Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 09.04.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Theo Koll, Gregor Gysi, Alev Doğan, Claus Ruhe Madsen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann
Die Gäste (v.l.n.r.): Susanne Gaschke, Theo Koll, Gregor Gysi, Alev Doğan, Claus Ruhe Madsen, Marie-Agnes Strack-Zimmermann | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wie hoch sind die deutschen Rüstungsexporte nach Israel?

Wie hoch sind die deutschen Rüstungsexporte nach Israel?

In der Sendung wurde verschiedentlich über den Gaza-Krieg und über die Forderung der Linken diskutiert, Deutschland müsse seine Waffenlieferungen an Israel einstellen. Sowohl der langjährige Leiter des ZDF-Hauptstadtstudios Theo Koll als auch die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann sagten in diesem Zusammenhang, dass die Bundesrepublik kaum Waffen an Israel liefern würde. Wie hoch die Rüstungsexporte an Israel tatsächlich sind, wollen wir uns hier noch einmal näher anschauen. 

Krieg in Gaza: Wie hoch sind die deutschen Rüstungsexporte nach Israel? | Video verfügbar bis 09.04.2025

Maischberger: "Wir reden auch gleich über den Krieg in Gaza mit Gregor Gysi und Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Dort gibt es die Forderung von Gregor Gysi, dass man jetzt sofort aufhören soll mit Waffenlieferungen an Israel, wenn man einfach darauf blickt, welche Zerstörung damit unter anderem auch in Gaza angerichtet wird. Können Sie dem folgen?"

Koll: "Es würde so gut wie keinen Unterschied machen, weil im Moment, soweit ich weiß, die Bundesrepublik so gut wie keine Waffen liefert. Es gab einen großen Schub an Genehmigungen und an Lieferungen nach dem 7. Oktober. Da hat sich ja die Antragslage fast verzehnfacht. Aber im Moment wird so gut wie gar nichts geliefert. Und soweit ich weiß auch keine tödlichen Waffen, es ist sehr viel Logistik, die geliefert wurde."

(…)

Strack-Zimmermann: "Die meisten Dinge, die geliefert wurden, sind erstens keine letalen Waffen, also keine Waffen, mit denen man unmittelbar in den Einsatz geht, sondern erstens sozusagen Ersatzteile, das können Gummierungen sein, Schrauben, was auch immer. Und zwei Drittel dessen, was geliefert wurde, wurde weit vor dem 7. Oktober geliefert. Wir sind in enger Partnerschaft mit Israel. Im Übrigen kauft auch Deutschland von Israel Arrow 3, ein Waffensystem. Um uns zu schützen aus der Luft, kauft Deutschland in Israel ein. Das heißt, wir sind Partner. Und insofern – das Argument, dass sozusagen wir Dinge liefern, die unmittelbar dort wirken, das stimmt nicht."

Hintergrund: Wie hoch sind die deutschen Rüstungsexporte nach Israel?

Nach Angaben des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) vom 9. Januar 2024 hat die Bundesregierung im Jahr 2023 Rüstungsexporte nach Israel im Wert von rund 326 Millionen Euro genehmigt. Gegenüber dem Vorjahr hat sich das Volumen damit in etwa verzehnfacht

Waffen machen dabei jedoch einen vergleichsweise kleinen Teil der gelieferten Rüstungsgüter aus. So wurden laut BMWK Kriegswaffen im Wert von rund 20 Millionen Euro geliefert, darunter 3.000 tragbare Panzerabwehrwaffen und 500.000 Schuss Munition für Maschinengewehre oder halb automatische Schusswaffen. Sonstige Rüstungsgüter, wie z.B. gepanzerte Fahrzeuge, Schutzausrüstung oder militärische Software, machten mit 306 Millionen Euro den deutlich größeren Teil aus, nämlich rund 94 Prozent

Der Großteil der mehr als 200 Einzelgenehmigungen, die für die Rüstungsexporte notwendig sind, wurden dem BMWK zufolge nach dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 erteilt. Aufgrund der besonderen Lage, in der Israel sich seither befinde, habe man die Exportanträge nach dem 7. Oktober im Eiltempo bearbeitet und beschieden, heißt es aus dem Ministerium. Dass ein solcher Antrag abgelehnt wird, kommt nur selten vor. Wie aus den jährlichen Rüstungsexportberichten der Bundesregierung hervorgeht, wurden seit 2003 rund 99,8 Prozent aller Exportanträge nach Israel bewilligt. 

