Abzocke bei Solaranlagen: Unseriöse Firmen, geprellte Kunden

Die Nachfrage nach Photovoltaikanlagen in Deutschland ist groß. Viele Hausbesitzer wollen ihren Teil zur Energiewende beitragen und entscheiden sich für die Anschaffung einer Solaranlage. Doch für manche Hausbesitzer endet das Vorhaben im finanziellen Desaster.

Mittlerweile raten Experten und Verbraucherschützer zur Vorsicht und fordern strengere Kontrollen. Die Branche erlebe durch die Klimaziele der Bundesregierung einen Boom, den sich auch dubiose Firmen zunutze machen.

 Text des Beitrages:


Die Sonne scheint, doch Grund zur Freude hat Jascha Wiechelt aus Essenheim bei Mainz nicht. Denn obwohl er fast 200.000 Euro für eine Photovoltaikanlage ausgegeben habe - liegt auf dem Dach bis heute kein einziges Modul. 

Bestellt hat er bei der Firma Ein-Stein-Kompetenzzentrum. Er erzählt uns: 

Jascha Wiechelt, Geschädigter: 
„Wir hatten das Geld überwiesen und wurden von da an eigentlich nur noch vertröstet.“ 

Immer wieder seien Termine vereinbart und nicht eingehalten worden, erzählt Wiechelt. Irgendwann habe er aufgegeben und den Anwalt eingeschaltet. 

Jascha Wiechelt, Geschädigter
Jascha Wiechelt, Geschädigter | Bild: SWR

Jascha Wiechelt, Geschädigter: 
„Das ist auch was, wo man sich natürlich auch über sich selber ärgert, weil wir denen ja auch auf den Leim gegangen sind. Das sind Menschenfänger, die haben das wirklich gut gemacht, diese Präsentation, das war hochprofessionell, glaubwürdig. Das war schwierig zu durchschauen. Ich glaube, ich würde da wieder drauf reinfallen.“ 

 Anlagen auch nach Jahren nicht voll funktionstüchtig   

Schwere Vorwürfe, die Jascha Wiechelt erhebt, doch er ist nicht der einzige. Auch Thomas Hanna und seine Mutter im pfälzischen Grünstadt gehören zu den Ein-Stein-Kunden und haben rund 200.000 Euro für spezielle Solar-Dachziegel an das Unternehmen bezahlt. Mehrere Jahre ist das nun her. Montiert sind die hochpreisigen Ziegel mittlerweile, doch mit dem Anschluss der Elektrik hapert es weiterhin. 

Thomas Hanna, Geschädigter: 
„Dann kamen die Handwerker. Alle zwei Monate war mal wieder einer in Euphorie verfallen und hat als Subunternehmer angefangen und hat dann natürlich mitgekriegt, er kriegt kein weiteres Geld. Der kam nie wieder. Dann kam der nächste und so, das war Katastrophe.“ 

Mittlerweile liefert die Anlage zwar Strom, doch der wird lediglich ins öffentliche Netz eingespeist - für eine minimale Entschädigung. Für den Eigenverbrauch können die Hannas die Anlage bis heute aus technischen Gründen nicht nutzen.  

Wir finden weitere Betroffene. 17 Familien fühlen sich von Ein-Stein betrogen. Ihr Vorwurf: Insgesamt seien bei ihnen rund zwei Millionen Euro an Leistungen nicht erbracht worden. Und es soll zu Bauschäden, wie diesen, gekommen sein: Einen ganzen Winter musste eine Familie in ihrem Haus mit diesem Dach leben. Sogar ein Waschbär nistete sich ein. 

Wir fragen mehrfach bei der Firma an, erhalten jedoch keine Antwort. Auf der Webseite wurde bis vor kurzem um neue Kunden geworben. Wir stoßen auf dieses YouTube-Video der ehemaligen Geschäftsführerin aus dem Jahr 2021: 

Ehemalige Geschäftsführerin (anonym; nachgesprochen): 
„Ich habe den Umsatz verdoppelt.“ 

Mittlerweile hat die Firma Insolvenz angemeldet und die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die ursprüngliche Webseite ist vom Netz. Doch wir finden eine neue, mit ähnlichem Namen und gleichem Firmensitz. 

Experten fordern Auflagen bei der Montage 

Holger Laudeley, Photovoltaik-Gutachter
Holger Laudeley, Photovoltaik-Gutachter | Bild: SWR

Sind Vorkommnisse wie bei der Firma Einstein Einzelfälle? Nein, sagt Holger Laudeley. Er ist Gutachter für Photovoltaikanlagen und wird bei Rechtsstreitigkeiten beauftragt. Der Markt sei derzeit eine Goldgrube und locke viele dubiose und unqualifizierte Firmen an. 

