So., 15.06.25 | 18:30 Uhr
Das Erste
Algerien: Wasserstoff für Europa
Bei Lena und Akbel steht regelmäßig "Grüner Wasserstoff" auf dem Stundenplan. Sie sind im sechsten Master-Semester an der technischen Universität Blida nahe Algier, angehende Chemie-Ingenieurinnen. Das ist hier keine Männerdomäne. Im Labor untersuchen die Studentinnen, welches Wasser zur Produktion von Wasserstoff geeignet ist. Ein wichtiges Experiment, denn für die Herstellung von Wasserstoff braucht man viel Energie, für grünen Wasserstoff grüne Energie. Die Studentinnen finden, ihr Land sei dafür prädestiniert. Mit Solarstrom Wasserstoff produzieren – klingt gut, aber wie weit ist Algerien? Wo sind Wasserstoff-Projekte? Das Energieministerium schickt uns Richtung Sahara.
Ein Land voll von Öl und Gas
Bisher lebt Algerien von fossilen Energien – hat Öl und Gas satt. Der Strom stammt zu 98 Prozent aus Gas. Über Pipelines exportiert das Land auch Gas nach Europa, ins nahe gelegene Spanien etwa.
Unter der grellen Wüstensonne ist es so heiß, dass die Bautrupps im Sommer nur bis elf Uhr vormittags arbeiten können. Gute Bedingungen für die vorerst größte Photovoltaik-Anlage Algeriens, erklärt der Ingenieur vom Staatsbetieb Sonelgaz. Auf zwei mal zwei Kilometern sind bisher nur die Verankerungen zu sehen, bald soll Strom fließen. Im größten Land Afrikas ist das Potential für grünen Strom riesig.
Aber wo und wie kann Algerien damit Wasserstoff produzieren? Wie weit Algerien damit schon ist, sollen wir in Oran am Mittelmeer erfahren. In diesem Industriegebiet laufen mehrere Pilotprojekte. Bisher produzieren sie hier vor allem Ammoniak, für die Chemieindustrie weltweit. Für Ammoniak braucht man - wie für Wasserstoff - viel Energie und Wasser. Ähnliche Komponenten, ähnliche Prozesse. Davon wollen sie hier profitieren. Würden die Unternehmen hier zusätzlich Wasserstoff produzieren, könnten sie ihn direkt nach Europa verschiffen. Spaniens Küste ist nur 200 Kilometer entfernt. Hier warten sie nur noch auf den Ökostrom, damit sich bald auch Wasserstoff nach Europa verkaufen lässt.
Das Medieninteresse algerischer Journalisten an den Energieplänen mit Deutschland ist riesig. Und umgekehrt? Ist Deutschland auch so euphorisch über den Partner Algerien? Bei der jüngsten Wahl waren kaum Gegenkandidaten zum Präsidenten zugelassen. Kritische Medien werden unterdrückt. Demokratie und Meinungsfreiheit sind nicht gerade Algeriens Kernkompetenzen, Energie zu liefern aber durchaus..
An der Uni in Blida wollen sie schnell sein. Schon im nächsten Semester soll hier ein eigener Master zur Wasserstoff-Produktion starten, gemeinsam mit der Uni in Esslingen.
Lena und Akbel wollen mit ihrem Knowhow etwas für ihr Land bewegen. Vorlesungsschluss für die Ingenieurinnen von morgen, derweil nähert sich Algerien Schritt für Schritt einer Energiewende, die für Europa wichtig ist.
Kristina Böker, ARD Madrid
Stand: 16.06.2025 10:46 Uhr
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