Kein Schutz vor Insolvenz: Käufer bei Baupleite ruiniert

Nach jahrelangem Boom schwächelt die Baubranche. Unternehmen sind insolvent - und reißen zum Teil die Wohnungskäufer und Häuslebauer mit in finanzielle Schwierigkeiten. Lösungen liegen seit Jahren in Berlin auf dem Tisch. Doch bislang ist nichts passiert. Experten, Verbände und Politiker fordern zügige Reformen.

Peter Ganzer, Wohnungskäufer:
„Dieser Traum wurde jetzt in der Tat zum Albtraum.“

Neuwied bei Koblenz. Auf dieser Baustelle geht es schon seit Monaten nicht weiter - für die Wohnungskäufer eine Katastrophe. Sie wissen sich nicht mehr zu helfen und haben einen Anwalt eingeschaltet. Eigentlich wollte Peter Ganzer mit der Wohnung fürs Alter vorsorgen. Sein Haus hat er extra verkauft, um sich die 250.000 Euro-Wohnung leisten zu können. Jetzt steht der Rentner vor dem nichts.

Peter Ganzer, Wohnungskäufer
Peter Ganzer, Wohnungskäufer

Peter Ganzer, Wohnungskäufer:
„Emotional leide ich sehr darunter. Ich war am Samstag hier auf der Baustelle mit einem Miterwerber und da dreht sich schon irgendwo der Magen um. Man geht mit dem Gedanken abends schlafen und wird auch mit dem Gedanken wach.“

So geht es noch sieben weiteren Käufern - viele sind Rentner. Aktuell wohnen sie in provisorischen Mietwohnungen. Alles nur, weil der Bauträger in finanziellen Schwierigkeiten steckt. Ein Problem: Denn ein Bauträger erwirbt im Auftrag der Kunden ein Grundstück und bebaut es. Erst mit Schlüsselübergabe bekommen die Käufer auch Wohnung und Grundstück überschrieben.

Doch wenn es wie hier nicht voran geht, könnte das Haus Schaden nehmen, ohne dass die Käufer eingreifen können.

Anwalt der Käufer:
„Das ist natürlich völlig desolat. Das sickert alles in die Tiefgarage rein.“

Für die Käufer ein finanzielles Desaster - das sich jetzt schon ein halbes Jahr hinzieht.

Rückblick: Im September sah die Baustelle genauso aus. Der Unternehmer stellte sich damals den Käufern.

Wohnungskäuferin (14. September 2023):
„Mir reichts wirklich. Und ich halte nicht mehr den Mund.“

Schuld seien die äußeren Umstände:

Unternehmer:
„Extrem hohe Baukosten, die sich jetzt mit dreifach, vierfach gestiegenen Zinsen, das zerschlägt fast jede normale Finanzierung. Deswegen ist der Bausektor, sprich auch der Verkauf von Eigentumswohnungen, ziemlich zum Erliegen gekommen.“

Jetzt antwortet der Unternehmer, man versuche durch Immobilien- und Grundstücksverkäufe wieder liquide zu werden. Die Einschätzung des Anwalts der Käufer:

Christoph Schöll, Rechtsanwalt/Vorsitzender Haus und Grund Rheinland-Pfalz
Christoph Schöll, Rechtsanwalt/Vorsitzender Haus und Grund Rheinland-Pfalz

Christoph Schöll, Rechtsanwalt/Vorsitzender Haus und Grund Rheinland-Pfalz:
„Wenn er Geld hätte und zahlungsfähig wäre, dann würde er weiterbauen. Macht er aber nicht. Der Bau steht still. Wir haben Gläubiger, die kein Geld bekommen.“

Was heißt das für die Betroffenen? Anwalt und Käufer könnten erst aktiv werden, wenn wirklich Insolvenz angemeldet wird. Und dann ist fraglich, wie lange sich der Prozess hinzieht und was an zusätzlichen Kosten auf sie zukommt.

