Tigermücke nicht ausreichend bekämpft – Gefahr durch Tropenviren steigt
Die exotische Tigermücke ist mittlerweile auch in Deutschland heimisch, im Südwesten leiden ganze Landstriche unter einer wahren Mückeninvasion.
Text des Beitrags:
Schlange stehen auf einem Mannheimer Wochenmarkt. Am Stand gibt es viel Redebedarf und Sorgen:
Tobias Kropatsch:
„Das tötet die Stechmückenlarven ab. Für andere Organismen macht es keinen Schaden. Sie können das Wasser auch zum Gießen verwenden, das ist alles gar kein Problem.“
Alle sind gekommen, um sich diese Tabletten abzuholen - ein Biozid, das Stechmückenlarven im Wasser abtötet. Auch die Larven der Asiatischen Tigermücke.
Eckhard Berg hat die tropische Stechmücke auch schon in seinem Garten entdeckt:

Eckhard Berg:
„In gewisser Weise hat man schon ein ungutes Gefühl, man hat ja auch erklärt bekommen, dass da möglicherweise Dengue-Fieber oder andere Krankheiten übertragen werden können durch die asiatische Tigermücke.“
Die asiatische Tigermücke - hier im Museum löst sie in 100facher Vergrößerung Faszination aus; in der freien Natur ist sie eine Gefahr. Sie ist winzig, aggressiv, und auch am Tag aktiv. Sie fliegt recht leise, kann sich so unbemerkt nähern und: zustechen.
Wenn die schwarz-weiß gestreifte Tigermücke vorher einen Menschen gestochen hat, der sich mit einem Tropenvirus infiziert hat, wird es gefährlich. Dann kann sie den Erreger weiterverbreiten.
Das geschieht bereits regelmäßig im nahen europäischen Ausland:
In Italien sind seit Jahresbeginn elf Menschen gestorben, nachdem sie sich nach einem Mückenstich mit dem West-Nil-Fieber infiziert hatten. Im vergangenen Jahr starben daran hier insgesamt 36 Menschen.
In Frankreich hat sich die Tigermücke stark ausgebreitet. Mehr als 60 Fälle des exotischen Chikungunya-Virus gibt es bis jetzt in diesem Jahr. Der Erreger hat sich vermutlich durch einen infizierten Reiserückkehrer verbreitet.
Mit Giftsprühaktionen in der Nacht versucht man hier, gegen die Tigermücke anzukommen.
Dass solche Ausbrüche schnell eskalieren können, zeigt die aktuelle Lage in Süd-China: Mittlerweile sind dort etwa 8000 Menschen von Chikungunya betroffen.
Wie hoch ist die Gefahr in Deutschland?
Jonas Schmidt-Chanasit ist Tropenmediziner, und seit Jahrzehnten mit der Erforschung von Mücken und den von ihnen übertragenen Viren beschäftigt.

Prof. Jonas Schmidt-Chanasit, Tropenmedizinier, Bernhard-Nocht-Institut:
„Dass wir früher oder später Chikungunya-Virus-Infektionen, Dengue-Virus-Infektionen in Deutschland sehen werden, halte ich für nahezu sicher.“
Schon vor zehn Jahren warnten Experten
Weil die Mücke sich in Deutschland immer weiter ausbreitet. Wie konnte es so weit kommen?
Schon vor knapp zehn Jahren berichtet Report Mainz über die Asiatische Tigermücke. Damals siedelten sich die ersten Populationen hier an.
Und Experten warnten:

Helge Kampen, Infektionsmedizinier, Friedrich-Loeffler-Institut, REPORT MAINZ 17.05.2016:
„Wir sind der Ansicht, dass man jetzt am Anfang handeln muss, zu einem Zeitpunkt, wo es so aussieht, als würde sie sich dauerhaft ansiedeln. Wenn wir abwarten, dann könnte es zu spät sein."
Forscher mehrerer Institutionen veröffentlichten damals ein Positionspapier: damit wollten sie Behörden und die Öffentlichkeit aufrütteln.
Die Karte zeigt, wie sich die Warnung der Wissenschaftler von damals jetzt in Realität umgesetzt hat: Waren damals nur kleine Gebiete betroffen und die Tigermücke noch nicht ansässig, verbreitete sich die Art in ganz Süddeutschland und rückte bis nach Berlin vor.
Der Virologe Jonas Schmidt-Chanasit hat die Wege der Asiatischen Tigermücke nach Deutschland über die Jahre verfolgt.
Prof. Jonas Schmidt-Chanasit, Tropenmedizinier, Bernhard-Nocht-Institut:
„Sie wurde ja das erste Mal 2017 im Weil am Rhein nachgewiesen an eine Autoraststätte. Und auch wir unter anderem haben dann eben die Ausbreitung der Tigermücke verfolgen können entlang der Autobahn in Südwestdeutschland. Sie scheint dann also von einer Autobahnraststätte zur nächsten mit den PKW gereist zu sein.“
Die Bekämpfung der Tigermücke ist teuer - für manche Kommunen zu teuer
Im Südwesten Deutschlands leiden schon heute ganze Landstriche unter einer wahren Mückeninvasion.
In der Stadt Ketsch am Rhein gehen deshalb Experten wie Hans Jerrentrup von der „Kommunalen Aktionsgemeinschaft zur Bekämpfung der Schnakenplage”, kurz KABS, gegen die Tigermücke vor.
Mit viel Kosten- und Personalaufwand versucht die Gemeinde, die Plage in den Griff zu bekommen. Fallen und ein Biozid, genannt BTI, sollen helfen.

