Faktencheck zu "maischberger"
Sendung vom 26.05.2025
Faktencheck

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.
Und das schauen wir uns an:
- Plant die neue Bundesregierung geringere Investitionen als die Ampel?
- In eigener Sache
Plant die neue Bundesregierung geringere Investitionen als die Ampel?
Christian Dürr (FDP) und Manuela Schwesig (SPD) diskutierten in der Sendung u.a. über die Finanzpolitik der neuen Bundesregierung. Dürr stellte eine Rechnung auf, wonach die Investitionsquote unter Schwarz-Rot geringer ausfallen werde als im letzten Haushaltsentwurf der Ampel. Schwesig widersprach und erklärte, die neue Regierung werde mehr Investitionen auslösen. Im Faktencheck rechnen wir noch einmal nach.
Dürr: "Wir haben jetzt einen Bundeshaushalt, der nicht mehr gekommen ist, weil die alte Koalition zerbrochen ist, da hätten wir eine Investitionsquote von 17 Prozent gehabt. Also knappe 500 Milliarden Euro ist der Bundeshaushalt groß, 17 Prozent waren vorgesehen von der Ampel für Investitionen. Jetzt gibt es ein Schreiben von Herrn Klingbeil, der sagt, wir gehen runter auf zehn Prozent, weil alles über zehn Prozent können wir aus dem Sondervermögen finanzieren. Für das Sondervermögen stehen in diesem Jahr 25 Milliarden bereit. Und wenn man jetzt mal kurz die Mathematik nachvollzieht, würden wir bei ungefähr 15 Prozent landen. Also meine Sorge ist, wir machen mehr Schulden – ich bin da nicht dogmatisch, darum geht’s mir nicht – aber wir werden mehr Schulden machen, aber die gesamte Investitionssumme wird sogar noch unter der der Ampel liegen. Und das wäre sicherlich falsch, weil dann kommt das zum Tragen, was Frau Schwesig gesagt hat: Die Menschen erwarten, dass Politik jetzt in die eigene Infrastruktur, also da, wo der Staat wirklich zuständig ist, in die Straße, in die Schiene, kräftig investiert. Und das gelingt natürlich mit in der Summe weniger Investitionen leider nicht."
(…)
Schwesig: "Die Rechnung von Herrn Dürr stimmt nicht, weil, Herr Dürr, was Sie noch on top rechnen müssen, ist ja das, was ausgenommen ist, nämlich die sogenannte Bereichsausnahme. Es kommen ja on top die zusätzlichen Investitionen für die Sicherheit, die ja notwendig ist."
Dürr: "Ich meinte jetzt die Infrastruktur im Land, nicht die Verteidigung. Ich habe nichts gegen Verteidigungsinvestitionen."
Schwesig: "Es wird mehr an Investitionen ausgelöst."
Stimmt das? Plant die neue Bundesregierung geringere Investitionen als die Ampel?
Straßenbau, öffentlicher Nahverkehr oder Bildungseinrichtungen – um all das zu erhalten und auszubauen, gibt der Bund jedes Jahr mehrere Milliarden aus. Wie groß der Anteil dieser Investitionsausgaben gemessen am gesamten Bundeshaushalt ist, zeigt sich in der sogenannten Investitionsquote.
Ampel plante mit 16,6 Prozent
Im Haushaltsentwurf, den die Ampel-Regierung für das Jahr 2025 aufstellte, waren Investitionen in Höhe von rund 81 Milliarden Euro vorgesehen. Bei einem Gesamthaushalt von 488 Milliarden Euro betrug die Investitionsquote also etwa 16,6 Prozent. Durch den Bruch der Ampel-Koalition im November 2024 blieb es jedoch bei dem Entwurf. Ein vom Parlament bewilligter Haushalt kam nicht mehr zustande. In der Folge musste der Bund mit einer sogenannten vorläufigen Haushaltsführung ins neue Jahr 2025 gehen. Das bedeutet, dass laufende Ausgaben zwar weiter gedeckt sind und bestehende Projekte fortgesetzt werden können. Neue Vorhaben können bis zur Verabschiedung eines regulären Bundeshaushalts aber nicht finanziert werden.
