So., 19.11.23 | 23:35 Uhr
Das Erste
Empfehlung von Denis Scheck: "Immer nach Hause" von Ursula K. Le Guin
"Die Leute in diesem Buch könnten einst lang, lang nach unserer Zeit in Nordkalifornien gelebt haben werden." Mit diesem Hammersatz beginnt der Roman "Immer nach Hause" von Ursula K. LeGuin. Schon die eigentümliche Verschränkung von Futur II und Perfekt macht klar: hier wird eine Geschichte erzählt, die einesteils unserer Zeit weit entrückt ist und gleichzeitig von menschlichen Universalien handelt. "Immer nach Hause" erzählt vom Volk der Kesh, die in Nordkalifornien in der Gegend des früheren Napa-Valley leben – lange nachdem unsere Zivilisation untergegangen ist. Eine Anthropologin namens Pandora studiert diese Menschen, ihre Lebensweise, ihre Geschichten, ihre Mythen, Musik und Poesie. "Immer nach Hause" ist ein reiches und wildes Buch: die unterschiedlichsten Textsorten ergeben einen ganzen literarischen Kosmos. Gedichte sind darin enthalten, Erzählungen, Lieder, ein Kurzroman, Dramen und Märchen.
"Immer nach Hause" ist das Hauptwerk der großen, immer wieder für den Literaturnobelpreis gehandelten Ursula K. LeGuin. LeGuin, selbst Tochter eines berühmten Anthropologen, starb 2018. Die Kesh aus "Immer nach Hause" machen vieles anders und besser als wir. So lehnen sie als Sammler-und-Jäger-Anarchisten unsere Vorstellung von Städten, Verwaltung und Regierung strikt ab. Ihr Glück hängt an ihrer geringen Besiedlungsdichte, die sie dank einiger ihre Fortpflanzung einschränkender Gendefekte und einem Tabu auf Familien mit mehr als zwei Kindern erreichen. Im Original erschien dieser Roman 1985, doch er könnte nicht aktueller sein. "Immer nach Hause" hat das Potential, zu einem "Herrn der Ringe" einer ökologisch alarmierten Generation zu werden. Also vertrauen Sie mir, ich weiß, was ich tue, und lesen Sie Ursula K. Le Guins "Immer nach Hause", erschienen in der deutschen Überstetzung von Matthias Fersterer, Karen Nölle und Helmut W. Pesch im neu gegründeten Carcosa Verlag.
Stand: 20.11.2023 11:43 Uhr
Kommentare