So., 01.06.25 | 18:30 Uhr
Israel: Sderot – Kriegstourismus und Proteste
Eine Straße im Süden von Israel, nah am Gazastreifen. Diese Gruppe von Israelis will gleich einen Transport stoppen. Der hier humanitäre Hilfe nach Gaza bringen soll. Reut BenHaim, nationalreligiös, organisiert solche Proteste seit Monaten. Ein Interview will sie nicht geben. Hier sind sich alle einig: Die Hilfslieferungen dienen nur der Hamas, um weiter Krieg gegen Israel zu führen. "Wenn wir wirklich einen Feind bekämpfen, sollten wir dem doch keinen Treibstoff gegeben, mit dem er unsere Soldaten töten kann und unsere Bürger. Wir sind hier im Dienst des Volkes und wir sind hier, um gegen diese falsche Moral, dieses verzerrte Bild zu demonstrieren", sagt May Igal.
Die Vereinten Nationen haben mehrmals betont, ihre Hilfe gehe nicht an die Hamas. Hier glauben sie das nicht. Auch die Humanitäre Katastrophe in Gaza ist kein Argument. "Kein Truck geht durch, bis alle Geiseln zurück sind!", ruft eine Gruppe Israelis. Gleich soll der erste LKW hier ankommen. Etwa 200 Kilometer weiter nördlich, Haifa. Samstagnachmittag. Hunderte gehen auf die Straße, Jüdische und arabische Israelis. Auf ihren Plakaten: Palästinensische Kinder, die laut Medien bei israelischen Angriffen getötet wurden. Adi Ronen spricht von einem Völkermord.
Der Krieg in Gaza müsse aufhören, um das Leiden der Menschen dort zu beenden. "Den Menschen wird langsam bewusst, wie hoch die Opferzahl ist. Ich beschäftige mich mit den Zahlen und veröffentliche sie. Jeden Tag veröffentliche ich die Zahl der Kinder, die getötet wurden. Ich schreibe ihre Namen auf und setze ihre Bilder dazu, und ich hoffe, dass es die Menschen zu mehr Mitgefühl bringt", erzählt Adi Ronen Argov.
Ein Krieg, zwei Lager
Tel Aviv, Samstagabend. Einmal pro Woche protestieren hier Tausende Menschen. Für sie zählt vor allem das Schicksal der Geiseln. Ihr Vorwurf: Premier Netanjahu opfere sie, ziehe den Krieg in die Länge. Seit Monaten richten sich ihre Appelle an US-Präsident Trump. "Zwingt Netanyahu, den Krieg zu beenden und einen Geiseldeal abzuschließen, um alle zu befreien. Es ist der einzige Weg um alles Leid zu beenden. Der einzige Weg um alle Geiseln zu befreien. Der einzige Weg, dass ich meinen Sohn Nimrod wieder sehe", sagt Yehuda Cohen.
Zurück zur Straßenblockade im Süden. 30 Minuten lang haben die Kriegsbefürworter diesen Hilfs-LKW für Gaza blockiert. Am Ende müssen sie ihn passieren lassen. Für einen israelischen Panzer, der ebenfalls Richtung Gaza-Grenze fährt, gibt es Applaus. Im Gazastreifen selbst bleibt die Lage katastrophal. An den neu eingerichteten Verteilzentren einer privaten amerikanischen Stiftung kommt es noch immer zu Chaos – die Vereinten Nationen kritisieren die Hilfe als zu gering. Das israelische Militär hat indes für weitere Gebiete im Gazastreifen neue Angriffe angekündigt.
Autor: Christian Limpert / ARD Tel Aviv
Stand: 01.06.2025 22:27 Uhr
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