Hans Jerrentrup, KABS e.V.:
„Wir haben in der regelmäßigen Bekämpfung mit sechs Bekämpfungsdurchgängen, 3200 irgendwas Grundstücke plus dann noch das Industriegebiet. Mit fast 30 Leuten, allein für die Gemeinde Ketsch, mit einem riesigen finanziellen Aufwand.“
Oberbürgermeister Wolfram Britz hat den Versuch, der Tigermücke in seiner Stadt Kehl durch solche Maßnahmen Einhalt zu gebieten, gestoppt.
Wir treffen den Oberbürgermeister in seinem eigenen Garten - auch der wird von der Tigermücke heimgesucht.

Wolfram Britz, parteilos, Oberbürgermeister Stadt Kehl:
„Wir versuchen, da gegenzusteuern, haben das auch schon Jahre gemacht. Wir sind jetzt aber wirklich an dem Punkt, wo wir sagen müssen, als Kommune werden wir es nicht gestemmt kriegen.“
Wolfram Britz bringt das Biozid BTI nun selbst in seiner Regentonne aus - so erhofft er es sich auch von den Bürgern seiner Stadt. Denn die Kosten, die die erfolglose Bekämpfung der Tigermücke verschlungen hat, kann die Kommune in diesem Jahr nicht mehr aufwenden.
Wolfram Britz, parteilos, Oberbürgermeister Stadt Kehl:
„Im Endeffekt waren's im letzten Jahr 125.000 Euro nur für die Tigermücke. Wenn wir das jetzt weitergeführt hätten, wär's dieses Jahr vermutlich eine Viertelmillion gewesen, eher mehr, mit dem Erfolg, dass wir sie trotzdem nicht unseren Bürgern vom Leib halten können. Es ist ja ein Problem, das das ganze Land hat, wenn nicht gar die ganze Republik. Und deshalb, glaube ich, muss es da auch eine konzertierte Aktion geben von allen Beteiligten.“
Die gibt es bisher aber nicht. Kehl ist nicht die einzige Stadt, die den Kampf nun in die Verantwortung ihrer Bürger übertragen hat.
Doch die kommen seit Jahresbeginn nur noch schwer an das Biozid, das gegen die Tigermücke hilft. Nicht etwa wegen einer Knappheit, sondern einer neuen Verordnung: So darf das Mittel nur noch von geschultem Personal herausgegeben werden.
Nicht hinnehmbar, finden die Gesundheitsminister der Länder, und fordern vom Bund eine Änderung. Federführend: der Baden-Württembergische Gesundheitsminister Manne Lucha.

Manne Lucha, B'90/Grüne, Gesundheitsminister Baden-Württemberg:
„Diese Umsetzung der Biozid-Richtlinie ist zu kompliziert und zu hochschwellig. Die Erfordernisse, die er abgeben darf, sind zu hoch. Wir brauchen eine bundesgesetzliche Regelung, wir haben einen einstimmigen Beschluss aller Länder, dass wir die Abgabe niederschwelliger machen.“
Das Bundesgesundheitsministerium erklärt auf Anfrage:
„Im Nachgang des genannten Beschlusses der Gesundheitsministerkonferenz hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) [...] eine Lösung gefunden, wie eine kommunale Abgabe von Bti-Tabletten kurzfristig und pragmatisch organisiert werden kann.“
Wie und wann diese Lösung umgesetzt wird, darauf geht das Ministerium nicht ein.
Könnte ein kleiner, einäugiger Krebs den Unterschied machen?
So lange will Biologe Norbert Becker nicht mehr warten. Der 76-Jährige arbeitet hier in Heidelberg zusammen mit einem Kollegen an einer Biowaffe gegen die Asiatische Tigermücke: dem sogenannten „Hüpferling”:
Die Kleinkrebse töten die Mücken im Larvenstadium. Denn das Biozid BTI allein wird seiner Meinung nach nicht die Lösung gegen die Tigermücke sein

Norbert Becker, Biologe:
„Wenn man die Hüpferlinge in die Regenfässer, die Massenbrutstätten der Tigermücken, einsetzt, fressen die über mindestens zwei Monate alle neu auftretenden Larven ab. Sodass man nur alle zwei Monate anstelle von jeder zweiten Woche bekämpfen muss. Also wir haben zum einen eine Einsparung von Personalmitteln natürlich und zum zweiten auch eine erhöhte Effizienz. Es ist eine nachhaltige, biologische Bekämpfung."
Könnte ein kleiner, einäugiger helfen, die Tigermücken-Ausbreitung einzudämmen? Denn ausrotten, da sind sich Experten sicher, wird man die Tigermücke in Deutschland nicht mehr.
Die Nachbarn Gregor Höfling und Eckhard Berg aus Mannheim sind sich der Gefahr durch die exotische Mücke bewusst. Deswegen werden hier selbst kleine Erfolgserlebnisse gefeiert:
„Gestern habe ich das erste Mal eine erwischt.“ – „Echt?“ – „Ja.“ – „Super!“
Die beiden Männer geben regelmäßig das Biozid in ihre Regentonnen. Damit ihr zuhause ein Ort der Sicherheit bleibt.
Eckhard Berg:
„Im Grunde will man das ja gar nicht so nah an sich dran gelassen, weil irgendwo wirst du ja verrückt, wenn du den ganzen Tag über dir Gedanken machen musst, ach Gott, mich hat jetzt wieder eine Schnake gestochen und werde ich morgen krank, also das macht ja keinen Spaß mehr.“
Stand: 10.09.2025 12:36 Uhr