Katar und der Terror: Warum Deutschland den Gastgeber der Hamas noch immer hofiert

Seit Jahren genießt Hamas-Chef Ismail Haniyya Unterschlupf im reichen Emirat Katar. Und: Katar unterstützt den Gazastreifen seit Jahren mit Millionen. Geld, von dem indirekt wohl auch die Hamas profitiert. Doch dann der Angriff der von Katar hofierten Hamas gegen Israel. Grund für das Emirat, seine Politik gegenüber der Terrororganisation zu ändern?

Offensichtlich nicht. Das Außenministerium Katars sieht „allein Israel“ als verantwortlich für die Eskalation. Was bedeutet das für die Beziehungen Deutschlands mit Katar? Am Donnerstag, nur wenige Tage nach den verheerenden Anschlägen in Israel, soll der Emir von Katar in Bundeskanzleramt zu Besuch sein. Wird sich die Politik der Bundesregierung gegenüber Katar verändern?

Text des Beitrags:


Ismail Haniyya, Anführer Hamas (Quelle: YouTube/4tv news channel): 
„Dieser Anblick, guckt mal. Die Jungs haben sich einen neuen Jeep geschnappt, einen israelischen Jeep.“ 

„Ja, ja, sie haben den Jeep zu uns gebracht.“ 

„Oh, Gott, vollständige deinen Sieg und deinen Ruhm für unser Volk und unsere Nation.“ 

Hamas-Funktionäre feiern ihre Kämpfer und beten. Unter ihnen: Ismail Haniyya, der Chef der Organisation. Die Hamas, seit gut 15 Jahren beherrscht die radikalislamische Organisation den Gazastreifen. Vom Westen ist sie als Terrororganisation eingestuft. Ihr erklärtes Ziel: die Vernichtung Israels. 

Der Angriff vom Wochenende. Diese Bilder zeigen zivile Opfer in der Stadt Sderot, nahe der Grenze zum Gazastreifen, nur wenige Stunden nach dem Angriff, den Ismail Haniyya als Sieg feiert. Diese Bilder sollen in Katar entstanden sein. Dort genießen er und seine Entourage seit Jahren Unterschlupf. Nach den jüngsten Angriffen verbreitet er auf dem staatlich finanzierten Sender Al Jazeera über Minuten seinen Hass auf Israel.  

Ismail Haniyya, Anführer Hamas (übersetzt; Quelle: YouTube/Al-Jazeera): 
„Verschwindet aus unserem Land und geht uns aus dem Weg, geht raus aus Jerusalem und aus unserer Al-Aqsa-Moschee. Wir wollen euch hier nicht sehen. Dieses Land gehört uns.“ 

Der Nahost-Experte Daniel Gerlach beobachtet seit Jahren die Politik Katars. Warum lässt sich Katar mit der Hamas ein? 

Daniel Gerlach, Nahost-Experte, "Candid Foundation":
Daniel Gerlach, Nahost-Experte, "Candid Foundation":  | Bild: SWR

Daniel Gerlach, Nahost-Experte, "Candid Foundation": 
„Die Kataris haben mit solchen Kräften wie der Hamas, auch mit den Taliban in Afghanistan, keinerlei Berührungsängste, weil sie sich als Mediationsmacht betrachten. Die Kataris haben in den letzten 20 Jahren auch viele islamistische Kräfte unterstützt oder zumindest ihnen eine Plattform gegeben, weil sie der Ansicht waren, dass das ein wichtiger Teil des Spektrums der Bevölkerung ist.“ 

Katar unterstützt die Hamas  

Und so kommt es auch zu solchen Bildern, aufgenommen mutmaßlich im März in Katar. Terrorchef Haniyya begrüßt Gäste zu einem Dinner an Ramadan. In Katar kann er sich offenbar frei bewegen und dankt seinem Gastgeber dafür. 

Ismail Haniyya, Anführer Hamas (übersetzt; Quelle: YouTube/Memri): 
„Danke, Katar, für diese noble Position.“ 

Es geht auch ums Geld. Katar unterstützt den Gazastreifen seit Jahren mit Millionen, zum Beispiel für Beamtengehälter. Geld, von dem indirekt wohl auch die Hamas profitiert.  

Er ist der unbestrittene Herrscher von Katar: Emir Tamim bin Hamad Al Thani. In den vergangenen Jahren trifft er sich immer wieder mit Hamas-Führer Haniyya - das Verhältnis offenbar herzlich. 

