Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 17.04.2024

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Matthias Deiß, Hannah Bethke, Hannes Jaenicke, Roderich Kiesewetter, Gesine Schwan, Heinrich von Pierer
Die Gäste (v.l.n.r.): Matthias Deiß, Hannah Bethke, Hannes Jaenicke, Roderich Kiesewetter, Gesine Schwan, Heinrich von Pierer | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Was sagten Kiesewetter und Pistorius über ukrainische Angriffe auf Ziele in Russland?

Was sagten Kiesewetter und Pistorius über ukrainische Angriffe auf Ziele in Russland?

Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter äußerte sich in der Sendung zu seiner umstrittenen Aussage, wonach die Ukraine befähigt werden müsse, den Krieg nach Russland zu tragen. Kiesewetter betonte, dass er sich damit ausschließlich auf militärische Ziele bezogen habe. Außerdem sagte er, Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) habe sich schon zu einem früheren Zeitpunkt ähnlich geäußert.

"Krieg nach Russland tragen": Was sagten Kiesewetter und Pistorius über ukrainische Angriffe auf Ziele in Russland? | Video verfügbar bis 17.04.2025

Maischberger: "Sie haben auch diesen Satz gesagt, da waren Sie in Kiew und haben eben aus Kiew gesagt, man müsse den Krieg nach Russland tragen."

Kiesewetter: "Darf ich das ausführen?"

Maischberger: "Ja, unbedingt. Weil das klingt so, als ob Sie meinen, die Ukrainer müssten jetzt Moskau angreifen. Sollen sie das? Ministerien zerstören?"

Kiesewetter: "Genau, ich darf das sehr klar ausführen. Ich habe an der Tonalität vielleicht was zu ändern, aber nicht am Inhalt. Es geht schlichtweg darum, wir hatten einen Bombenangriff erlebt, wir waren im Bunker, und ich habe meinen Termin mit der Deutschen Welle eingehalten und habe gesagt, die Ukraine muss befähigt werden, den Krieg nach Russland zu tragen. Also auch dort Versorgungslinien, militärische Einrichtungen, auch das Kriegsministerium beispielsweise anzugreifen."

Maischberger: "Das ist in Moskau."

Kiesewetter: "Ja, und? Nichts anderes hat Pistorius gesagt. Ich möchte das sehr deutlich machen. Ich unterstütze da auch den Verteidigungsminister. Der Verteidigungsminister hat sehr klar schon am 20. April letzten Jahres gesagt, es ist das Normalste der Welt, wenn der Angegriffene den Krieg auf das Territorium des Aggressors fortträgt. Das sei das Normalste der Welt und ganz natürlich. Und er sprach auch von Militäreinrichtungen und Versorgungslinien. Und ich habe auch noch das Herz genannt, das ist das Kriegsministerium."

Hintergrund: Was sagten Kiesewetter und Pistorius über ukrainische Angriffe auf Ziele in Russland?

In einem Interview mit der Deutschen Welle vom 9.2.2024 äußerte sich Roderich Kiesewetter zur Unterstützung des Westens für die Ukraine. Der CDU-Politiker, der sich zum Zeitpunkt des Interviews selbst in Kiew aufhielt, warnte davor, die Unterstützung für die Ukraine zurückzufahren. Denn eine Niederlage der Ukraine würde bedeuten, "dass der Westen nicht in der Lage ist, einem Diktator wie Putin, der Hunderttausende seiner eigenen Soldaten sinnlos opfert in einem furchtbaren Blutvergießen, Einhalt zu gebieten." Russland müsse gezeigt werden, dass es so nicht weiter vorgehen könne. In diesem Zusammenhang sagte Kiesewetter folgendes:

"Der Krieg muss nach Russland getragen werden. Russische Militäreinrichtungen und Hauptquartiere müssen zerstört werden. Wir müssen alles tun, dass die Ukraine in die Lage versetzt wird, nicht nur Ölraffinerien in Russland zu zerstören, sondern Ministerien, Kommandoposten, Gefechtsstände."

