Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 21.11.2023

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Wolfram Weimer, Friedrich Merz, Wolfgang Grupp, Elisabeth Grupp, Andrea Maurer, Hubertus Meyer-Burckhardt
Die Gäste (v.l.n.r.): Wolfram Weimer, Friedrich Merz, Wolfgang Grupp, Elisabeth Grupp, Andrea Maurer, Hubertus Meyer-Burckhardt | Bild: WDR / Melanie Grande

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie viele Ausländer erhalten in Deutschland Bürgergeld? Erhalten die Leistung mehrheitlich Menschen mit Migrationshintergrund?

Wie viele Ausländer erhalten in Deutschland Bürgergeld? Erhalten die Leistung mehrheitlich Menschen mit Migrationshintergrund?

Vor dem Hintergrund des Karlsruher Urteils zum Bundeshaushalt diskutierten unsere Kommentatoren auch über eine mögliche Reform des Bürgergelds. Der Publizist Wolfram Weimer sagte in diesem Zusammenhang, das Bürgergeld sei in Wahrheit ein "Migrantengeld", weil ein großer Teil der Leistungsberechtigten nicht aus Deutschland stamme. Die konkreten Zahlen schauen wir uns hier noch einmal genauer an.

Weimer: "Es ist in Wahrheit kein Bürgergeld, es ist ein Migrantengeld. Zur Wahrheit dieser Geschichte gehört: 2,6 Millionen Nicht-Deutsche bekommen das Bürgergeld. Darunter sind 900.000 Araber, 1,3 Millionen Ukrainer. Und bei den Ukrainern – wo ich sehr dafür bin, dass wir denen helfen in dieser Not, und Deutschland hat das toll gemacht – aber warum lassen wir die nicht arbeiten? So wie unsere Nachbarn, die Holländer oder die Polen, die das viel besser machen mit den Ukrainern. Warum geben wir ihnen nur viel Geld und sagen, aber arbeiten sollt ihr hier eigentlich nicht? Das verstehe ich nicht, und deswegen finde ich die Initiativen, das zu reformieren, eigentlich richtig."

Stimmt das? Bekommen 2,6 Millionen Ausländer Bürgergeld? Bekommen 1,3 Millionen Ukrainer Bürgergeld? Bekommen mehrheitlich Menschen mit Migrationshintergrund Bürgergeld?

Über den Anteil ausländischer Bürgergeldempfänger informiert die Bundesagentur für Arbeit (BA) regelmäßig in ihrem sogenannten Migrationsmonitor. Die aktuellen Zahlen wurden im Oktober 2023 veröffentlicht und geben Auskunft über den Monat Juli 2023. Demnach hatten insgesamt rund 5,5 Millionen Menschen Anspruch auf Bürgergeld. Die Mehrheit davon, nämlich rund 2,9 Millionen Menschen, hatte die deutsche Staatsangehörigkeit, was einem Anteil von etwa 53 Prozent entspricht. 2,6 Millionen (47 Prozent) waren demnach Ausländer.

Betrachtet man die Anzahl der ausländischen Leistungsberechtigten nach Staatsangehörigkeit, so machten Menschen aus der Ukraine den größten Anteil aus (704.057 Personen). Danach kamen Syrien (504.568), die Türkei (198.352) und Afghanistan (185.494). Aus den arabischen Asylherkunftsländern Syrien, Afghanistan, Irak, und Iran kamen insgesamt 837.312 Leistungsberechtigte. Rechnet man dem arabischen Raum auch Pakistan hinzu, sind es 852.632.

Unter den knapp 704.000 leistungsberechtigten Ukrainern waren laut Bundesagentur 482.000 erwerbsfähig. 222.000 waren nicht erwerbsfähig, in den meisten Fällen handelt es sich dabei um Kinder unter 15 Jahren. Dass eine erwerbsfähige Person Bürgergeld bezieht, bedeutet nicht automatisch, dass sie keiner Beschäftigung nachgeht. In vielen Fällen dient das Bürgergeld zur Aufstockung eines niedrigen Einkommens. Von den knapp 480.000 erwerbsfähigen leistungsberechtigten Ukrainern waren 42.000 abhängig erwerbstätig und 1.700 selbständig. 305.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte aus der Ukraine befanden sich zudem in Weiterbildungsmaßnahmen, wie z.B. Sprachkursen, gingen einem Studium nach oder kümmerten sich um die Erziehung eines Kindes oder die Pflege eines Familienangehörigen. Einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung gingen zuletzt etwa 159.000 Ukrainer nach, wie vorläufige BA-Daten aus dem August 2023 zeigen.

Bedürftige Menschen, die oberhalb des erwerbsfähigen Alters liegen, also älter als 65 sind, erhalten kein Bürgergeld, sondern die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das gilt auch für Menschen aus der Ukraine. Mit Stand vom März 2023 bezogen dem Statistischen Bundesamt zufolge knapp 77.000 Personen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit Grundsicherung im Alter.

