Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 31.01.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Luisa Thomé, Theo Koll, Christoph Heusgen
Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Luisa Thomé, Theo Koll, Christoph Heusgen | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Was besagte das Minsker Abkommen und warum ist es gescheitert?

Was besagte das Minsker Abkommen und warum ist es gescheitert?

Mit dem Leiter der Münchener Sicherheitskonferenz Christoph Heusgen sprach Sandra Maischberger über ein mögliches Ende des Ukraine-Kriegs. Aus seiner Sicht, so erklärte Heusgen, könne der Krieg nur mit einem Vertrag ähnlich dem Minsker Abkommen von 2015 enden. Welche Vereinbarungen dieses Abkommen beinhaltete und warum es letztlich scheiterte, schauen wir uns hier noch einmal genauer an.

Friedensplan für die Ukraine: Was sah das Minsker Abkommen von 2015 vor?

Heusgen: "Wir haben ja eine ähnliche Situation 2014/2015 gehabt, wo es dann zu einem Abkommen gekommen ist, wo man dann das Minsker Abkommen geschlossen hat, wo zumindest für einige Jahre Ruhe war. Und da können wir vielleicht drüber sprechen. Wir sind noch nicht nicht so weit, aber wir müssen natürlich gucken, wie können wir diesem Sterben ein Ende setzen, wie können wir doch zu irgendwie einem Waffenstillstand kommen. (…) Wir müssen ja sehen, dass wir irgendwann zu einer Situation kommen, wie wir sie 2015 hatten. Seinerzeit, 2015, hat ja Putin Poroschenko als Präsidenten akzeptiert. Die saßen zusammen."

Maischberger: "Ja, nachdem er (gemeint ist Wladimir Putin, Anm. d. Red.) ein Teil des Landes einfach quasi für sich genommen hat."

Heusgen: "Ja, aber er hat ihn als – Putin sagt ja heute, er macht nur Frieden nicht mit dieser Regierung, er will einen Regierungswechsel. Und das ist keine Voraussetzung für Verhandlungen. Das muss sich ändern. Und dann muss man Selenskyj mitnehmen, und dann muss man sehen, was ist jetzt, welchen Preis, bist du noch mal bereit, so was wie – letztlich wird so was rauskommen wie Minsk, ja? Also, ich sehe es nicht anders. Aber die Regierung muss man mitnehmen, Selenskyj muss man mitnehmen dafür."

Hintergrund: Was besagte das Minsker Abkommen und warum ist es gescheitert?

Ziel des Minsker Abkommens, das am 12. Februar 2015 in der belarussischen Hauptstadt unterzeichnet wurde, war es, den seit 2014 herrschenden Krieg in der Ostukraine politisch beizulegen. Ausgelöst worden war der Konflikt hauptsächlich durch Russlands völkerrechtswidrige Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim im März 2014, woraufhin die pro-russischen Separatistengebiete Donezk und Luhansk kurze Zeit später ihre Unabhängigkeit als selbsternannte Volksrepubliken erklärten. Kämpfe zwischen den aus Russland unterstützten Separatisten und den ukrainischen Regierungstruppen waren die Folge.

Das Ziel, die Kampfhandlungen zu beenden, wurde bereits im September 2014 im sogenannten Protokoll von Minsk (Minsk I) festgehalten. Der darin vereinbarte Waffenstillstand hielt allerdings nur rund drei Wochen, ehe die Kämpfe weitergingen. Das Minsker Abkommen (Minsk II) ergänzte und konkretisierte die erste Vereinbarung. Vorgesehen war erneut ein sofortiger Waffenstillstand sowie der Abzug schwerer Waffen durch beide Seiten. Darüber hinaus sah Minsk II den Abzug aller ausländischen Söldner und Truppen aus der Ostukraine, die Wiederherstellung der vollständigen Kontrolle über die ukrainisch-russische Staatsgrenze durch die Ukraine und Wahlen in den von den Separatisten kontrollierten Gebieten Luhansk und Donezk vor. Die insgesamt 13 Punkte des Abkommens können hier im Originalwortlaut nachgelesen werden.