 Holger Laudeley, Photovoltaik-Gutachter: 
„Wenn ich das erlebe, wie da gearbeitet wird, wie da gepfuscht wird. Es werden ja eklatante Grundregeln der Handwerkskunst außer Acht gelassen. Es werden eklatante Grundregeln der Elektrotechnik außer Acht gelassen. Heute darf jeder eine Photovoltaikanlage bauen, der irgendwie sich auf dem Dach festhalten kann. Und da müssen Regeln her.“ 

Ist das so? Wir fragen nach beim Bundeswirtschaftsministerium. Von dort heißt es, für den Verkauf von Photovoltaikanlagen seien keine „Qualifizierungsanforderungen bekannt“. Bei der Errichtung von Anlagen seien… 

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: 
…„die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten“. 

Für Experten der Branche nicht ausreichend, denn der Bedarf an Photovoltaikanlagen ist immens. Es gäbe gar einen Solarrausch - getrieben von der Bundesregierung und den Ländern, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Über 80 Prozent des Stromverbrauchs soll 2030 aus erneuerbaren Energien kommen. Ein Großteil von Photovoltaikanlagen.  

Bevor diese ans Netz dürfen, müssen Verantwortliche wie Sebastian Maier ihr Okay geben. Er arbeitet bei einem der rund 900 Netzbetreiber in Deutschland. Die müssen die Anlagen abnehmen, bevor der Strom ins Netz eingespeist wird. Wenn dann Fehler auftauchen, muss der Anschluss warten. 

Sebastian Maier, Aufsichtsratsvorsitzender Netze ODR GmbH
Sebastian Maier, Aufsichtsratsvorsitzender Netze ODR GmbH | Bild: SWR

Sebastian Maier, Aufsichtsratsvorsitzender Netze ODR GmbH: 
„Wir haben aktuell so circa zehn Prozent der Anlagen, wo wir einfach nicht in Betrieb nehmen können, weil sie technisch nicht so ausgestaltet sind, wie es unsere technischen Anschlussbedingungen fordern.“ 

Auch hier in Nordrhein-Westfalen warten zahlreiche Anlagenbesitzer - auf die Firma, die die Anlage fertigstellen soll. Neun Monate ist es nun her, seit Hausbesitzer Michael Hillers seine Anlage komplett bezahlt hat: rund 30.000 Euro. Trotzdem tut sich nichts mehr. 

Michael Hillers, Geschädigter: 
„Bislang habe ich nur die Module auf dem Dach, die den Strom erzeugen können und die ganze Elektrik fehlt mir. Ich habe keine Akkus, die den Strom speichern und ich habe auch keinen Wechselrichter, der den Strom einspeist. Im Grunde habe ich nur eine Attrappe.“ 

Hier im Keller müsste die Elektrik sitzen, doch die kam nie. 

Michael Hillers, Geschädigter
Michael Hillers, Geschädigter | Bild: SWR

Michael Hillers, Geschädigter: 
„Das Unternehmen hat seine Absprachen überhaupt nicht eingehalten. Es hat Geld kassiert und dann nichts mehr gemacht. Verzögert, auf E-Mails nicht reagiert, auf Anwaltsschreiben nicht reagiert und Quatsch erzählt.“ 

Hillers ist einer von knapp 50 Geschädigten aus verschiedenen Orten in ganz Nordrhein-Westfalen. Alles Kunden der Firma Bestsolar. Dass die Firma seine Anlage noch fertigstellt, glaubt er nicht mehr. Im Juni erreichte ihn ein Schreiben der Firma: Sie habe Insolvenz angemeldet. Doch laut zuständigem Amtsgericht liegt bis heute kein Insolvenzantrag vor. Wir wollen mehr über die Firma herausfinden. 

Nahe Bielefeld treffen wir einen Elektriker, der im Auftrag von Bestsolar die Anlagen anschließen sollte. Monatelang sei er nicht bezahlt worden. Deswegen habe er die Arbeiten eingestellt, erzählt er.

Unfertige Anlagen können zum Sicherheitsrisiko werden 

Eine Firma zu finden, die begonnene Arbeiten fertigstellt sei schwierig, da diese dann die Haftung übernehmen müsse. Daher stünden die Kunden oft alleine da, teilweise mit Sicherheitsrisiken auf dem Dach. 

