So., 19.11.23 | 23:35 Uhr
Das Erste
"Alle meine Geister" von Uwe Timm
Es wirkt wie eine Welt weit vor unserer Zeit. Dabei ist es nur die Welt des heranwachsenden Uwe Timm in den 1950-er Jahren. Damals macht er eine Lehre zum Kürschner. Sortiert Persianer-Felle – und liest zwischendrin heimlich Bücher. Es ist die Zeit, als feine, aber auch nicht so feine Damen noch Pelze tragen. Als sich kaum jemand Gedanken um Tierschutz macht oder das Tragen eines Hermelinmantels lange nicht als anstößig empfunden wird. Allein in Hamburg gibt es mehrere große Salons mit angeschlossenen Werkstätten.
Und auch der junge Uwe Timm ist dazu bestimmt, das Geschäft "Pelze Timm" von den Eltern zu übernehmen. Aus dieser Zeit erzählt der Schriftsteller in seinem neuen Buch. Kein Roman, keine echte Autobiographie ist das. Sondern eher ein Erinnerungsversuch. Mal tastet er, wie es gewesen sein könnte. Mal sind es Erinnerungsfetzen, dann wieder romanhafte Erzählpassagen. Denn "Erinnern ist ein merkwürdiges Vergessen", schreibt Timm in seinem geistreichen Buch, das die Wirtschaftswunderjahre mitsamt seiner kuriosen Gestalten auferstehen lässt. Das aber auch Einblick gibt in das Seelenleben eines Heranwachsenden, der über Umwege zur Literatur findet.
Im Sortierzimmer für Pelze geht es schließlich ruhig zu. Und Timm liest unter dem Arbeitstisch Romane von Salinger oder Camus, Werke, die den späteren Bestseller-Autor fürs Leben prägen.
Stand: 19.11.2023 17:00 Uhr
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