Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 20.05.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Welchen Effekt hätte die Abschaffung eines gesetzlichen Feiertages?
Welchen Effekt hätte die Abschaffung eines gesetzlichen Feiertages?
Unsere Kommentatoren diskutierten in der Sendung über die Idee, einen gesetzlichen Feiertag abzuschaffen, um die Wirtschaftsleistung zu erhöhen. Welche Auswirkungen dieser Schritt voraussichtlich hätte, schauen wir uns hier noch einmal genauer an.
Maischberger: "Herr Hüther, das ist ein Chef des IW (Institut der deutschen Wirtschaft, Anm. d. Red.), meint, wir müssen unbedingt einen Feiertag abschaffen. Das wäre 'eine Möglichkeit, die Wirtschaftsleistung sehr kurzfristig und effektiv zu erhöhen.' Ist da was dran? Müssen wir mehr arbeiten, müssen wir einen Feiertag abschaffen, um mehr zu arbeiten?"
(…)
Schwennicke: "Das ist vielleicht ein etwas grobschlächtiges Instrument, aber ich würde sagen, das kann man machen, wenn es die Wirtschaftsleistung fördert, und das ist ja sicherlich so. Ich glaube, dass wir generell tatsächlich vom, wie sagt man neudeutsch, vom Mindset her aus der Zeit der Behaglichkeit in die Zeit einer neuen Härte kommen müssen. Ja, tut mir leid."
Gerster: "Ausnahmsweise möchte ich mal Markus Söder zitieren – sehr ungewöhnlich für mich –, der gesagt hat, die Feiertage gehören zu unserer Kultur. Und ich finde, da hat er Recht. Die sollte man nicht einfach opfern."
Schwennicke: "Die sollen ja auch nicht alle gestrichen werden, also."
Hintergrund: Welchen Effekt hätte die Abschaffung eines gesetzlichen Feiertages?
Als Reaktion auf die schwächelnde deutsche Wirtschaft wird derzeit immer wieder über die mögliche Abschaffung eines gesetzlichen Feiertages diskutiert. Wie bereits in der Sendung zitiert, sprach sich zuletzt der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, dafür aus. "Die Abschaffung eines Feiertages wäre eine Möglichkeit, die Wirtschaftsleistung sehr kurzfristig und effektiv zu erhöhen", sagte Hüther den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Beispielhaft verwies er auf die nahezu bundesweite Abschaffung des Buß- und Bettags als gesetzlichen Feiertag im Jahr 1995. "Mehr Arbeit ist also möglich, wenn man es will", betonte der IW-Direktor.
Wirtschaftsinstitute: Zusätzlicher Arbeitstag könnte 8 Milliarden Euro bringen
Das als arbeitgebernah geltende IW geht davon aus, dass ein zusätzlicher Arbeitstag das Bruttoinlandsprodukt (BIP) um bis zu 8,6 Milliarden Euro steigern könnte. Gemessen an der deutschen Wirtschaftsleistung des Jahres 2024 würde das einem Zuwachs von 0,2 Prozent entsprechen.
Auch Clemens Fuest, Präsident des Münchener Ifo-Instituts, plädiert für die Streichung eines Feiertags, um "das Arbeitsangebot der Menschen zu steigern". Stattdessen gebe es derzeit Forderungen nach mehr Urlaubstagen und kürzeren Arbeitszeiten. "Das wäre jetzt der falsche Weg, wenn man Inflation vermeiden und Wachstum fördern will", betonte Fuest. Durch einen zusätzlichen Arbeitstag könne die Wirtschaftsleistung um etwa acht Milliarden Euro jährlich steigen. Damit teilt das Ifo-Institut in etwa die Einschätzung des IW.
Die Berechnung der konkreten Auswirkungen gestaltet sich jedoch sehr kompliziert, wie das IW erklärt: "Die exakten Berechnungen sind schwierig, weil sie beispielsweise auch von der Kapazitätsauslastung der Unternehmen abhängen. Mit mehr Zeit kann also nicht automatisch mehr produziert werden". Dazu kommt: Je nachdem, wann im Jahr ein Feiertag liegt, kann es unterschiedliche Auswirkungen geben. Je nach Branche und Jahreszeit wird unterschiedlich viel erwirtschaftet. Ein arbeitsfreier Tag im Sommer trifft beispielsweise die Baubranche härter als einer im Winter.