Christian Dürr hat also Recht, wenn er sagt, dass die Ampel-Regierung in ihrem Haushaltsentwurf 2025 mit einer Investitionsquote von etwa 17 Prozent plante.
Der FDP-Chef sagte außerdem, dass die neue Regierung aus Union und SPD künftig weniger als diese 17 Prozent investieren wolle. Einen Haushaltsentwurf, in dem eine Investitionsquote festgeschrieben ist, gibt es bislang nicht. Dürr stellte in der Sendung jedoch eine Rechnung auf, um seinen Standpunkt zu untermauern. Seiner Berechnung nach belaufen sich die von Schwarz-Rot geplanten Investitionen auf zehn Prozent des Bundeshaushalts plus 25 Milliarden Euro. Das würde, wie Dürr richtig sagte, eine Investitionsquote von etwa 15 Prozent bedeuten.
Aber stimmt diese Rechnung?
Um die Zahlen im Einzelnen nachzuvollziehen, lohnt ein Blick auf das Finanzpaket, das im März 2025 mittels einer Grundgesetzänderung durch die Stimmen von Union, SPD und Grünen verabschiedet wurde. Der Beschluss beinhaltet u.a. die Einführung eines kreditfinanzierten Sondervermögens für Infrastrukturausgaben. Dieses beläuft sich auf 500 Milliarden Euro über einen Zeitraum von zwölf Jahren. Entscheidende Bedingung: Die Mittel dürfen nur zusätzlich eingesetzt werden, wenn im regulären Bundeshaushalt eine Investitionsquote von mindestens zehn Prozent erreicht wird. Das erklärt die zehn Prozent in der Rechnung von Christian Dürr. Woher aber kommen die 25 Milliarden Euro, die er hinzurechnet?
Von den 500 Milliarden Euro, die das Sondervermögen insgesamt umfasst, gehen 100 Milliarden an die Länder und Kommunen. Weitere 100 Milliarden fließen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). 300 Milliarden verbleiben also direkt beim Bund. Berücksichtigt man die Laufzeit von insgesamt zwölf Jahren, ergeben sich pro Jahr durchschnittlich 25 Milliarden Euro. Mit dieser Zahl rechnete Christian Dürr in unserer Sendung und kam damit auf eine schwarz-rote Investitionsquote von 15 Prozent.
Genau genommen ist diese Herleitung aber nicht korrekt, denn Sondervermögen sind per Definition getrennt vom regulären Bundeshaushalt zu betrachten und fließen somit nicht in die Investitionsquote ein. Damit zeigt sich auch die Schwäche dieser statistischen Größe: Wie viel der Bund in einem Jahr tatsächlich investiert hat, lässt sich allein an der Investitionsquote nicht ablesen.
Reale Investitionen können höher sein als die Quote
Ein Beispiel: Im Bundeshaushalt 2024 beliefen sich die Investitionen auf rund 57 Milliarden Euro, was einer Quote von etwa zwölf Prozent entsprach. Zusätzlich flossen noch einmal 17,8 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds in Projekte wie die energetische Gebäudesanierung oder den Ausbau der erneuerbaren Energien. Weitere 19,8 Milliarden Euro kamen aus dem Sondervermögen Bundeswehr. Insgesamt lagen die Investitionen also um fast 40 Milliarden Euro höher als im regulären Bundeshaushalt beschrieben.
Durch die Einführung des Sondervermögens Infrastruktur hat sich das Investitionspotenzial außerhalb des Bundeshaushalts noch vergrößert. Auch die Verteidigungsausgaben können durch eine Grundgesetzänderung vom März 2025 weiter steigen: Für Verteidigungs- und Sicherheitsausgaben, die über ein Prozent des Bruttoinlandsprodukts hinausgehen, ist die Schuldenbremse ausgesetzt. Damit kann Deutschland theoretisch unbegrenzt viel Geld in Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit investieren. Darauf wies auch Manuela Schwesig in der Sendung hin.
Wie hoch die Investitionen des Jahres 2025 am Ende tatsächlich ausfallen werden, ist zurzeit also unklar. Ein Haushaltsentwurf liegt bislang nicht vor. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) kündigte jedoch am heutigen Dienstag (27.5.2025) an, die Investitionen auf rund 110 Milliarden Euro steigern zu wollen. Diese sollen sich laut Klingbeil aus hohen Investitionen aus dem Kernhaushalt, dem Sondervermögen Infrastruktur sowie dem Klima- und Transformationsfonds zusammensetzen. Das Kabinett soll den Haushaltsentwurf am 25. Juni beschließen.
