So., 21.04.24 | 23:55 Uhr
Das Erste
Matthias Jügler: "Maifliegenzeit"
Bis heute ist umstritten, ob es in der DDR ein System von Kinderraub gab. Belegt sind einzelne Fälle. Die Zahl unbewiesener Verdachtsfälle reicht in die Tausende. Matthias Jügler lotet dieses dunkle Kapitel der Geschichte in seinem bewegenden Roman aus.
Es ist der Albtraum aller Eltern: Nach der Geburt teilen die Ärzte mit, dass das soeben entbundene Kind gestorben sei. Katrin und Hans erleben diese Tragödie in den 70-er Jahren unweit von Leipzig. Katrin hegt fortan Zweifel, hatte der Säugling doch gerade noch kräftig geschrien. Hans dagegen ergibt sich in die unabwendbaren Umstände, schaufelt selbst das Grab aus, erledigt die Formulare. Lange nach der Wende, Katrin ist längst gestorben, erhält Hans einen Anruf, der ein ungeheuerliches Verbrechen zu Tage befördert.
Matthias Jügler kontrastiert die lange Suche nach dem verlorenen Sohn mit den Angel-Erlebnissen von Vater Hans. Es ist die zweite Ebene im Roman. Einerseits fesselnde Naturbeschreibung, andererseits Gleichnis, das viel über die Kunst der Geduld, die Mühen der Ausdauer und die Wahrheit im Verborgenen erzählt. Wie viel Unrecht liegt in der Geschichte der DDR heute noch verborgen? Und kann man die Lügen, die einem erzählt wurden, jemals überwinden? Diese Fragen stellt Jügler in seinem zugleich spannend wie leise und einfühlsam erzählten Roman.
Stand: 21.04.2024 19:15 Uhr
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