Dass 1,3 Millionen Ukrainer Bürgergeld erhalten, wie in der Sendung gesagt wurde, stimmt also nicht. Laut Rohdatenauszählung des Ausländerzentralregisters (AZR) befanden sich im September 2023 überhaupt nur 1,21 Millionen Ukrainer in Deutschland. Davon waren etwa 810.000 im erwerbsfähigen Alter. Genaue Angaben gibt es hier nicht, weil ukrainische Staatsangehörige sich bis zu 90 Tage frei im Schengen-Raum bewegen können.

In einem "Focus"-Artikel vom 15.11.2023, der in Kooperation mit dem von Wolfram Weimer verlegten "The European" erschien, ist die Rede von 1,3 Millionen ukrainischen Empfängern staatlicher Transferleistungen. Die zugrundeliegende Rechnung erschließt sich jedoch nicht. Wörtlich heißt es dort: "Laut Statistik vom Juli bezogen 480.000 Ukrainer Bürgergeld. 410.000 erhielten Arbeitslosengeld. Dazu kommen noch einmal sogenannte Unterbeschäftigte. Das sind Menschen, die wegen Krankheit nicht arbeiten können oder in Fortbildungsmaßnahmen stecken. 370.000 Ukrainer sind in dieser Gruppe. Zusammen also gibt es knapp 1,3 Millionen Empfänger von staatlichen Transferleistungen aus der Ukraine." Die Bundesagentur für Arbeit teilte uns auf Nachfrage mit, dass ein Anspruch auf Arbeitslosengeld erst besteht, wenn man mindestens ein Jahr lang sozialversicherungspflichtig in Deutschland gearbeitet hat. Das treffe nur auf die allerwenigsten Geflüchteten aus der Ukraine zu, so die BA. Darüber hinaus ist die Zahl der Unterbeschäftigten, die in der "Focus"-Rechnung gesondert addiert werden, bereits in der Gesamtzahl der Leistungsberechtigten inbegriffen.

In einem Bericht vom 2. November 2023 stellt die Bundesagentur für Arbeit resümierend fest, dass die Arbeitsmarktintegration ukrainischer Flüchtlinge "noch ganz am Anfang" stehe. Kurzfristig dürfte "eine Erhöhung der Beschäftigungsaufnahmen nicht wahrscheinlich sein". Rund drei Fünftel der in Deutschland lebenden Ukrainer im erwerbsfähigen Alter hätten im Juli 2023 Bürgergeld bezogen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, wie auch die oben genannten Zahlen bestätigen.

Wolfram Weimer sagte in der Sendung: "Es ist in Wahrheit kein Bürgergeld, es ist ein Migrantengeld." Diese Formulierung kann so verstanden werden, dass die Mehrheit der Bürgergeldempfänger einen Migrationshintergrund haben. Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus dem Juni 2023 zeigen, dass rund 62 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen Migrationshintergrund haben. Diese Zahl ist jedoch vor dem Hintergrund zu betrachten, dass insbesondere nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 viele Menschen nach Deutschland gekommen sind, um der unmittelbaren Bedrohung durch den Krieg zu entkommen. Diese Menschen halten sich also erst seit relativ kurzer Zeit in Deutschland auf. Die Aufenthaltsdauer wird in der Statistik nicht differenziert dargestellt, obwohl sie ein wichtiges Kriterium bei der Frage ist, wie gut ein zugezogener Mensch in den deutschen Arbeitsmarkt integriert ist.

Außerdem ist zu beachten, dass der Terminus "mit Migrationshintergrund" auch Menschen umfasst, die die deutsche Staatsangehörigkeit haben und in Deutschland aufgewachsen sind. Auch Menschen, die hier geboren sind und mindestens einen Elternteil haben, der nach Deutschland eingewandert ist, haben laut der Statistik einen Migrationshintergrund.

Fazit: Wolfram Weimer sagte in der Sendung, dass es sich beim Bürgergeld in Wahrheit um ein "Migrantengeld" handele. Er sagte auch, dass 2,6 Millionen Nicht-Deutsche Bürgergeld erhalten würden. Diese Zahl stimmt. Tatsächlich aber wird das Bürgergeld mehrheitlich von deutschen Staatsangehörigen in Anspruch genommen (2,9 Millionen Menschen; 53 Prozent). Der Anteil der Ausländer beträgt demnach 47 Prozent. Speziell bei den Ukrainern sind es aber nicht 1,3 Millionen, wie Wolfram Weimer sagte. Im Juli 2023 erhielten laut Bundesagentur für Arbeit etwa 704.000 Ukrainer Bürgergeld. Dass das Bürgergeld überwiegend von Menschen mit Migrationshintergrund beansprucht wird, wie Wolfram Weimer mit der Formulierung "Migrantengeld" nahelegte, ist durch aktuelle Zahlen belegt. 62 Prozent der erwerbsfähigen Bürgergeldempfänger haben demnach einen Migrationshintergrund. Darunter befinden sich allerdings auch viele Menschen, die seit ihrer Geburt hier leben und die deutsche Staatsangehörigkeit haben.

Stand: 24.11.2023

Autor: Tim Berressem