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Inside Rheinmetall

Inside Rheinmetall - Zwischen Krieg und Frieden | Video verfügbar bis 24.10.2024 | Bild: NDR

Es ist ein regnerischer Morgen im August, als Fachleute von Deutschlands größtem Rüstungskonzern Stichproben der neuen Gepard-Munition verschießen. Wir sind im Süden der Lüneburger Heide, am Rheinmetall-Standort Unterlüß, hinter Wald, Warnschildern und Stacheldraht. Im Kontrollraum bauen sich zu jeder Salve Datenkurven auf: Austrittsgeschwindigkeit bei Mündungsfeuer, Dauer der Leuchtspur, Schusszahl pro Minute. Es ist die Munition, auf die die Ukraine sehnlichst wartet, um sich weiter gegen russische Raketenangriffe zu verteidigen. Kurz zuvor hat sich in Unterlüß ein leitender Mitarbeiter nach der Werksschicht bedankt. „Ihr könnt stolz sein“, sagte er seinem Team. Tatsächlich gilt der Aufbau der hochsensiblen Fertigungsstraße binnen weniger Wochen als eine Rekordleistung. Begleitet hat ihn, unter Einhaltung von Geheimhaltungs- und Sicherheitsauflagen, ein TV-Team der „ARD Story“.

Auch als Konzernchef Armin Papperger hier jenseits der Öffentlichkeit einen hochrangigen Kunden empfängt, läuft die ARD-Kamera mit. Angereist ist der Verteidigungsminister Ungarns, der bald darauf in fabrikneue, tarngefleckte Panzer steigt, selbst einen Kanonenschuss auslöst und sich schließlich per Nebelwerfer samt Fahrzeug in Tarnwolken hüllt. Detailreich erklärt Papperger ihm Bordwaffen und Munition, die vernetzte Kriegführung der Zukunft, Kundenandrang, Lieferfristen. Der Mann, der den Konzern seit mehr als zehn Jahren führt, erscheint als überzeugender Verkäufer.

Sechs Monate lang hat NDR-Reporter und Grimme-Preisträger Klaus Scherer diese und weitere einzigartige Einblicke in den Rheinmetall-Konzern erhalten, dessen Mitarbeiter sich zuvor über Jahrzehnte daran gewöhnt hatten, als Waffenbauer öffentlich eher gemieden, wenn nicht gar von Kritikern beschimpft zu werden. Wie erleben sie die neue Wertschätzung? Wie prägt die Zeitenwende ihren Alltag? Erstmals geht eine Langzeitreportage, quasi in Nahaufnahme, diesen Fragen nach. Scherer zeigt, wie in Rheinmetall-Fabriken an altem wie neuem Kriegsgerät hantiert wird, lässt sich die Funktionsweisen von Haubitzen und kinetischen Geschossen schildern, beschreibt Engpässe und Schwierigkeiten.

Ob die Beschäftigten ihre Arbeit denn mit den Kriegsszenen verbinden, die sie allabendlich in den Nachrichten sehen, fragt er mitunter nach. Manche tun es, manche nicht. Über Anerkennung indes freuen sich alle. „Früher mussten wir uns hier den Weg zur Arbeit schon mal durch eine Demo bahnen und waren die Buhmänner“, erinnert sich ein leitender Mitarbeiter. „Jetzt ist es ruhiger.“

„Unsere Beschäftigten waren immer überzeugt davon, dass sie das Richtige tun“, sagt Papperger, als er zur Frankfurter Börse vorgefahren wird. „Es ist schön, dass das auch von anderen nun so gesehen wird.“ Es ist der Tag, an dem Rheinmetall in den Kreis der DAX-Unternehmen aufsteigt, der bisherige Höhepunkt in Pappergers Laufbahn. Seit 30 Jahren ist er Rheinmetaller, er weiß noch, wie sich ein Schraubenschlüssel anfühlt. Ein bisschen stolz? „Ich würde es Demut nennen“, antwortet er. Den ganzen Vormittag steht er im Rampenlicht. „Wir müssen Deutschland dienen“, ist einer seiner Lieblingssätze. Scherers Film gerät auch zum Porträt eines Vorstandschefs, der in Wirtschaftskreisen mal als angenehm bodenständig beschrieben wird, mal als auffallend umtriebig.

Als Papperger in Berlin den ukrainischen Botschafter trifft, um seine Pläne für direkte Kooperationen mit Kiew weiterzutreiben, ist das ARD-Team ebenfalls dabei. Oder im Kasseler Werk, wo Kunden den Fuchs-Transportpanzer testen, einschließlich Probefahrt in einer Kiesgrube. Und immer wieder im Werk Unterlüß, wo in eilig umgeräumten Hallen Mitarbeiter die ruinierten Puma-Panzer der Bundeswehr aufmöbeln, werksüberholte Leoparden prüfen oder beklagen, dass jedes Empfängerland für gekaufte Munition auf eine andere Verpackung pocht, obwohl überall das Gleiche drin ist. Und von wo in diesen sechs Monaten schon mal nahezu unbemerkt ein Güterzug mit 20 kampfbereiten Marder-Panzern auf seinen Weg Richtung Ukraine rollt.

Auch mit den Kritikern spricht Scherer, darunter organisierte Kleinaktionäre und der Tübinger Anwalt Holger Rothbauer, der Rheinmetall mit Blick auf einen früheren Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate verklagt hat wegen Verstoßes gegen das Völkerstrafrecht. Differenziert kommt der Grünen-Abgeordnete Anton Hofreiter zu Wort, dessen traditionell rüstungskritische Partei die Zeitenwende ebenfalls verändert hat. „Es geht hier um eine Demokratie, die angegriffen wird, und um eine Diktatur, die Schandtaten begeht“, sagt er nach zwei Ukraine-Reisen und fordert mehr Tempo bei Waffenlieferungen. Zugleich kritisiert auch er Rheinmetall für die noch immer anhängige Entschädigungsklage gegen die Bundesregierung, weil diese nach der Krim-Annexion ein Konzerngeschäft mit Russland gestoppt hatte.

„Damit der Film möglich wurde, mussten wir nicht nur Geheimhaltungs- und Sicherheitsregeln beachten, sondern auch den Persönlichkeitsschutz von Werksmitarbeitern und Aktionären“, sagt Scherer zu den Drehbedingungen. „Umgekehrt legten wir Wert darauf, überall Fragen stellen zu können, auch spontan.“ Den ersten Beleg dafür liefert im Film der Großkunde aus Ungarn. Als Scherer ihn fragte, warum seine Regierung den Haftbefehl des Internationalen Gerichtshofs gegen Wladimir Putin ignoriere, brach er das Gespräch ab. Die Kamera lief.

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