Mit dieser Äußerung stieß Kiesewetter auf teils heftige Kritik. So reagierte die BSW-Vorsitzende Sahra Wagenknecht mit Unverständnis auf die Worte des CDU-Politikers. "Herr Kiesewetter scheint nicht mehr alle Tassen im Schrank zu haben", sagte sie am 12.2.2024 gegenüber der Berliner Zeitung. Und weiter: "Wer den Krieg nach Russland tragen will, indem mit deutschen Waffen russische Militäreinrichtungen und Ministerien zerstört werden, wird den Krieg nach Deutschland tragen."

Dass es Kiesewetter ausdrücklich nicht um den Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium gehe, betonte er am 5.3.2024 in der ZDF-Sendung "Markus Lanz".

Bereits im Juli 2023 hatte Kiesewetter dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt: "Es muss der Ukraine zugestanden werden, auch militärische Ziele auf russischem Gebiet anzugreifen. Das ist nicht nur völkerrechtlich zulässig, sondern dort geboten, wo diese Einrichtungen genutzt werden, um die Ukraine und ihre Zivilbevölkerung zu bekämpfen."

Drei Monate zuvor hatte sich Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) ebenfalls zu der Frage geäußert. In der ZDF-Sendung "Maybrit Illner" vom 20.4.2023 sagte Pistorius:

"Es ist selbstverständlich und völlig normal in so einer Auseinandersetzung, einer militärischen, dass auch der Angegriffene ins gegnerische Territorium vorgeht, um beispielsweise Nachschubwege zu unterbinden. Das ist das Normalste der Welt. Solange keine Städte, keine Zivilisten, keine zivilen Bereiche attackiert werden, wird man das notgedrungen akzeptieren müssen. Nicht gerne, aber es gehört dazu, um Nachschubwege beispielsweise zu unterbinden."

Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (B’90/Grüne) äußerte Verständnis für ukrainische Militärschläge auf russischem Territorium. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte sie am 7.9.2023: "Nicht die Ukraine greift Russland an, sondern Russland ist mit Panzern, Soldaten, Raketen in die Ukraine einmarschiert." Wenn die Ukraine sich dagegen verteidige, "um ihre Menschen zu schützen, tut sie das im Einklang mit dem Völkerrecht. Konkret dem Recht auf Selbstverteidigung, verbrieft in der UN-Charta."

Zuletzt gab es vermehrt Meldungen über ukrainische Drohnenangriffe gegen Ziele in Russland. So wurde am gestrigen Mittwoch (17.4.2024) offenbar eine Kampfflugzeug-Fabrik in der russischen Region Tatarstan getroffen. Die Fabrik liegt knapp 1.300 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt. Mitte März hatten ukrainische Drohnen eine große Ölraffinerie in der Nähe der Millionenstadt Nischni Nowgorod, 400 Kilometer östlich von Moskau, in Brand gesetzt.

Dass die Ukraine bei Angriffen auf russisches Territorium keine westlichen Waffen einsetzt, gilt als grundsätzliche Bedingung für die militärische Unterstützung der Verbündeten. Diese Vereinbarung wurde bislang stets eingehalten, wie Experten immer wieder betonen.

Fazit: CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte im Februar 2024, der Krieg müsse nach Russland getragen werden. Die westlichen Verbündeten, so Kiesewetter weiter, müssten die Ukraine in die Lage versetzen, militärisch relevante Ziele auf russischem Gebiet angreifen zu können. Später betonte der CDU-Politiker, dass es ihm ausdrücklich nicht darum gehe, westliche Waffen in Russland einzusetzen. Dass Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sich bereits vorher in ähnlicher Weise geäußert habe, wie Kiesewetter in der Sendung sagte, stimmt. Er bezeichnete es als "das Normalste der Welt", dass ein angegriffener Staat auch auf gegnerischem Territorium aktiv werde. Anders als Kiesewetter sagte Pistorius allerdings, dass man solche Gegenangriffe "notgedrungen akzeptieren" müsse. Auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (B’90/Grüne) äußerte Verständnis für ukrainische Militärschläge auf russischem Territorium und verwies dabei auf das völkerrechtlich verankerte Recht auf Selbstverteidigung.

Stand: 18.04.2024

Autor: Tim Berressem