Aktuell gehen die Exportzahlen wieder zurück. Bis zum 15. Februar 2024 wurden Lieferungen für rund neun Millionen Euro erlaubt, wie das BMWK auf Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen vom Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mitteilte. Darunter waren den Angaben zufolge Kriegswaffen für gut 32.000 Euro. Rechnet man dies auf das Gesamtjahr hoch, wird der Wert aus dem Vorjahr nicht ansatzweise erreicht. 

Kritiker fordern Ende der Waffenlieferungen

Kritiker fordern indes, Waffenlieferungen an Israel gänzlich einzustellen. So betonten etwa Gregor Gysi und der Linken-Parteivorsitzende Martin Schirdewan in einer gemeinsamen Erklärung: "Das unermessliche Leid der zivilen Bevölkerung in Gaza muss beendet werden. Es reicht nicht aus, dass die Bundesregierung ihre Kritik an Israels Vorgehen in verbalen Appellen kundtut. Es muss ein sofortiger Stopp aller Waffenlieferungen nach Israel erfolgen."

Angesichts der Lage im Gazastreifen hat auch der Menschenrechtsrat der UNO ein Ende von Waffenlieferungen an Israel gefordert. Dies sei notwendig, um weitere Verletzungen von internationalem humanitärem Recht zu verhindern, heißt es in einer Resolution, die von 28 der 47 Mitglieder im Rat unterstützt wird. 13 Länder enthielten sich, sechs Staaten stimmten dagegen – darunter auch Deutschland und die USA.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (B’90/Grüne) forderte Israel und die Hamas zuletzt wiederholt zu einem Waffenstillstand auf. Künftige Waffenlieferungen an Israel grundsätzlich auszuschließen, kommt für die Bundesregierung derzeit aber nicht in Frage. Das geht aus der Antwort des Auswärtigen Amts auf eine weitere Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Sevim Dağdelen (BSW) hervor. Demnach sei die Genehmigung von Waffenlieferungen stets als Einzelfallentscheidung zu betrachten. Diese erfolge "im Lichte der jeweiligen Situation nach sorgfältiger Prüfung unter Einbeziehung außen- und sicherheitspolitischer Erwägungen nach den rechtlichen und politischen Vorgaben, einschließlich der Berücksichtigung völkerrechtlicher Verpflichtungen". Genehmigungen für Rüstungsexporte nach Israel seien demnach weiterhin möglich. Gleichzeitig fordere die Bundesregierung Israel auf, das humanitäre Völkerrecht einzuhalten und "mehr humanitäre Hilfe in Gaza zuzulassen".

Deutschland ist zweitwichtigster Waffenlieferant für Israel

Seit Jahren ist Deutschland hinter den USA der zweitwichtigste Waffenexporteur für Israel. Das geht aus Daten des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) hervor. Demnach war die Bundesrepublik im Jahr 2023 für 47 Prozent aller israelischen Waffenimporte verantwortlich, dicht hinter den USA mit 53 Prozent. Über einen längeren Zeitraum von fünf Jahren betrachtet – zwischen 2019 und 2023 – machten Lieferungen aus Deutschland immerhin 30 Prozent aller Waffenimporte aus, während 69 Prozent aus den USA stammten. Ein Prozent der Waffenlieferungen kam aus Italien.

Fazit: Deutschland ist neben den USA der zweitwichtigste Waffenexporteur für Israel. Im Jahr 2023 lieferte die Bundesrepublik Kriegswaffen im Wert von rund 20 Millionen Euro dorthin. Gemessen an den gesamten Rüstungsexporten nach Israel (326 Millionen Euro) machten Waffen aber nur einen vergleichsweise kleinen Teil aus. Hauptsächlich lieferte Deutschland andere Rüstungsgüter, wie z.B. gepanzerte Fahrzeuge, Schutzausrüstung oder militärische Software. Die meisten Exporte wurden nach dem Terrorangriff der Hamas gegen Israel am 7. Oktober 2023 genehmigt. Aktuell gehen die Exportzahlen wieder zurück. Entgegen den Forderungen zahlreicher Kritiker will die Bundesregierung weitere Waffenlieferungen an Israel nicht ausschließen.

Stand: 10.04.2024

Autor: Tim Berressem