Faktencheck zu "maischberger"

Sendung vom 28.05.2025

Faktencheck

Die Gäste (v.l.n.r.): Dagmar Rosenfeld, Sonja Zekri, Béla Réthy
Die Gäste (v.l.n.r.): Dagmar Rosenfeld, Sonja Zekri, Béla Réthy | Bild: WDR / Oliver Ziebe

Bei Maischberger wird engagiert diskutiert, Argumente werden ausgetauscht, es wird auch schon mal emotional und manchmal bleibt am Ende keine Zeit, um alles zu klären. Wenn Fragen offen bleiben, Aussagen nicht eindeutig waren oder einfach weitere Informationen hilfreich sein könnten, schauen wir nach der Sendung noch einmal drauf – hier in unserem Faktencheck.

Und das schauen wir uns an:

  • Wurde die sogenannte Turbo-Einbürgerung bislang kaum genutzt?

Wurde die sogenannte Turbo-Einbürgerung bislang kaum genutzt?

Unsere Kommentatoren diskutierten in der Sendung u.a. über die sogenannte Turbo-Einbürgerung, die das neue Bundeskabinett wieder abschaffen will. Dagmar Rosenfeld ("Media Pioneer") verwies in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage, wonach von dieser beschleunigten Form der Einbürgerung bislang ohnehin kaum Gebrauch gemacht worden sei.

Deutscher Pass nach drei Jahren: Wurde die sogenannte Turbo-Einbürgerung bislang kaum genutzt? | Video verfügbar bis 28.05.2026

Rosenfeld: "Die Kollegen des 'Focus' haben eine Umfrage gemacht unter Städten in Deutschland mit einem hohen Migrationsanteil und mal gefragt, wie ist denn diese Turbo-Einbürgerung genutzt worden. Und davon ist eben kaum Gebrauch gemacht worden. Also in Köln, ein Beispiel, wo derzeit über 8.000 Einbürgerungsanträge bearbeitet werden, ist kein einziger dabei, der auf Turbo-Einbürgerung geht. Und was Schwarz-Rot ja auch nicht zurückgenommen hat, ist das, was die Ampel ja auch geändert hat, dass die Regelwartezeit für Einbürgerungen, die hat die Ampel ja von acht auf fünf Jahre runtergesenkt, und das ist ja auch geblieben."

Stimmt das? Wurde die sogenannte Turbo-Einbürgerung bislang kaum genutzt?

Im Januar 2024 reformierte die von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) geführte Ampel-Regierung das Staatsbürgerschaftsrecht. Eine wesentliche Änderung betraf dabei die Wartefrist für Einbürgerungen. Ausländer, die in Deutschland leben und selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen, dürfen die deutsche Staatsbürgerschaft seitdem schon nach fünf Jahren beantragen – zuvor hatte eine Frist von acht Jahren gegolten. Für Menschen mit "besonderen Integrationsleistungen", d.h. besonders gute Sprachkenntnisse sowie herausragende Leistungen in Beruf oder Ehrenamt, setzte man die Wartezeit sogar auf drei Jahre herunter. Dies wird gemeinhin als Turbo-Einbürgerung bezeichnet.

Die neue Regierung aus Union und SPD will diese Fristverkürzung jetzt rückgängig machen. Statt nach drei Jahren soll ein deutscher Pass frühestens nach fünf Jahren vergeben werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf wurde bereits vom Kabinett verabschiedet und geht nun zur weiteren Abstimmung in den Bundestag. Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) begrüßte die Entscheidung: "Die Express-Einbürgerung nach drei Jahren Aufenthalt war ein Irrweg. Wir beenden den jetzt. Die deutsche Staatsbürgerschaft muss am Ende eines Integrationsprozesses stehen und nicht am Anfang."

"Focus"-Umfrage: Turbo-Einbürgerung wird kaum genutzt

Doch was ändert sich dadurch in der Praxis? Unser Studiogast Dagmar Rosenfeld verwies auf eine Umfrage des "Focus", wonach von der beschleunigten Einbürgerung bislang kaum Gebrauch gemacht worden sei. Tatsächlich erschien eine solche Umfrage am 25. April 2025 auf der "Focus"-Website wie auch in der Print-Ausgabe. Konkret hatte das Magazin bei Städten mit hohem Migrationsanteil nachgefragt, wie viele Einbürgerungsanträge auf Grundlage der verkürzten Frist eingegangen sind.