Pleiten in der Baubranche: Erst die Spitze des Eisbergs


Insolvenzen im Baugewerbe: Bundesweit finden wir vermehrt solche Fälle. Bauunternehmer, Bauträger und Projektentwickler gehen Pleite. Insgesamt meldeten im vergangenen Jahr 81 von 10.000 Unternehmen aus dem Baugewerbe Insolvenz an - deutlich mehr als im Durchschnitt der am häufigsten betroffenen Branchen.

Klaus Wohlrabe, Ifo-Institut München
Klaus Wohlrabe, Ifo-Institut München

Und das könnte laut Klaus Wohlrabe vom Ifo-Institut in München erst die Spitze des Eisbergs sein. Denn die Stimmung und die Aussicht sind so schlecht wie noch nie. Das Geschäftsklima gab im Januar noch einmal nach, wie er mit seiner monatlichen Umfrage herausfand - der niedrigste jemals gemessene Wert.

Klaus Wohlrabe, Ifo-Institut München:
„Insbesondere der Ausblick ist wirklich düster. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in der nahen Zukunft weitere Baufirmen Pleite gehen, weil halt die Aufträge zurückgehen, sie Stornierungen haben und die Finanzierungskosten hoch sind. Es kann also sein, dass noch das eine oder andere Unternehmen nicht überleben wird.“

Torsten Theiß, Wohnungskäufer:
„Keiner hat noch Zeit oder Lust, weiter zu warten.“

Torsten Theiß, Wohnungskäufer
Torsten Theiß, Wohnungskäufer

Wenn Bauträger Pleite gehen, können sich die Verfahren über Jahre hinziehen - wie in Mannheim. An die 100 Wohnungseigentümer protestieren hier Ende Februar vor ihren nicht fertiggebauten Wohnungen. Der Bauträger meldete vor drei Jahren Insolvenz an. Doch noch immer können sich Banken und ein neues Bauunternehmen nicht auf ein Vorgehen einigen. Wahrscheinlich ist, dass es für alle hier teurer wird.

Auch für das Ehepaar Theiß. Die neue Einrichtung lagert schon seit Jahren in Kisten. Zinsen und Kosten für den Anwalt werden mehr. Insgesamt kämen sie so auf rund 60.000 Euro, die sie zum Fenster rausgeschmissen hätten.

Torsten Theiß, Wohnungskäufer:
„Man geht damit ins Bett, sieben Tage die Woche. Das belastet mich nervlich, sodass ich Blutdrucktabletten mittlerweile nehme und wenn wieder schlechte Nachrichten kommen, relativ schnell krank werde.“

Dabei ist die neue Wohnung fast fertig - und zum Greifen nah. Mit einem Einzug rechnen Sie aber frühestens nächstes Jahr, wenn nicht wieder etwas dazwischenkommt.

Torsten Theiß, Wohnungskäufer:
„Ich verfluche den Tag, wo ich unterschrieben habe. Man ist machtlos. Wenn man sieht, was in Deutschland möglich ist mit einem Insolvenzverfahren, wie lang sich sowas ziehen kann und man machtlos ist, werde ich das nie mehr machen.“

Experten sehen politischen Handlungsbedarf


Manuela Reibold-Rolinger, Rechtsanwältin:
„Familien kommen in existenzielle Notlagen.“

Manuela Reibold-Rolinger, Rechtsanwältin
Manuela Reibold-Rolinger, Rechtsanwältin

Rechtsanwältin Manuela Reibold-Rolinger hilft, wenn Bauträger oder Bauunternehmer Pleite gehen. Oftmals werde das nämlich für die Käufer teuer. Wie für Anke Kieltyka-Salimi aus Neuberg bei Hanau. Viele würden teilweise im Voraus und nach jedem Baufortschritt zahlen. Bei Insolvenz sei dieses Geld meist unversichert und weg.

