Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 21.06.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Wolfram Weimer, Pinar Atalay, Claudia Major, Giovanni di Lorenzo, Christian Dürr, Tino Chrupalla
Die Gäste (v.l.n.r.): Wolfram Weimer, Pinar Atalay, Claudia Major, Giovanni di Lorenzo, Christian Dürr, Tino Chrupalla | Bild: WDR / Thomas Kierok

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Gibt es keine Gasheizungen, die mit Wasserstoff betrieben werden können?
  • Wurde in der Sendung die Kapitulation der Ukraine gefordert?

Gibt es keine Gasheizungen, die mit Wasserstoff betrieben werden können?

Die beiden Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr (FDP) und Tino Chrupalla (AfD) diskutierten in der Sendung u.a. über das Heizungsgesetz. Dürr betonte in diesem Zusammenhang den Aspekt der Technologieoffenheit, was bedeute, dass auch mit dem neuen Gesetz weiterhin Gasheizungen erlaubt sein sollen, wenn sie mit klimaneutralem Wasserstoff betrieben werden können. Chrupalla entgegnete, solche Heizungen gebe es noch gar nicht und werde es auch in Zukunft nicht geben.

Zukunftsziel Klimaneutralität: Sind Wasserstoffheizungen die Lösung?

Dürr: "Reden wir über das Heizungsgesetz. Wir werden technologieoffen sein. Ab dem 01.01.24 kann jeder auch noch eine Gasheizung einbauen, die in Zukunft – da wir klimaneutral werden wollen, wir wollen die Klimaziele erreichen – die in Zukunft eben auch klimaneutralen Wasserstoff verbrennen kann. Die Wärmepumpe wird nicht für alle eine Lösung sein. Genau das fixieren wir in diesem Gesetz, damit es möglich ist, die Heizung einzubauen, die zum Haus passt."

(…)

Chrupalla: "Der Herr Dürr sagt, dass man eine Gasheizung dann auch mit sauberem Wasserstoff betreiben kann. Die gibt es de facto aktuell noch nicht und die wird es auch in 20 Jahren noch nicht geben."

Dürr: "Die Heizungen sind am Markt, Herr Chrupalla."
 

Chrupalla: "Die gibt es noch nicht. Es gibt keine Heizung, die mit Wasserstoff in irgendeinem privaten Haushalt betrieben wird. Das ist einfach eine Falschinformation. Und die wird es auch in Zukunft nicht geben. Selbst Gasleitungen sind überhaupt nicht für Wasserstoff ausgelegt. Sie wissen, dass Gas, vor allem gerade Wasserstoff, ein hochexplosives Gas ist, nicht sichtbar, auch geruchsarm. Also auch in der Form ist es überhaupt nicht anwendbar, was Sie hier vorschlagen. Das sind einfach wirklich Hirngespinste, die Sie hier bringen. Und das verunsichert die Bürger."

Maischberger: "Hirngespinst ist ein starkes Wort. Es gibt den Faktencheck, ob es diese Heizungen in Zukunft geben kann. Einfach nur mal dazu."

Chrupalla: "Frau Maischberger, wir reden also jetzt über Heizungen, die ausgetauscht werden, die es eventuell irgendwann mal geben kann. Also was ist das eigentlich für eine Politik jetzt? Das kann man keinem anbieten."

Stimmt das? Gibt es keine Gasheizungen, die mit Wasserstoff betrieben werden können?

Die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG), die noch vor der Sommerpause im Deutschen Bundestag verabschiedet werden soll, sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2024 möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit regenerativen Energien betrieben wird. Eine Austauschpflicht für bestehende Heizungen gibt es nicht, auch Reparaturen alter Anlagen sollen weiterhin möglich sein. In der Diskussion über den Gesetzentwurf setzte sich vor allem die FDP dafür ein, dass zum Erreichen des 65-Prozent-Ziels verschiedene Technologien zum Einsatz kommen dürfen. Man will sich hier nicht nur auf elektrische Wärmepumpen beschränken, auch Pelletheizungen oder eben die in der Sendung diskutierten wasserstofffähigen Gasheizungen sollen verbaut werden können. 

Solche sogenannten H2-Ready-Heizungen werden bereits von diversen Herstellern angeboten, z.B. von Bosch Thermotechnik, Viessmann, Vaillant und Wolf. Diese Geräte sind aktuell aber per Prüfsiegel nur für einen Wasserstoffanteil von maximal 20 Prozent zugelassen. Sie werden also mit einem Gemisch aus herkömmlichem Erdgas und Wasserstoff betrieben. Beimischungen, die höher liegen als 20 Prozent, werden derzeit anhand von Prototypen getestet, ebenso der Betrieb mit 100-prozentigem Wasserstoff. 