Köln z.B. prüfte zum Umfragezeitpunkt 8.750 Einbürgerungsanträge. Wie der "Focus" schreibt, fand sich darunter kein einziger Bewerber um eine schnellere Einbürgerung aufgrund von "besonderen Integrationsleistungen". Auch unter den knapp 3.500 Menschen, die Köln seit Inkrafttreten der Staatsbürgerschaftsreform im Juni 2024 eingebürgert hat, habe niemand den deutschen Pass im Rahmen einer verkürzten Frist erhalten.

Ein ähnliches Bild zeige sich laut "Focus" auch in den anderen befragten Städten Ludwigshafen, Offenbach, Stuttgart, Mannheim und Düsseldorf.

Einbürgerungsstatistik des Bundes liegt noch nicht vor

Ob dieser Befund repräsentativ für die gesamte Bundesrepublik ist, kann aktuell nur schwer festgestellt werden. Die offizielle Einbürgerungsstatistik, die jährlich vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht wird, liegt zum Zeitpunkt dieses Faktenchecks noch nicht vor. Nur vereinzelt haben die Bundesländer ihre Zahlen für das Jahr 2024 bereits vorgelegt, darunter Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hamburg. Alle verbuchen einen Anstieg der Einbürgerungsanträge, teils auf Rekordniveau. In Hamburg z.B. ist die Zahl um über 50 Prozent gestiegen – von 12.733 auf 19.771. Einen Grund für den Anstieg sehen Experten auch in der Verkürzung der Wartefrist durch die Ampel-Regierung. Inwieweit speziell die Turbo-Einbürgerung hier eine Rolle spielt, ist aber weitgehend unklar.

Diesbezüglich äußert sich bislang nur Baden-Württemberg mit konkreten Zahlen: Von insgesamt 37.806 Einbürgerungen im Jahr 2024 erfolgten 2.530 mit einer Aufenthaltsdauer unter 8 Jahren. In lediglich 16 Fällen wurde eine Einbürgerung unter Berücksichtigung von "besonderen Integrationsleistungen" bereits nach drei oder vier Jahren vorgenommen, heißt es. Die Statistik gibt allerdings ausschließlich Auskunft über die durchgeführten Einbürgerungen, nicht über die Zahl der gestellten Anträge.

Gesetzesänderung ist Teil des Koalitionsvertrags

Indem sie die Turbo-Einbürgerung wieder abschaffen, setzen Union und SPD ein Vorhaben des gemeinsamen Koalitionsvertrags um. Im Wahlkampf war die Union sogar noch weitergegangen und hatte angekündigt, das Staatsbürgerschaftsrecht im Falle einer Regierungsbeteiligung umfassend zurückzudrehen: Einbürgerungen sollten erst ab acht Jahren ermöglicht werden. Daraus wurde nun nichts.

Dirk Wiese, parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, lobte den Gesetzentwurf der Koalition. Union und SPD hätten einen "vernünftigen und gangbaren Kompromiss erzielt", so Wiese gegenüber der "taz". Auf diese Weise blieben andere Bestandteile des Gesetzes erhalten. Die geplante Abschaffung der Drei-Jahres-Regelung sei wegen der geringen Fallzahl "in der Sache verschmerzbar".

Kritik kommt u.a. von den Grünen. Filiz Polat, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion im Bundestag, nennt die geplante Abschaffung "weder fair noch klug" – vor allem in Zeiten, in denen Deutschland auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen sei und diese langfristig im Land halten möchte.

Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause durch den Bundestag verabschiedet werden. Der Regierungskoalition reicht dazu eine einfache Mehrheit.

Fazit: Wie Dagmar Rosenfeld in der Sendung richtig sagte, veröffentlichte das Magazin "Focus" kürzlich eine Umfrage, wonach die sogenannte Turbo-Einbürgerung in zahlreichen Städten bislang kaum genutzt wurde. Repräsentative Zahlen für die gesamte Bundesrepublik liegen aktuell aber noch nicht vor. Statistiken einzelner Bundesländer zeigen insgesamt einen deutlichen Anstieg der Einbürgerungsanträge. Inwieweit speziell die Turbo-Einbürgerung hier eine Rolle spielt, ist durch konkrete Zahlen bislang kaum belegt. Eine Erhebung aus Baden-Württemberg zeigt jedoch, dass nur ein sehr kleiner Teil der im Jahr 2024 durchgeführten Einbürgerungen mit verkürzter Wartefrist erfolgte.

Stand: 29.05.2025

Autor: Tim Berressem