Manuela Reibold-Rolinger, Rechtsanwältin:
„Der Schutz privater Bauherren, also der Verbraucher, ist vor allen Dingen in der Insolvenz überhaupt nicht gegeben. Meines Erachtens besteht vor allen Dingen im Bauträgerrecht großer Handlungsbedarf, weil ein Verbraucher bei einer Insolvenz eines Bauträgers wirklich Schiffbruch erleidet.“

Hier müsse das Bauvertragsrecht geändert werden. Bereits vor zehn Jahren wollte man in Berlin das Thema angehen. Das Bundesjustizministerium setzte eine Arbeitsgruppe daran, Vorschläge zu machen. Doch die Arbeiten wurden ausgesetzt. Erst unter der nächsten großen Koalition kam das Thema wieder auf die Agenda. Und wurde sogar im damaligen Koalitionsvertrag wieder aufgenommen. Die Arbeitsgruppe gab 2019 eine Empfehlung ab, wie das Gesetz zu reformieren sei. Doch das SPD-geführte Ministerium schaffte es nicht, ein Gesetz auf den Weg zu bringen. 2020 wollte die FDP, damals in der Opposition, wissen, was los ist. Die Antwort: „Die Arbeiten an dem Vorhaben sind noch nicht abgeschlossen.“

Fast vier Jahre später bekommen wir von FDP-Justizminister Marco Buschmann fast dieselbe Antwort. Man prüfe noch und die Überlegungen seien nicht abgeschlossen:

Bundesministerium der Justiz:
„Das geltende Bauvertrags- und Bauträgervertragsrecht enthält bereits einen weitreichenden Schutz für den Fall, dass (…) der Unternehmer während der Bauphase insolvent wird. Verbesserungspotential gibt es womöglich (…) in dem Fall, dass das Bauvorhaben wegen Insolvenz des Unternehmers von diesem nicht fertiggestellt wird.“

Der grüne Regierungspartner findet dafür deutliche Worte - fordert auf, der Empfehlung der Arbeitsgruppe zu folgen: Entweder solle der Kaufpreis erst nach Fertigstellung der Wohnung fällig werden oder der Bauträger müsse eine Sicherheit stellen, für den Fall dass er Pleite geht. Lukas Benner:

Lukas Benner, B‘90/Die Grünen, Bundestagsabgeordneter
Lukas Benner, B‘90/Die Grünen, Bundestagsabgeordneter

Lukas Benner, B‘90/Die Grünen, Bundestagsabgeordneter:
„Ein Zögern des Justizministers ist ja noch nett formuliert, denn das Problem ist seit über zehn Jahren bekannt. Und jetzt, wo die Krise da ist, ist allerdringendster Handlungsbedarf. Jeden Tag warten kann hier für Familien, die sich den Traum einer Eigentumswohnung erfüllen wollen, die Privatinsolvenz bedeuten.“

Zurück bei Rechtsanwältin Reibold-Rolinger und ihrer Mandantin. Anke Kieltyka-Salimi wohnt mittlerweile in den eigenen vier Wänden - obwohl der Unternehmer, der mehrere Häuser gebaut hat, pleiteging. Sie baute teilweise auf eigene Kosten fertig. Und trotzdem steckt sie noch Jahre später im Insolvenzverfahren fest. Bald geht es für die Familie wieder vor Gericht.

Anke Kieltyka-Salimi, Wohnungskäuferin
Anke Kieltyka-Salimi, Wohnungskäuferin

Anke Kieltyka-Salimi, Wohnungskäuferin:
„Wir mussten feststellen, dass dieses Verfahren eben kein Ende findet und dass wir wahrscheinlich noch einige Jahre damit zu tun haben werden - und so nie zur Ruhe kommen werden.“

Noch einmal bauen komme für sie nicht mehr in Frage:

Anke Kieltyka-Salimi, Wohnungskäuferin:
„Der immense Stress, den wir hatten, die schlaflosen Nächte, die Existenzängste, dass meine Kinder geweint haben, immer mit ansehen mussten, wie viel wir auch mit dieser Situation beschäftigt waren, dass wir Lebensträume aufgeben mussten und dass wir einfach das Gefühl haben, wie so ein Hamster im Rad zu sein.“

 

Stand: 24.04.2024 13:56 Uhr