So., 01.06.25 | 18:30 Uhr
Dänemark: Härte statt Hygge
Wir sind auf dem Weg nach Ærø. Einer dänischen Insel in der Ostsee. Ein kleines Urlaubsparadies. In diesem Idyll treffe ich Alaa Douba und ihre Familie. Sie sind nach mehreren Jahren Bürgerkrieg in Syrien geflohen. Ihr Zuhause haben sie verloren, erzählt sie mir: "Wir kommen aus Aleppo. Das ist eine große Stadt in Syrien. Ærø ist klein und etwas isoliert. Aber meinem Mann wurde diese Insel zugeteilt, deshalb mussten wir hierher kommen. Er kam 2015 mit einem Boot über das Mittelmeer als Flüchtling."
Schon damals mussten sie zwei Jahre auf die Familienzusammenführung warten, erzählt Alaa. Heute ist das noch schwieriger. Das ist Mustafa Faqih. Alaas Mann. Wir treffen ihn in einem zugewachsenen Hinterhof. Er soll für den Besitzer den Garten in Schuss bringen. "Das ist harte Arbeit. Ich habe schon die ganze Wand von Gestrüpp befreit. Jetzt sind die Büsche dran", sagt er.
Mustafa erzählt mir, dass er gleich mehrere Jobs hat, um seine Familie zu versorgen. Alaa will Erzieherin werden. Würde Mustafa nicht arbeiten, könnten sie eine geringe Finanzhilfe beantragen. "Wie ist das mit eurem Status, ihr müsst auch arbeiten, oder?" "Wir wollen gern arbeiten. Wir wollen uns selbst versorgen. Wir wollen nicht einfach dasitzen und auf Hilfe warten", erklärt Alaa. "Ist es leicht, hier Arbeit zu finden oder war es schwer?" "Es war etwas schwierig, Jobs zu finden", sagt Mustafa und Alaa erzählt: "Wir wohnen hier auf einer sehr kleinen Insel. Hier gibt es nicht so viele Möglichkeiten. Aber wir haben alles gegeben. Wir kämpfen, wir wollen uns hier ein Leben aufbauen."
Strenge Asylregeln – Die Zukunft der Familie ist ungewiss

In den vergangenen zehn Jahren hat auch Mustafa miterlebt, wie sich das Land in der Asyl- und Migrationspolitik verändert hat. Seit 2015 erlässt Dänemark Dutzende neue Einschränkungen. An EU-Regeln sind sie, anders als Deutschland, dabei nicht gebunden. In der Asylpolitik hatte sich das Land einen Vorbehalt ausverhandelt. Asylsuchende bekommen nur das Nötigste. Sozialleistungen werden immer weiter gekürzt. Wer ins Land kommt, soll Dänisch lernen. Wer kein Recht auf Asyl hat, muss das Land schnell verlassen. Wer das nicht kann, landet in gefängnisähnlichen Ausreisezentren. Ministerpräsidentin Mette Frederiksen verschärfen 2019 noch einmal Regeln und Rhetorik: "Viel zu viele kamen hierher, wollten sich nicht integrieren, und wir haben die Dinge zu lange schleifen lassen."
Die Sozialdemokraten wollen so wenig Asylsuchende wie möglich. Wer doch kommt und bleiben darf, kann das nur noch für sehr begrenzte Zeit. Wir treffen Mustafa und seine Familie wieder. Mit den Söhnen Abdul und Ahmad spielen wir eine Runde Basketball. Die beiden waren noch Kinder, als die Familie von Syrien nach Ærø kam. "Fühlt ihr euch jetzt eigentlich mehr Dänisch oder mehr Syrisch? Das ist bestimmt schwer, oder?" "Ich glaube, ich fühle mich mehr Syrisch. Wir haben ja noch Freunde und Familie zuhause. Aber ich fühle mich auch Dänisch. Meine Freunde hier sind Dänen und mit denen bin ich ja am meisten zusammen. Also eigentlich ist es so halb halb", erzählt Ahmad und Abdul sagt: "Wir haben ja jetzt über die Hälfte unseres Lebens in Dänemark verbracht. Die Sprache gelernt, Freunde gefunden. Ich glaube, das wäre sehr schwer, zurückzugehen."
Eine Rückkehr nach Syrien kann sich die Familie derzeit nicht vorstellen. Ihre Heimat sei noch nicht sicher. Dänemark sieht das in Teilen anders und hat in der Vergangenheit schon Syrer ausgewiesen. Mustafa zeigt uns seine Aufenthaltsgenehmigung. Sie ist befristet. "Mai 26. Dann läuft diese Karte aus. Dann brauchst du wieder eine neue?" "In Dänemark habe ich nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Alle zwei Jahre muss sie verlängert werden", sagt Mustafa. "Die Dänen stellen hohe Anforderungen an eine Aufenthaltsgenehmigung. Man ist die ganze Zeit unter Druck und Stress", erklärt Alaa.
"Und trotzdem sagt Dänemark: Wir können nicht allen helfen, wir sind ein sehr, sehr kleines Land. Könnt ihr das nachvollziehen, dass dieses Land eine Grenze setzt bei Migration und Asylanträgen?" "Ja, da stimme ich sogar zu. Aber wenn man uns schon mal aufgenommen hat, und wir uns ein Leben aufgebaut haben, wir arbeiten, dann sollten wir auch bleiben dürfen", sagt Alaa. Ein Leben auf Abruf. Ihre Zukunft auf Ærø bleibt ungewiss. Dauerhaft in Dänemark bleiben – das dürfen nur die wenigsten
Autor: Christian Blenker - ard Stockholm
Stand: 01.06.2025 22:28 Uhr
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