Mo., 16.04.12 | 23:30 Uhr
Das Erste
Markt oder Moral
Deutsche Unternehmen auf dem Prüfstand
Sündenregister der Unternehmen ist lang

Was kann der Verbraucher mit gutem Gewissen kaufen und was nicht? Eine Entscheidung, die ihm immer schwerer gemacht wird, denn das Sündenregister vieler Hersteller ist lang: Kinderarbeit, Niedriglöhne, Umweltgifte und Schadstoffe in den Produkten. Brauchen wir deshalb neue, faire Regeln für die Globalisierung? Johanna Kusch glaubt fest daran. Die Berlinerin ist nicht allein. Die Sprecherin der Organisation Germanwatch kämpft mit anderen Menschenrechts- und Umweltaktivisten für neue Gesetze. Es geht nicht nur um bessere Produktionsbedingungen, unter denen Menschen, Klima und Natur nicht mehr leiden sollen.
Der Widerstand gegen neue Gesetze ist groß

Diese Vorreiter kämpfen auch für die Verbraucher, die sicher sein wollen, dass ihre Produkte fair und umweltschonend hergestellt werden. Während in Europa strengere Gesetze gelten, nutzen viele international tätige Konzerne, die niedrigen Rechtstandards in den armen Ländern – und machen Milliardengewinne. Wird es gelingen, eine verantwortungsvolle Unternehmens-Ethik durchzusetzen? Johanna Kusch reist mit 60.000 Unterschriften nach Brüssel, um im EU-Parlament, Stimmung zu machen. Doch die Widerstände sind groß, nicht nur die Wirtschaftslobby ist gegen neue, verpflichtende Regeln, auch die deutsche Bundesregierung blockiert bislang den Vorstoß. Freiwilligkeit reiche doch völlig aus, heißt es von Seiten der Industrie, und so schmückt man sich gerne mit teuren Hochglanzbroschüren über „Social Sponsering“ und „Corporate Social Responsibility“. Dabei sei das oft nicht viel mehr als Imagepflege, als „Greenwashing“, klagt Aktivistin Johanna Kusch.
Produktion führt zu gesundheitlichen Problemen

Dabei gäbe es viel zu tun. Ein Beispiel: das Auto. In letzter Zeit werden die Fahrzeuge immer umweltfreundlicher, doch einer der wichtigsten Baustoffe ist problematisch. Zumindest dann, wenn der Stahl für die Automobile aus dem neuen, riesigen Werk kommt, dass der deutsche Konzern Thyssen-Krupp in Brasilien betreibt. Die Bedingungen unter denen der Stahl dort produziert wird, sind vor Ort höchst umstritten. In unmittelbarer Nähe der Hütte klagen die Anwohner über Atemwegserkrankungen und Hautallergien.
Fischer kämpfen für die Gerechtigkeit

Dem Fischer Francisco stehen Tränen in den Augen, wenn er über das Fischesterben spricht. „Gift ist im Wasser aufgewirbelt worden, jetzt sind die Netze leer. Ich weiDie Fischer fürchten um ihre Existenz. ß nicht, wie ich meine Familie durchbringen soll“. Über achttausend Fischerfamilien, die das Gebiet rund um das Stahlwerk als Fanggebiet nutzten, sind betroffen. Sie fordern Entschädigungen, doch Thyssen-Krupp sieht dafür keinen Grund. Der Stahlwerkbau entspräche den in Brasilien geltenden, gesetzlichen Vorschriften, heißt es. Doch die Hütte stößt alleine so viele CO2-Gase aus, dass die Gesamtemission im benachbarten Rio de Janeiro dadurch um sagenhafte 75% gesteigert wird. Die Fischer wollen jetzt für Gerechtigkeit kämpfen. Aber eine Klage in Deutschland ist bislang rechtlich nicht möglich.
Verantwortung und Kontrollen sind gefordert

Doch wenn Johanna Kusch in Brüssel mit ihren Gesetzesvorschlägen erfolgreich wäre, dann hätten die brasilianischen Fischer demnächst eine Chance gegen Thyssen-Krupp in Europa vor Gericht zu ziehen. Eine Forderung, die auch von Altminister Norbert Blüm unterstützt wird: „ Ich bin zwar kein Systemüberwinder, aber irgendwann überwindet das System sich selbst!“. Er fordert starke Kontrollen bei der Unternehmensverantwortung, und „mehr Fairness statt Profitgier!“
Film von Christian Jentzsch
Redaktion: Johanna Holzhauer
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