Sven Nieder-Röhrmann, Elektrotechniker LEDs Perfect
Sven Nieder-Röhrmann, Elektrotechniker LEDs Perfect  | Bild: SWR

Sven Nieder-Röhrmann, Elektrotechniker LEDs Perfect:
„Die Solarbranche sollte ein bisschen mehr überwacht werden, weil hier geht es um Werte, im schlechtesten Fall geht das bis in die hunderttausend Euro. Und wenn das Firmen aufbauen, die im Endeffekt mit der Branche gar nichts zu tun haben, dann bleibt der Kunde am Ende auf einem Schaden sitzen und hat eine nicht lauffähige Anlage.“ 

Wir möchten mit den Verantwortlichen von Bestsolar sprechen. In diesem Gebäude soll die Firma sitzen: Hier werden Büroflächen auf Zeit vermietet. Doch seit einigen Monaten sei sie nicht mehr da, erklärt man uns. Auch telefonisch erreichen wir niemanden. Auf der Firmen-Homepage verspricht sie „schnellste Abwicklung“ und „hohe Qualität“, präsentiert sich eindrucksvoll als Werbepartner eines Profi-Fußballvereins. Doch unsere Recherchen ergeben ein eher zweifelhaftes Bild des Unternehmens. 

Von diesem Wohnhaus aus hatte der Mitarbeiter von Bestsolar, Yasin S., schon einmal eine Firma mit Photovoltaikanlagen betrieben und zahlreiche Kunden geschädigt. Eine Anfrage bei der Staatsanwaltschaft ergibt, dass er dafür verurteilt wurde, wegen… 

Staatsanwaltschaft Bielefeld: 
…„Betruges in 22 Fällen, Steuerhinterziehung in 7 Fällen und Untreue zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 6 Monaten“.  

Ausgesetzt zur Bewährung. Gegen das Urteil wurde Berufung eingelegt, zeitgleich eine neue Firma gegründet: die Bestsolar GmbH. Die Gründerin auf dem Papier: die Mutter von Yasin S. 34 Anzeigen liegen mittlerweile gegen das Unternehmen vor. Auf mehrfache Anfrage antwortet das Unternehmen nicht. 

Wir möchten herausfinden: Hat die Solarbranche deutschlandweit ein Problem? Wir fragen bei den verschiedenen Landeskriminalämtern nach. Genaue Zahlen gäbe es nicht, heißt es von den meisten Behörden, jedoch stelle man fest: 

LKA Nordrhein-Westfalen: 
„Die in der Bevölkerung aufkommende Sorge um die Energieversorgung werde von Täterseite offensichtlich ausgenutzt“. 

Verbraucherzentrale warnt vor unseriösen Anbietern  

Auch Matthias Bauer von der Verbraucherzentrale in Baden-Württemberg sieht massive Probleme bei den derzeitigen Angeboten von Photovoltaikanlagen. 

Matthias Bauer, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg
Matthias Bauer, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg | Bild: SWR

Matthias Bauer, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:  
„Die Firmen, die hier als grenzwertig sich zeigen, haben deutlich zugenommen. Manche haben auch ihren Namen geändert, nachdem wir sie abgemahnt haben. Aber die sind schon wieder auffällig. Also es hört nicht auf, das ist wie eine Hydra.“ 

Seriöse Handwerksfirmen seien oft weit im Voraus ausgebucht, erklärt Bauer. 

Matthias Bauer, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg:  
„Die Märkte sie sind zu heiß, die sind vollkommen überhitzt. Und deshalb entstehen solche Lagen. Dann kommen Nichtskönner auf den Markt, Pfuscher, ganz klar. Und es kommen natürlich auch grenzwertige Firmen auf den Markt, die Kasse machen wollen.“  

Die Solarpflicht habe das Problem verschärft: Sieben Bundesländer haben inzwischen eine solche Pflicht für Wohngebäude beschlossen, die je nach Bundesland bereits gilt, oder noch eintritt. Meist gilt: Wird dann ein Wohnhaus neu gebaut oder das Dach grundlegend saniert, muss auch eine Solaranlage installiert werden.  

Sind die Probleme in der Solarbranche in den Bundesländern bekannt? In einigen durchaus. So heißt es: 

Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen: 
„Probleme in der Praxis entstehen vor allem dadurch, dass Kunden eine Photovoltaikanlage nicht bei einschlägigen Handwerksbetrieben bestellen, sondern bei Firmen, die solche Anlagen lediglich vertreiben und ggf. noch befestigen.“ 

Wir konfrontieren auch das Bundeswirtschaftsministerium mit unseren Recherchen, erhalten jedoch keine Antwort. 

 Für Experte Laudeley unerträgliche Zustände. Ende des Jahres will er seinen Gutachter-Job an den Nagel hängen:  

Holger Laudeley, Photovoltaik-Gutachter: 
„Ich habe den Eindruck, dass die Politik nicht wirklich weiß, was sie da tut. Man will jetzt mit aller Macht die Energiewende durchführen, obwohl man die Arbeitskräfte nicht hat, obwohl man den nötigen Durchblick nicht hat. Wir sollen eine Photovoltaik-Pflicht machen, aber keiner sagt uns, wie wir es machen sollen in vernünftiger Qualität.“ 

Stand: 11.10.2023 15:16 Uhr