DIW-Chef argumentiert gegen Streichung
Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), lehnt den Vorschlag grundsätzlich ab. "Der Arbeitskräftemangel in Deutschland wird nicht durch eine Streichung von Feiertagen oder steuerliche Privilegien für Überstunden in Vollzeit gelöst werden", sagte Fratzscher den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Stattdessen liege der Schlüssel gegen den Arbeitskräftemangel aus seiner Sicht im Abbau der Hürden für die Erwerbstätigkeit von Frauen und zugewanderten Menschen.
Gegenwind kommt auch von den Gewerkschaften und Sozialverbänden. Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), warnte in der "Zeit", die Streichung eines Feiertags komme einer verdeckten Lohnkürzung gleich: mehr Arbeit ohne Ausgleich. Wie das Wohlstand bringen solle, sei ihr schleierhaft. Die aktuellen Vorschläge seien "theoretische Berechnungen auf dem Rücken der Beschäftigten". Das würden die Gewerkschaften nicht akzeptieren, so Fahimi.
Yvonne Lott von der Hans-Böckler-Stiftung warnte vor den gesellschaftlichen Folgen solcher Vorschläge, durch die der Eindruck entstehe, "wir arbeiten alle zu wenig". In Wirklichkeit nähmen psychische Belastungen und Burnout zu, wie Krankenkassen und Fehlzeitenstatistiken zeigten. Wenn die Politik nun den Eindruck vermittele, Beschäftigte seien nicht leistungsbereit und sollten auch noch einen Feiertag opfern, sei das gefährlich – gerade in Zeiten, in denen sich viele Menschen von der Demokratie abwenden würden.
Kanzler Merz will Arbeitszeit reformieren
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) appellierte zuletzt grundsätzlich an die Leistungsbereitschaft der Bevölkerung. Auf dem CDU-Wirtschaftstag sagte er, die Deutschen müssten "wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten". "Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können", so Merz. Die Streichung eines Feiertags plant die schwarz-rote Bundesregierung bislang aber nicht. Stattdessen will man eine wöchentliche statt einer täglichen Höchstarbeitszeit einführen, sodass an manchen Tagen auch mehr als acht Stunden gearbeitet werden kann. Die SPD hatte bereits deutlich gemacht, dass man an den bestehenden Feiertagen festhalten wolle. "Gesetzliche Feiertage fördern die Erholung und stärken damit auch die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Deshalb ist für die SPD-Fraktion eine Reduktion der Feiertage weder geboten noch sinnvoll", betonte der stellvertretende Fraktionschef der SPD im Bundestag, Armand Zorn, gegenüber der "Welt".
Feiertage variieren von Bundesland zu Bundesland
Derzeit gibt es in Deutschland neun gesetzliche Feiertage, die in allen Bundesländern gelten. Sechs davon sind christlich geprägt: Karfreitag, Ostermontag, Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag sowie der erste und zweite Weihnachtsfeiertag. Die drei weltlichen Feiertage sind Neujahr, der Tag der Arbeit und der Tag der Deutschen Einheit. Im europäischen Vergleich liegt Deutschland damit im Mittelfeld. Allerdings wird der Vergleich dadurch erschwert, dass die Zahl der Feiertage von Bundesland zu Bundesland deutlich variiert. In Bayern haben die Menschen an 13 Tagen im Jahr frei, in Augsburg sogar an 14 Tagen, weil dort zusätzlich das Friedensfest am 8. August gefeiert wird. Hessen und Berlin haben dagegen nur zehn gesetzliche Feiertage.
Fazit: Als Reaktion auf die schwächelnde Konjunktur sprachen sich zuletzt einige Wirtschaftsexperten für die Abschaffung eines gesetzlichen Feiertages aus. Berechnungen zufolge könnte die Wirtschaftsleistung dadurch um etwa 0,2 Prozent gesteigert werden. Manche Experten halten diese Maßnahme aber nicht für nachhaltig. Vielmehr müsse der Arbeitskräftemangel grundsätzlich behoben werden. Kritik kommt auch von den Gewerkschaften und Sozialverbänden, die betonen, wie wichtig Feiertage für die Erholung der Arbeitnehmer seien. Die Bundesregierung plant derzeit nicht, einen Feiertag abzuschaffen. Stattdessen will man die gesetzliche Höchstarbeitszeit flexibilisieren, sodass an manchen Tagen länger als acht Stunden gearbeitet werden kann.
Stand: 21.05.2025
Autor: Tim Berressem