Welche Bedingungen eine Gasheizung genau erfüllen muss, um auch gemäß des novellierten GEG als H2-ready zu gelten, ist indes unklar. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) spricht in seinem FAQ zum Gesetzesvorhaben zunächst nur von Heizungen, die sowohl mit Erdgas als auch mit reinem, also 100-prozentigem Wasserstoff heizen können. Hieran knüpft das Ministerium außerdem die Bedingung, dass der örtliche Gasnetzbetreiber einen "konkreten und verbindlichen Transformationsplan für sein Gasnetz zur Umstellung auf Wasserstoff erstellt und veröffentlicht hat." Um solche Transformationspläne voranzutreiben, schloss sich im März 2022 eine Gruppe von 45 Gasverteilnetzbetreibern zusammen. Ihr Ziel ist ein flächendeckendes Wasserstoffnetz in Deutschland. Wann hier mit ersten konkreten Resultaten zu rechnen ist, bleibt abzuwarten. 

Dass die bestehenden Gasleitungen nicht für den Transport von Wasserstoff geeignet sind, wie Tino Chrupalla in der Sendung sagte, ist nach einhelliger Experteneinschätzung falsch. Zuletzt hatte im März 2023 eine Untersuchung von Deutschlands größtem Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe und der Materialprüfungsanstalt der Universität Stuttgart gezeigt, dass die im Gasnetz verbauten Stahlrohrleitungen grundsätzlich genauso geeignet waren für den Transport von Wasserstoff wie für Erdgas. Für den Umstieg auf Wasserstoff sind nur kleinere Umrüstungen notwendig.

Dennoch kritisieren Verbraucherschützer aktuell die Pläne der Ampel, den Einbau von H2-Ready-Heizungen zu erlauben. In einer Stellungnahme des Verbraucherzen­trale Bundesverbands (VZBV) heißt es, dass Wasserstoff, der mit erneuerbaren Energien erzeugt wird, auf ab­sehbare Zeit nur in geringen Mengen verfügbar sein werde. Für die Dekarbonisierung des Gebäudesektors sei er deshalb nicht geeignet. Grüner Wasserstoff werde voraussichtlich vor allem in der Industrie eingesetzt werden, gegebenenfalls auch im Verkehr. Diese Einschätzung bestätigt u.a. eine Studie des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, die im September 2022 in der Forschungszeitschrift "Nature Energy" erschien. Demnach könne grüner Wasserstoff fossile Brennstoffe in der Industrie oder im Fernverkehr ersetzen, wo eine direkte Elektrifizierung nicht möglich sei. Doch selbst wenn die Produktionskapazitäten so schnell wachsen wie Wind- und Solarenergie, bleibe die Versorgung knapp. Weltweit werde grüner Wasserstoff bis 2035 wahrscheinlich weniger als ein Prozent der Endenergie liefern, während die Europäische Union die 1-Prozent-Marke schon etwas früher, etwa 2030, erreichen könne.

Fazit: Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla behauptete in unserer Sendung, es gebe derzeit keine Gasheizungen, die auch mit Wasserstoff betrieben werden können. Solche Heizungen werde es auch in 20 Jahren nicht geben, so Chrupalla. Das stimmt nicht. Diverse Hersteller bieten bereits sogenannte H2-Ready-Heizungen an. Diese Fabrikate sind aktuell aber nur für einen Wasserstoffanteil von maximal 20 Prozent zugelassen. Beimischungen, die höher liegen als 20 Prozent, werden derzeit anhand von Prototypen getestet, ebenso der Betrieb mit 100-prozentigem Wasserstoff. Kritiker halten die Wasserstoffheizung jedoch für kaum zukunftsfähig, weil grüner Wasserstoff auf absehbare Zeit ein knappes Gut bleiben wird. Er werde in der Industrie und anderen Bereichen benötigt, die nicht direkt elektrifiziert werden können, betonen Verbraucherschützer.

Wurde in der Sendung die Kapitulation der Ukraine gefordert?

Sandra Maischberger diskutierte mit Christian Dürr (FDP) und Tino Chrupalla (AfD) auch über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs. Dürr betonte, dass eine Kapitulation der Ukrainer nicht in Frage komme. Chrupalla äußerte sich weniger eindeutig. Und am Ende des Gesprächs blieb die Frage im Raum, ob jemand im Laufe des Gesprächs die Kapitulation gefordert hatte oder nicht. Hier schauen wir uns das Ganze noch mal genauer an. 

Debatte um Friedensverhandlungen: Wurde in der Sendung die Kapitulation der Ukraine gefordert?

Maischberger: "Soll die Ukraine, damit es zu Verhandlungen kommt, kapitulieren?"

Chrupalla: "Jeden Tag, den der Krieg länger geht, sterben Menschen. Wie der Krieg beendet wird – wenn es morgen ist, auch mit Gebietsabgabe, ist [es] ein guter Tag."

