Antworten auf häufig gestellte Fragen

Zum Dokumentarfilm im Ersten "Elternschule"

Das Konzept der im Film gezeigten Klinik in wenigen Worten

Die Klinik beschreibt ihr Konzept so: "In der Pädiatrischen Psychosomatik, Allergologie und Pneumologie der Kinder- und Jugendklinik Gelsenkirchen werden psychosomatische Erkrankungen sowie krankhafte Verhaltensauffälligkeiten im Rahmen einer umfassenden stationären Komplextherapie (Multimodale 3-Phasen-Therapie) behandelt.  Die Therapie, die sich an Säuglinge, Kinder und Jugendliche (0 bis 17 Jahre) richtet, dauert in der Regel 3 Wochen. Die Hauptbezugsperson des Kindes wird dabei stationär mit aufgenommen und in das Behandlungsprogramm integriert. Ziel der Therapie ist, neben der Beseitigung des akuten Störungsbildes, vor allem die nachhaltige Stabilisierung der kleinen Patienten und die Wiederherstellung des ursprünglichen Gesundheitszustands." (Ausführliche Informationen finden sich auf der Website der Kinder- und Jugend­klinik Gelsenkirchen-Buer)

Werden Eltern in die Klinik eingewiesen oder kommen sie freiwillig?

Die Eltern kommen selbstverständlich freiwillig in die Klinik. Die Behandlung wird vom Kinderarzt verschrieben und von den Krankenkassen übernommen. Aufnahmebedingung ist die vorherige Ausschöpfung aller ambulanten ärztlichen und psychologischen Beratungs- und Therapiemöglichkeiten. Vor der eigentlichen Behandlung gibt es ein längeres Informationsgespräch zwischen Eltern und Klinik, in dem das Behandlungskonzept erklärt wird. In diesen Vorgesprächen wird auch geklärt, ob die jeweilige Familie in der Abteilung überhaupt richtig ist oder ob nicht andere Behandlungen besser geeignet wären. Bei Bedarf kann auch ein "Schnuppertag" absolviert werden.

Freiwilligkeit ist für die Behandlung zentral, gerade weil die Eltern so stark einge­bunden sind und als "Co-Therapeuten" mitarbeiten.Das Konzept beruht auf "Compliance" – also darauf, dass die Eltern genau wissen, was getan wird und warum es getan wird. In der ersten Woche des Programms geht es fast nur um Information, anschließend beginnen die therapeutischen Maßnahmen.

Kann man die stationäre Therapie in Gelsenkirchen auf das eigene Erziehen übertragen?

Diese Therapie richtet sich ausschließlich an Familien, die mit so schwerwiegenden Problemen nach Gelsenkirchen kommen, dass eine stationäre Behandlung notwendig geworden ist. Die umfassende ärztliche, therapeutische und pädagogische Betreuung ist hier essentiell für den Erfolg. Das Konzept der Klinik ist aber abhängig davon, dass die Eltern auch nach dem Klinikaufenthalt "dranbleiben". In der Klinik bessert sich die Situation in der Regel – alle entspannen sich, die Bindung zwischen Eltern und Kind normalisiert sich.

Damit das zu Hause auch so bleibt, vermittelt die Klinik viel Wissen in Seminaren, die auch ein wichtiger Teil des Films sind. Aus diesen Seminaren hat Dietmar Langer zudem sein "Elternführerschein"-Programm entwickelt, bei dem sich Eltern auch präventiv über Erziehungsfragen informieren können. Der Film ist aber kein "Ratgeberfilm," sondern zeigt Menschen ausschließlich in einem therapeutischen Verfahren.

Warum hat der Dokumentarfilm den eher allgemeingültigen Titel "Elternschule"?

Regelmäßig steht Dietmar Langer an einer Schultafel vor Eltern und erklärt: Was brauchen Kinder von Erwachsenen - und was nicht? Welche Entwicklungsschritte durchlaufen sie? Und was können Eltern tun, damit aus Kindern starke, gesunde und zufriedene Erwachsene werden.

