bald einmal schneit.

Dann wieder großes Unwissen und ebenso großes Staunen über "Die Zorros". Selbst nennt sich die Band aus dem Umfeld des Berner Labels Voodoo Rhythm Records "The Kings of Low". Ihre Spezialität sind Cover völlig unhörbarer Songs wie "Final Countdown", "Summertime" oder gar "Stairway to Heaven". In "druckfrisch" geben sie "Ti Amo" zum Besten, das wir nie, nie, nie gedacht hätten auf unserer Playlist zu finden. Angeblich geben sich die Zorros im Studio genau 15 Minuten Zeit für jeden Song. Ihnen ist es auch egal, wenn sie sich nur ungenau an ihn erinnern und es werden nie, nie nie zwei Versionen eingespielt. Phantastisch. Das ist "druckfrisch"! Zorros, bitte rettet die Welt!

Und damit zu Ren Gill, der nachdem er eine unerkannte Borreliose-Infektion knapp überlebt hat, erst sein Seelenheil und dann den Rap im Alleingang rettet. Sein Schicksal ist derzeit in aller Munde. Sein Album "Sick Boy" in England Platz eins. Der Interpret in Kanada zwischen zwei Infusionen. Lange haben wir nicht solche Kraft in der Musik gespürt wie hier. Sein autobiographischer Titel "Hi Ren" ist vor Intensität kaum auszuhalten. Im "druckfrisch"-Abspann erklingt die vierte Folge seiner Songfolge "Love Music". Auch die Teile 1 bis 3 sind empfehlenswert, wie überhaupt alles von diesem Alleskönner. Die Musik lebt.

Andy Ammer

Stand: 01.11.2023 12:31 Uhr