Doch dann der Angriff der von Katar hofierten Hamas gegen Israel. Grund für das Emirat, seine Politik gegenüber der Terrororganisation zu ändern? Offensichtlich nicht. Das Außenministerium sieht den Schuldigen woanders. Israel sei “allein für die aktuelle Eskalation verantwortlich.” 

Hier sieht man das ganz anders: Aus dem Bundeskanzleramt - Solidaritätsbekundung für Israel: 

Olaf Scholz, SPD, Bundeskanzler
Olaf Scholz, SPD, Bundeskanzler  | Bild: ARD

Olaf Scholz, SPD, Bundeskanzler (8.10.2023): 
„Ich habe heute Mittag mit Israels Premierminister Benjamin Netanjahu telefoniert und ihm versichert, dass Deutschland angesichts dieses furchtbaren Angriffs fest und unverbrüchlich an der Seite Israels steht.“ 

Katar wichtiger Handelspartner für Deutschland  

Und was heißt das für die Beziehungen mit Katar? Kann man mit einem Land weiterhin arbeiten, das sagt: Israel ist selbst schuld. Tatsache ist: Deutschland hat engste wirtschaftliche Beziehungen mit Katar. So hat Katar Milliarden in Deutschland investiert, ist wichtiger Anteilseigner bei Dax-Unternehmen, etwa bei VW. Und Deutschland will Gas aus Katar. Im vergangenen Jahr reist Bundeswirtschaftsminister Habeck dafür eigens in das Emirat. Auch Bundeskanzler Scholz hat sich bereits mit Emir al Thani getroffen. Nun wird bekannt: Am Donnerstag, nur wenige Tage nach den verheerenden Anschlägen in Israel, ist es wieder soweit. Der Mann also, der der Hamas Unterschlupf gewährt, kommt zu einem Mittagessen. In einer Pressekonferenz wird Scholz‘ Regierungssprecher mit dem Thema Hamas und Katar konfrontiert. 

Frage eines Journalisten: 
„Wird der Kanzler die Unterstützung Katars für die Hamas konkret ansprechen?“ 

Steffen Hebestreit, Regierungssprecher
Steffen Hebestreit, Regierungssprecher  | Bild: SWR

Steffen Hebestreit, Regierungssprecher (9.10.2023): 
„Ich gehe davon aus, dass er alle Themen, die diesem Zusammenhang zu stellen sind, auch dort ansprechen wird.“ 

Womöglich wird Katar auch noch gebraucht, etwa als Vermittler bei der Befreiung von Geiseln, die die Hamas in den Gazastreifen verschleppt hat.  

Emir-Besuch: Forderungen an Bundeskanzler Scholz  

Ronit Mazahn hat 30 Jahre lang israelische Sicherheitsbehörden beraten und findet, der Bundeskanzler müsse gegenüber Katar jetzt klare Worte finden. 

Ronit Mazahn, Sicherheitsexpertin, Universität Haifa
Ronit Mazahn, Sicherheitsexpertin, Universität Haifa | Bild: SWR

 Ronit Mazahn, Sicherheitsexpertin, Universität Haifa (übersetzt): 
„Katar sponsert Terrorismus - und zwar überall in der Welt. Der Kanzler trifft also den Emir? Dann muss er ihm sehr geradeaus sagen: Ihr könnt so nicht weitermachen, ihr müsst aufhören.“ 

Jürgen Hardt ist außenpolitischer Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion. Für ihn ist der Besuch des Emirs nur unter ganz bestimmten Bedingungen überhaupt gerechtfertigt:  

Jürgen Hardt, CDU, Außenpolitischer Sprecher CDU-Bundestagsfraktion:
Jürgen Hardt, CDU, Außenpolitischer Sprecher CDU-Bundestagsfraktion: | Bild: SWR

Jürgen Hardt, CDU, Außenpolitischer Sprecher CDU-Bundestagsfraktion: 
„Ich halte diesen Besuch nur dann für sinnvoll, wenn der Bundeskanzler zu dieser Frage der Hamas-Führung in Katar, eine klare Sprache findet. Die Sprache kann nur sein, dass Katar jetzt die Gelegenheit hat, sich angesichts dieser Zäsur in der Geschichte des Nahen und Mittleren Ostens, nämlich das, was die Hamas-Terroristen in Israel angerichtet haben, sich von dieser Verbindung zu trennen und sich den freien, zukunftsgewandten Kräften in der Region anzuschließen.“ 

Wir haken noch einmal nach. Wie wird sich die Politik der Bundesregierung gegenüber Katar verändern? Aus dem Kanzleramt heißt es, zu dem Thema habe der Regierungssprecher bereits alles gesagt. 

Stand: 31.10.2023 10:14 Uhr