Mit einer solchen "Szene" beginnt der Film und er kommt immer wieder zu diesen Informationsveranstaltungen zurück. Das Motiv des Mannes an der Schultafel hat zu diesem Titel geführt.

Da aufgrund des Titels aber immer wieder Nachfragen von Kinobesuchern kamen, wird zu Beginn der Fernsehfassung mit einer Schrifttafel deutlich darauf hingewiesen, dass es sich bei diesem Dokumentarfilm nicht um einen allgemeinen Erziehungs-Ratgeber handelt.

Wird in Gelsenkirchen die Eltern-Kind-Bindung systematisch gebrochen?

Das Gegenteil ist der Fall. In der Behandlung werden krankheits- und störungs­verstärkende Handlungsmuster, die mit der Zeit die Eltern-Kind-Bindung schwer belasten, gelöst und das Bindungsverhalten durch stetig wiederkehrende, the­rapeutisch begleitete Interventionen verbessert. Kinder und Eltern sind am Ende der Therapie entspannter, und die Bindung ist deutlich sicherer. Die Kinder werden durch die Behandlung nicht traumatisiert, sondern entlastet und gestärkt.

Gibt es in der Klinik Isolationszimmer?

Nein. Neben den Patientenzimmern gibt es Gruppenräume für Kinder und Eltern, Therapieräume, Essräume für Gruppen und einzelne Familien, darüber hinaus Spielzimmer. In den Patientenzimmern sind die kleineren Kinder in der Regel zusammen mit ihren Eltern untergebracht, abgesehen von den Phasen des Schlafverhaltenstrainings, das vorher mit den Eltern ausführlich abgesprochen und vorbereitet worden ist. Ist das vorüber und schlafen die Kinder wieder gut, ziehen sie zurück ins Elternzimmer. Die größeren Kinder haben eigene Zimmer.

Werden Kinder in der Klinik seelisch gebrochen"?

Selbstverständlich nicht. Ziel der Therapie ist eine autonome Entwicklung des Kindes in einer liebevollen, geborgenen Familienatmosphäre, die durch die jeweiligen Störungsbilder zuvor erheblich beeinträchtigt wurde. Weder Eltern noch Kinder sind an bestimmten Verhaltensmustern schuld, sondern sie sind aufgrund der Störungsbilder zu einer Handlungsunfähigkeit gelangt. Durch die Therapie in einem "schuldfreien Raum" erfahren die Eltern und ihre Kinder praktische Anleitung, um sich in einem sicheren Umfeld wieder als handlungsfähig zu erleben. Negative Emotionen werden abgebaut, so dass Bindung und entspanntes Miteinander erst wieder möglich werden. Die Kinder erfahren in vielen alltäglichen Ritual-Situationen (Essen, Schlafen, Spazierengehen, Spielen...) einen klaren Rahmen, an dem sie sich orientieren können. Dieser Rahmen ist weder Zwang noch Einschränkung, sondern im Gegenteil, er gibt den Kindern Sicherheit und ist die Voraussetzung für Entspannung und Vertrauen.

Werden Kinder in der Klinik in einen dunklen Raum gesperrt?

Nein. Es wird ein Schlafverhaltenstraining angeboten. So wie der Mensch gewohnt ist, die Nacht als dunkel zu erleben, werden auch die Kinder bei einem Schlafverhaltenstraining mit einem dunklen Raum konfrontiert. Sie sind aber nicht eingesperrt. Die Kinder schlafen in einem normalen Klinikbett unter Aufsicht einer Schwester, die auch bei Bedarf die Kinder tröstet. Das Training geschieht vorbereitet nach einer Zeit der Eingewöhnung der Familien in das therapeutische Setting. In dieser Zeit lernen das Kind und seine Hauptbezugsperson das therapeutische Team kennen. Danach und auch erst nach mehreren kleineren Trennungseinheiten tagsüber wird das Schlaftraining durchgeführt, das natürlich auch auf Freiwilligkeit beruht. In der Regel kommen die Familien ja in die Klinik, da das heimische Schlafverhalten so desolat ist, dass die Eltern maximal verzweifelt und erschöpft sind, obwohl sie alle möglichen Strategien zu Hause bereits ausprobiert haben.