Ausgehandelt worden war das Abkommen im sogenannten Normandie-Format vom damaligen französischen Präsidenten François Hollande, der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel, dem damaligen ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko sowie dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Unterzeichnet wurde die Vereinbarung schließlich von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE), der Ukraine und Russland unter Anwesenheit von Vertretern der pro-russischen Separatisten.

Während Diplomaten auf deutscher, französischer und russischer Seite das Abkommen als Erfolg werteten, wurde es in der Ukraine mit großer Skepsis betrachtet. Die Befürchtung: Das Abkommen würde eine weitreichende Autonomie für die Separatisten schaffen und den Einfluss Russlands somit weiter stärken. Gleichzeitig erwies sich der in Minsk vereinbarte Waffenstillstand als instabil. Der erste große Verstoß folgte schon wenige Tage nach der Unterzeichnung, als die pro-russischen Separatisten die Einnahme der strategisch wichtigen Stadt Debalzewe verkündeten. Seither wurde das Abkommen nach OSZE-Angaben beinahe täglich gebrochen. Der damalige ukrainische Präsident Poroschenko betonte, politische Zugeständnisse erst dann machen zu wollen, wenn eine dauerhafte Waffenruhe gewährleistet wäre. Umgekehrt machte die pro-russische Seite eine Umsetzung der politischen Vereinbarungen zur vorgelagerten Bedingung für einen militärischen Rückzug. Als Konsequenz blieb Minsk II jahrelang eingefroren.

Erst Poroschenkos Nachfolger, der 2019 ins Amt gewählte Wolodymyr Selenskyj, brachte neue Bewegung in die Sache. Anders als Poroschenko ordnete er den von Russland geforderten Truppenabzug an drei vereinbarten Standorten an, ohne auf kompletten und dauerhaften Waffenstillstand zu warten. Auch zeigte er sich grundsätzlich bereit, Wahlen in den ostukrainischen Separatistengebieten Donezk und Luhansk unter der Aufsicht der OSZE abzuhalten.

Im Dezember 2019 kam Selenskyj im Normandie-Format mit Emmanuel Macron, Angela Merkel und Wladimir Putin zusammen, wo man erneut die Umsetzung eines vollständigen Waffenstillstands in der Ostukraine vereinbarte. Doch auch dieser Versuch, die Kampfhandlungen zu beenden, schlug fehl. Zahlreiche Beobachter erklärten das Minsk-Abkommen schon damals für gescheitert.

Am 21. Februar 2022 brach Wladimir Putin das Abkommen dann endgültig, indem er die Anerkennung der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk als eigenständige Staaten verkündete und Truppen in die von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiete entsandte. Die Umsetzung von Minsk II erklärte er bei einem Treffen des nationalen Sicherheitsrats in Moskau für aussichtslos. Drei Tage später, am 24. Februar 2022, begann Russland seinen Angriffskrieg gegen die gesamte Ukraine.

Fazit: Das Minsker Abkommen sollte den seit 2014 herrschenden Krieg zwischen pro-russischen Separatisten und ukrainischen Regierungstruppen in der Ostukraine politisch beenden. Zentrale Forderung des Abkommens war ein vollständiger Waffenstillstand. Dieser wurde jedoch immer wieder durch beide Seiten gebrochen. Auch wenn der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nach seiner Wahl 2019 versuchte, die Verhandlungen durch Zugeständnisse an Russland wiederaufzunehmen, konnte der Konflikt nicht beigelegt werden. Drei Tage vor Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die gesamte Ukraine am 24. Februar 2022 erklärte Putin die Umsetzung des Minsk-Abkommens für aussichtslos.

Stand: 01.02.2024

Autor: Tim Berressem