Maischberger: "Kapitulation?"

Chrupalla: "Es geht nicht um Kapitulation. Ich denke, eine Gesprächsbereitschaft, gesichtswahrend für beide Seiten, sollte das Ziel sein."

Maischberger: "Herr Dürr?"

Dürr: "Es ist absurd geradezu. Ich meine, das würde er wahrscheinlich auch für Deutschland empfehlen, wenn wir diese Bedrohung in der Realität hätten, Kapitulation, das kann es natürlich nicht sein. Ich spreche fast in jeder Woche –"

Chrupalla: "Das haben wir 1945 auch gesagt."

Dürr: "Absurder Vergleich."

Chrupalla: "Auch das ist ein Kriegsende."

Maischberger: "Vergleichen Sie gerade Deutschland –"

Chrupalla: "Ich vergleiche gar nichts."

Maischberger: "Doch. Entschuldigung. Haben Sie gerade gesagt, Hitler-Deutschland, die Wehrmacht, die kapitulieren musste, ist vergleichbar mit der ukrainischen Armee?"

Chrupalla: "Sie haben ja auch gerade gesagt, die Ukraine muss kapitulieren."

Dürr: "Das haben Sie gesagt, [Herr Chrupalla]."

Maischberger: "Das war eine Frage."

Chrupalla: "Nein, das haben Sie gesagt."

Maischberger: "Ich habe gefragt, ob sie kapitulieren soll, und Sie haben gesagt –"

Chrupalla: "Nein habe ich gesagt. Nein. Ganz klar."

Dürr: "Ich glaube, mit einem Narrativ müssen wir aufhören, nämlich dass die Menschen in der Ukraine sich nicht Frieden wünschen. Ganz im Gegenteil."

Stimmt das? Wurde in der Sendung die Kapitulation der Ukraine gefordert?

Wenn man sich das Gespräch noch einmal anschaut, stellt man fest, dass Sandra Maischberger den AfD-Fraktionsvorsitzenden Chrupalla mehrfach fragte, ob die Ukraine kapitulieren müsse, damit der Krieg endet. Diese Frage wurde ausnahmslos als solche formuliert und kenntlich gemacht. 

Chrupallas Antwort fiel nicht eindeutig aus. Zwar sagte er zunächst, es gehe "nicht um Kapitulation. Ich denke, eine Gesprächsbereitschaft, gesichtswahrend für beide Seiten, sollte das Ziel sein." Als sich Christian Dürr aber im Anschluss deutlich gegen eine etwaige Kapitulation positionierte, warf Chrupalla ein: "Das haben wir 1945 auch gesagt." Diesen Einwurf kann man durchaus als Widerspruch gegen Christian Dürr verstehen. 

Mit der Aussage "Das haben wir 1945 auch gesagt" bezieht sich Chrupalla auf den Zweiten Weltkrieg, der am 8. Mai 1945 mit der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Wehrmacht endete. Ein Vergleich mit der aktuellen Situation in der Ukraine ist aus diversen Gründen unzulässig. Hitler-Deutschland hatte mit seinem Überfall auf Polen am 1. September 1939 den Zweiten Weltkrieg ausgelöst. Es folgten zahlreiche weitere Angriffe der Wehrmacht, u.a. gegen Frankreich, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Großbritannien und die Sowjetunion. Das Deutsche Reich war selbst der Aggressor. Die Ukraine hingegen wurde am 24. Februar 2022 zum Ziel eines Angriffskrieges durch Russland. Der Vergleich ist auch deshalb so unpassend, weil deutsche Soldaten im Zweiten Weltkrieg auch auf ukrainischem Boden für verheerende Massaker mit tausenden Toten verantwortlich waren. Am 30. September 1941 erschossen Wehrmachtssoldaten über 30.000 Juden in der Schlucht Babyn Jar bei Kiew. Insgesamt ermordeten die Nazis während des Zweiten Weltkriegs systematisch fast sechs Millionen europäischer Juden. 

Die Alliierten, vor denen die Wehrmacht 1945 kapitulierte, hatten also einen brutalen Aggressor bekämpft, der sich überdies eines beispiellosen Genozids schuldig gemacht hatte. Mit der aktuellen Situation in der Ukraine ist das in keinerlei Hinsicht zu vergleichen. 

Fazit: Die Kapitulation der Ukraine wurde in der Sendung nicht explizit gefordert. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla machte jedoch Andeutungen, die in diese Richtung verstanden werden können. Der Vergleich mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht 1945, den Chrupalla implizierte, ist aus vielfältigen Gründen nicht haltbar. Das Deutsche Reich löste als Aggressor selbst den Zweiten Weltkrieg aus, wohingegen die Ukraine im Februar 2022 zum Ziel eines Angriffskrieges durch Russland geworden ist.

Stand: 22.06.2023

Autor: Tim Berressem