Werden Kinder in der Klinik gewaltsam gefüttert?

Nein, den Kindern wird nur Essen geduldig angeboten – und das im Rahmen eines strukturierten Tagesablaufes, unter ständiger kinderärztlicher, therapeutischer und pädagogischer Kontrolle. Auf diese Weise entsteht ein Erfahrungsraum für die Kinder, den sie frei nutzen können. Sie essen, sobald sie essen wollen. Sie werden dafür weder gelobt, noch werden sie bestraft, wenn sie nichts essen wollen. Manche Kinder essen vom ersten Tag an, manche verweigern das Essen ausdauernder. Wenn allerdings die Essenverweigerung so lange dauert, dass es gesundheitlich gefährlich wird, oder wenn Kinder schon in einem sehr schlechten Ernährungszustand in die Klinik kommen, dann verordnen die Kinderärzte in Absprache mit den Eltern eine vorübergehende Sondierung, um die kleinen Patienten zu stabilisieren.

Mussten Eltern und Kinder beim Dreh mitmachen?

Selbstverständlich wurde niemand zur Teilnahme am Film gezwungen. Nachdem Produktionsfirma und Autoren sich mit Klinik und Stationspersonal über das Filmkonzept einig waren und einen ersten Drehzeitraum vorgeschlagen hatten, gab es einen Brief an die Eltern, die während des Drehs auf der Station sein würden. In dem Brief haben die Filmemacher ihr Filmkonzept beschrieben. Die meisten Patienten haben dem Dreh zugestimmt, andere haben sich von der Klinik Behandlungszeiträume kurz vor oder kurz nach den Dreharbeiten geben lassen, weil sie nicht Teil des Films sein wollten.

Auf diese Weise lag bei Drehbeginn das Einverständnis aller vor, die zu dieser Zeit auf der Station waren. Natürlich gab es immer wieder Situationen, wo man merkte: Jetzt ist die Kamera nicht angebracht. Dann wurde sie ausgeschaltet. Die Kinder, die auf den alten Lehrvideos zu sehen sind, wurden als Erwachsene ausfindig gemacht und um ihr Einverständnis gebeten. Die gesamte Produktion wurde begleitet von einer führenden Rechtsanwaltskanzlei für Urheber-, Persönlichkeits- und Filmrechtsfragen.

Warum strahlt Das Erste diesen umstrittenen Dokumentarfilm aus?

"Elternschule" ist eine Auftragsproduktion des SWR, gefördert durch FFF Bayern, BKM und DFF. Er steht jetzt, nachdem er sehr erfolgreich im Kino lief, zur Ausstrahlung im Fernsehen bereit. Wir senden ihn somit selbstverständlich in der Dokumentarfilm Sommerstaffel im Ersten. Die redaktionelle Entscheidung für diesen Film ist bei Auftragsvergabe getroffen worden und es gibt keinerlei Gründe, diese Entscheidung zurückzunehmen. "Elternschule" ist formal hochwertig produziert, gesellschaftlich relevant und inhaltlich überzeugend. Er wurde nicht umsonst als einer von drei Dokumentarfilmen für den Deutschen Filmpreis nominiert.

"Elternschule" hat sowohl zahlreiche begeisterte Kritiken in großen deutschen Publikationen erfahren wie auch kritische Stimmen evoziert. Die Meinungen über diesen Film gehen auch bei einschlägigen Stiftungen und Verbänden auseinander: von begeisterter Zustimmung bis zu heftiger Kritik.

Die Diskussion über diesen Film kann kein Grund sein, ihn nicht auszustrahlen. Im Gegenteil bestärkt sie den SWR darin, "Elternschule" einem noch breiteren Publikum zugänglich zu machen. Denn gesellschaftlich wichtige Themen zur Debatte zu stellen entspricht im Kern dem öffentlich-rechtlichen Auftrag.

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