SENDETERMIN Mo., 23.01.12 | 23:30 Uhr | Das Erste

Babi Jar – Das vergessene Massaker

Dina Pronischewa, eine der wenigen Überlebenden des Massakers von Babi Jar
Dina Pronischewa, eine der wenigen Überlebenden des Massakers von Babi Jar. | Bild: HR/Privatfoto/ Wladimir Pronischew

Es war die größte Massenerschießung des Zweiten Weltkriegs, und doch ist das Massaker von Babi Jar den Wenigsten ein Begriff. Im September 1941 erschossen Deutsche am Rande einer Schlucht der ukrainischen Hauptstadt Kiew 33.771 Juden. Frauen, Kinder und Greise. Zwei Tage dauerte das Grauen.

Am 20. Januar 1942 wurde die sogenannte "Endlösung der Judenfrage" beschlossen. Die planmäßige Vernichtung der Juden aber hatte da längst begonnen, wie die erschütternde Dokumentation von Christine Rütten und Lutz Rentner zeigt, die Das Erste anlässlich des 70. Jahrestages der Wannseekonferenz sendet.

In der Erinnerung der Nachgeborenen steht "Auschwitz" als Synonym für den Massenmord an den europäischen Juden. Der Vernichtungswille und die planmäßige Organisation des Mordens hatten aber eine Vorgeschichte, deren Blutspur mit dem Überfall auf die Sowjetunion immer breiter wurde.

Kameradschaftsabend des Bremer Polizeibataillons 303
Kameradschaftsabend des Bremer Polizeibataillons 303, vermutlich in Kiew 1941. Nach einer Massenexekution gab es eine Extra-Ration Alkohol. | Bild: HR/Staatsarchiv Bremen/Sammlung Karl Schneider

Babi Jar war der Vorläufer von Auschwitz – der Mord nach Dienstplan. Im Schichtbetrieb wurden die hilflosen Opfer erschossen und anschließend im Massengrab verscharrt. 1968 werden einige der Täter vom Landgericht Darmstadt wegen Beihilfe zum Mord verurteilt, andere freigesprochen. "Die Angeklagten saßen wie versteinert da, so als ob sie das nichts anginge", erinnert sich Peter Gehrisch, einer der Geschworenen.

Unter den Angeklagten ein Frankfurter Bankdirektor, ein Kaufmann aus Neu-Isenburg, ein Steuersekretär aus Königsbrunn, ein Prokurist aus Hildesheim, ein Arbeiter aus Bremen usw. Elf Angeklagte holte hier ihre NS-Vergangenheit ein.

Wladimir Pronischew
Wladimir Pronischew überlebte als kleiner Junge versteckt bei der nichtjüdischen Großmutter. | Bild: HR

So wie sie waren auch die anderen SS-Männer, Polizisten und Soldaten nach dem Krieg mühelos in ihre bürgerliche Existenz zurückgekehrt. "Es ist nicht einer aufgestanden, irgendeine Person, die gesagt hat, ich habe Gewissenbisse, ich kann nachts nicht schlafen. Ich sehe die Schreie der Frauen und Kinder. Es lässt mich nicht schlafen, ich habe gesündigt", erklärt der Filmregisseur Artur Brauner erschüttert. 49 Verwandte hat er im Holocaust verloren. Einige gehören zu den 1,5 Millionen Juden, die in der Ukraine ermordet wurden. In einem Spielfilm hat er ihnen ein Denkmal gesetzt.

Artur Brauner kommt in der Dokumentation von Christine Rütten und Lutz Rentner ebenso zu Wort wie die letzten Überlebenden, die wie durch ein Wunder dem Massaker von Babi Jar entkamen.

Raissa Maisterenko verlor viele Verwandte in Babi Jar.
Raissa Maisterenko verlor viele Verwandte in Babi Jar. | Bild: HR

Raissa Maistrenko wurde durch ihre furchtlose Großmutter gerettet, die das Kind mit ihrem Körper vor den tödlichen Schlägen deutscher Polizisten schützte. Wladimir Pronichev hat erst spät von seinem Schicksal und dem seiner Familie erfahren. Seine Mutter Dina hat sich aus dem Massengrab von Babi Yar gerettet. Sie erzählte ihm lange nichts von den schmerzlichen Erlebnissen. Aber sie sagte als Zeugin 1968 im Prozess in Darmstadt aus. Auch sie war schockiert zu sehen, dass die Mörder keine Reue zeigten.

Stellvertretend für viele andere zeichnet die Dokumentation den Weg zweier Täter nach Originaldokumenten und lässt Angehörige zu Wort kommen. Ein schockierendes Zeugnis der Normalität des Verbrechens, denn es zeigt, dass die Mörder keine Bestien, sondern Männer waren, die fest daran glaubten, das Richtige zu tun, und die das Morden als Arbeitsauftrag begriffen.

Film von Christine Rütten und Lutz Rentner

6 Bewertungen
Kommentare
Bewerten

Kommentare

Kommentar hinzufügen

Bitte beachten: Kommentare erscheinen nicht sofort, sondern werden innerhalb von 24 Stunden durch die Redaktion freigeschaltet. Es dürfen keine externen Links, Adressen oder Telefonnummern veröffentlicht werden. Bitte vermeiden Sie aus Datenschutzgründen, Ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Fragen zu den Inhalten der Sendung, zur Mediathek oder Wiederholungsterminen richten Sie bitte direkt über das Kontaktformular an die ARD-Zuschauerredaktion: https://hilfe.ard.de/kontakt/. Vielen Dank!

*
*

* Pflichtfeld (bitte geben Sie aus Datenschutzgründen hier nicht Ihre Mailadresse oder Ähnliches ein)

Kommentar abschicken

Ihr Kommentar konnte aus technischen Gründen leider nicht entgegengenommen werden

Kommentar erfolgreich abgegeben. Dieser wird so bald wie möglich geprüft und danach veröffentlicht. Es gelten die Nutzungsbedingungen von DasErste.de.

Sendetermin

Mo., 23.01.12 | 23:30 Uhr
Das Erste

Produktion

Hessischer Rundfunk
für
DasErste