Kritiker warnen vor "Verschiebebahnhof"
Kritiker wie unser Studiogast Christian Dürr befürchten, die schwarz-rote Bundesregierung könnte die neuen Investitionsmittel zweckentfremden, um teure Wahlversprechen wie Entlastungen für Unternehmen oder die Mütterrente zu finanzieren. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch sagte, Kanzler Merz und Finanzminister Klingbeil arbeiteten daran, im Bundeshaushalt den "größten Verschiebebahnhof der deutschen Nachkriegsgeschichte" zu organisieren. Möglicherweise, so Audretsch, könnten bis zu 50 Milliarden Euro jährlich für Konsumausgaben freigeschaufelt werden.
Für Aufsehen hatte zuletzt ein Rundschreiben des Finanz-Staatssekretärs Steffen Meyer gesorgt. Wie das "Handelsblatt" berichtete, habe Meyer alle Ministerien in dem Schreiben dazu angehalten, das Sondervermögen bei der Budgetplanung zu berücksichtigen und die Ausgaben im regulären Bundeshaushalt entsprechend abzusenken. Kritik an diesem Schreiben wies Finanzminister Klingbeil zurück und betonte das vereinbarte Minimum von zehn Prozent.
Fazit: Christian Dürr sagte in der Sendung, die Ampel-Regierung habe seinerzeit geplant, rund 17 Prozent des Bundeshaushalts für Investitionen aufzuwenden. Das stimmt. In Folge des Koalitionsbruchs wurde dieser Plan aber nicht umgesetzt. Dass die neue Regierung aus Union und SPD ein Ziel von 15 Prozent verfolge, wie Dürr ebenfalls in der Sendung sagte, kann aktuell aber nicht bestätigt werden. Denn ein Haushaltsentwurf liegt bislang nicht vor. Was feststeht: Um Mittel aus dem Sondervermögen Infrastruktur nutzen zu können, muss die Bundesregierung mindestens zehn Prozent des regulären Haushalts in Investitionen stecken. Doch weil Investitionen aus Sondervermögen sowie Klima- und Transformationsfonds getrennt vom regulären Haushalt verbucht werden, können die tatsächlichen Investitionen am Ende deutlich höher liegen, als es die Investitionsquote besagt. Finanzminister Klingbeil kündigte bereits eine Summe von rund 110 Milliarden Euro an. Kritiker befürchten indes, die Bundesregierung könnte die neuen Investitionsmittel zweckentfremden, um teure Wahlversprechen zu finanzieren.
In eigener Sache
Im Gespräch mit EZB-Präsidentin Christine Lagarde kam es leider zu einem Übersetzungsfehler. Angesprochen auf eine mögliche Einflussnahme der Trump-Regierung auf die US-Notenbank sagte Frau Lagarde im englischen Wortlaut:
"The good thing is that the Supreme Court has issued a decision late last week, which very clearly states that the executive power cannot interfere with monetary policy decisions."
In der Sendung wurde diese Aussage wie folgt übersetzt:
"Das Gute ist, es gibt den hohen Gerichtshof. Und er hat eine Entscheidungsgewalt, und eine Entscheidung ist auch gefallen vergangene Woche. Und da hieß es sehr deutlich, dass die amerikanische Regierung sich nicht einmischen darf in die Finanzpolitik des Landes."
Der englische Begriff "monetary policy" wurde dabei fälschlicherweise mit "Finanzpolitik" übersetzt. Die korrekte Übersetzung lautet jedoch "Geldpolitik". Inhaltlich macht das einen großen Unterschied: Finanzpolitik (auch Fiskalpolitik genannt) befasst sich mit dem Staatshaushalt und wird demzufolge von der jeweiligen Regierung bestimmt. Geldpolitik hingegen ist Aufgabe der Zentralbanken und konzentriert sich auf die Kontrolle der Geldmenge und der Zinssätze.
Wir bedauern diesen Übersetzungsfehler und bitten um Entschuldigung.
Stand: 28.05.2025
Autor: Tim Berressem